R. Khol: Tschechische Außenpolitik wurde in einigen Bereichen durch die Ereignisse vom 11. September 2001 beeinflusst

Wurde die tschechische Außenpolitik durch die Ereignisse vom 11. September 2001 beeinflusst und wenn ja, in welchem Sinne?

Wurde die tschechische Außenpolitik durch die Ereignisse vom 11. September 2001 beeinflusst und wenn ja, in welchem Sinne? Danach fragte ich den Mitarbeiter des Instituts für internationale Beziehungen in Prag, Radek Khol:

"Die Antwort lautet ja und nein, d. h. der Einfluss der Terrorangriffe war bei der tschechischen Außenpolitik nicht so spürbar wie bei der US-Außenpolitik selbst. Jedoch in einigen Bereichen ist der Einfluss deutlich. Einerseits geht es um den Sicherheitsbereich - um eine klarere Definierung der Verbündeten und Freunde im Unterschied zu Ländern, die wir als eine Quelle der Gefährdung wahrnehmen. Die Tschechische Republik musste sich auch als ein Verbündeter im Rahmen der NATO klar profilieren, was sie schnell und gut gemacht hat - im Rahmen der globalen Antiterrorkampagne. Andererseits wurden jedoch mit dem 11. September bestimmte Unterschiede nicht beseitigt, die es in der Wahrnehmung bestimmter wichtiger außenpolitischer Fragen zwischen Europa und Amerika gibt. In diesen Fragen näherte sich Tschechien immer mehr dem europäischen Standpunkt an, etwa wenn es um die Frage des internationalen Strafgerichts oder um die des Protokolls von Kyoto geht."

Die tschechischen Politiker haben während des vergangenen Jahres mehrmals auch die Terroranschläge scharf verurteilt, die von palästinensischen Terroristen gegen die Israelis verübt wurden. Wurde die eher pro-israelische Haltung des Ex-Premiers Milos Zeman teilweise durch die Ereignisse vom 11. September beeinflusst? Radek Khol dazu:

"Es war eher - meines Erachtens eine kurzfristige Angelegenheit, die mit der Person von Premier Milos Zeman verbunden war, der diese Terrorangriffe als eine klare moralische Herausforderung verstand, dem Terrorismus in allen seinen Formen überall auf der Welt die Stirn zu bieten, und als konkretes Beispiel wählte er Israel."

Was die Beitrittsgespräche anbelangt, die Tschechien mit der EU führt, wurde die Mehrzahl der Verhandlungen Radek Khol zufolge durch die Lage nach dem 11. September nicht unmittelbar beeinflusst:

"Nichtsdestoweniger wurde der Umfang der Verhandlungen um Kapitel erweitert, die vor allem die Zusammenarbeit mit dem Innen- und dem Justizministerium betreffen. In diesem Bereich hat die Tschechische Republik in Anbetracht der Integrationsschritte, die die EU-Länder in diesem Jahr unternahmen, einige Aufgaben, die sie erfüllen muss, bevor diese Kapitel abgeschlossen werden und Tschechien ein vollwertiges Mitglied der EU sein wird. Dies war der unmittelbare Einfluss. Der indirekte Einfluss auf den Verlauf der Gespräche, bzw. der Volksbefragung könnte im innenpolitischen Kontext eher positiv sein, d. h., dass die EU für einen Teil der tschechischen Öffentlichkeit einen größeren Magnet im politischen Bereich und im Sicherheitsbereich darstellen kann. Aber für einige EU-Länder wird das Thema der EU-Erweiterung als solche zu einem potenziellen Sicherheitsrisiko, weil sie nicht bereit sein werden, in den sog. "Schengener Raum" Länder aufzunehmen, die ihre Grenzen nicht genauso schützen, wie die jetzigen EU-Staaten. In den EU-Ländern tauchte inzwischen die Befürchtung vor Einwanderung illegaler Immigranten auf, die aus Krisenregionen stammen und die im schlimmsten Falle sogenannte "schlafende" islamische Terroristen sein könnten."