Radůza - zwischen Kindern, Dudelsack und Konzert
Am vergangenen Wochenende haben wir Ihnen die Musik wohl der bekanntesten tschechischen Liedermacherin, Radůza, vorgestellt. Sie hat gerade frisch und in ihrem eigenen Label die CD „Ocelový město“ herausgebracht. Radio Prag hat Sie nun kurz vor Ihrem letzten Konzert in Prag vor das Mikrophon gebeten, um mit Radůza unter anderem auch über Ihre Anfänge sowie ihr heutiges Leben als Musikerin und Mutter zweier Kinder zu sprechen.
„Ich sehe das so: Das war die Arbeit, mit der ich einige Zeit meinen Lebensunterhalt verdient habe. Ich wollte vor allem Musik machen. Aber ich war eben nicht bekannt, so dass mich keiner in seinem Klub spielen ließ. Und ich fand, das war eine gute Idee, auf der Straße zu spielen. So bin ich durch ganz Europa gereist.“
Doch bevor Sie eigenständig gereist sind, haben Sie sich mit 15 Jahren auf einem Schüleraustausch in Moskau eigenmächtig von der Gruppe entfernt, die Gitarrenhülle vor sich auf dem Boden platziert - und los ging´s. Wie haben die Leute reagiert?
„Da kamen einigermaßen viele Leute zusammen. Aber plötzlich schreit mich eine Frau an, dass ich den Ruf der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik im Ausland beschädige. Da kam es dann fast zu Handgreiflichkeiten, denn die Russen wollten gegen sie einschreiten. Aber damals habe ich mir das Geld für eine Čajka-Uhr zusammenverdient. Rund 35 Rubel – damals viel Geld.“Ihre beiden Eltern waren Berufssoldaten. Wie war das damals für Sie und was hat das für einen Einfluss auf Sie gehabt?
„Ich sollte auch Soldatin von Beruf werden. Und als ich mit 14 Jahren gesagt habe, ich will aufs Konservatorium, da hieß es zu Hause: Ja, aber auf das Armee-Konservatorium. Aber irgendwie bin ich daraus gekommen. Ich wäre eine schlechte Soldatin geworden. Ich gebe nicht gern Befehle und noch weniger gern bekomme ich Befehle. Das wäre einfach nicht gegangen.“Ihre Familie dürfte also streng kommunistisch gewesen sein bei diesem Beruf, oder?
„Krass, was das. Krass. Mein Großvater war ein eingefleischter Kommunist. Meine Eltern als Berufssoldaten auch. Als die Revolution kam, da war ich 16 Jahre alt. Das war gerade das Alter, in dem mir bewusst wurde, dass alles anders ist, als die offizielle Version. Da gab es dann natürlich Streit.“
Und wie haben Sie selbst dann die Samtene Revolution erlebt?„Am Abend, als sich die größte Demonstration auf der Nationalstraße abspielte, da hatte ich ein Rendezvous mit meinem Freund. Und da bekam ich meinen ersten Kuss. Bei mir verbinden sich also Pubertät und politische Umwälzung.“
Vor fast 20 Jahren hat Sie die schon verstorbene Liedermacherin Zuzana Navarová regelrecht von der Straße auf die Bühne geholt. Und Sie sind bei einem Konzert in der Lucerna aufgetreten, das den Titel trug: Ende der tschechischen Kultur – nein! Was war das für ein Konzert?
„Nach der Revolution gab es hier so eine Diskussion, dass die Liedermacher nun nichts mehr haben, worüber sie singen können. Wo doch jetzt alles rosarot werden wird. Und das Konzert war so eine Reaktion darauf, dass die tschechische Kultur angeblich ihr Ende gefunden hat, dass man nichts mehr hat, wogegen man ansingen kann. Dabei ist das Unsinn, denn die Menschen haben immer irgendwelche Sorgen und Nöte.“
Sie wurden zum Beispiel, wie ich gelesen habe, in der Schule viel gehänselt und haben einen Spitznamen verpasst bekommen...„Radůza, medúza, čůza, Protese in Aspik. Kinder halt. Die finden immer was. Und ich war halt seltsam und somit kein Teil des Ganzen. Deshalb der Spitzname. Sicher, damals hat mich das gequält. Und diesen Spitznamen hatte ich sogar noch bis ins Erwachsenenalter. Beim Klassentreffen 20 Jahre nach der Grundschule standen da die Jungs der Klasse und sagten: Was macht die da, die čůza v aspiku? Da musste ich dann wirklich lachen. Und am Ende habe ich ja daher den Namen, unter dem ich auftrete, Radůza. Das finde ich gut.“
Heute sind Sie selbst Mutter zweier Kinder, eines 5-jährigen Jungen und eines 3-jährigen Mädchens. Sie sind seit einiger Zeit alleinerziehend. Welche Rolle spielen Sie zu Hause vor allem?„Ich bin einfach Mutter, Vater, Musikerin, Holzfäller, Gärtnerin, Köchin, Bäckerin, Wäscherin. Ich glaube, zu Hause nehmen mich die Kinder nicht so sehr als Musikerin wahr. Ich renne da durch die Gegend mit dem Rasenmäher, einer Motorsäge usw. Und wenn ich etwas Zeit habe, dann backen wir Kuchen und Torten. Torten lieben meine Kinder. Sie fahren gerade auf Schiffe ab. Also backen wir dauernd die Titanic.“
Wie schaffen Sie das alleine?„Bisher sind weder die Kinder noch ich eingegangen. (lachen.) Ja, sicher, irgendwie kriegt man das hin. Aber im Kindergarten zum Beispiel fehlt immer mal eine Strumpfhose oder ein Kochlöffel, den ich Ihnen mitgeben sollte, oder ich vergesse, welcher Tag gerade ist. Oder die Glühbirne im Flur – die funktioniert seit zwei Monaten nicht mehr, weil ich es einfach nicht hinkriege, eine Leiter zu nehmen und sie auszuwechseln. Dafür haben wir wiederum Holz für den Winter, gehen ins Theater oder gehen reiten. Ich versuche etwas mit Ihnen zu machen, wenn sie zu Hause sind.“
Vor einiger Zeit haben Sie für sich den Dudelsack als Instrument entdeckt. Ist das schwer zu erlernen?„Nein. Aber eine Woche braucht man, um überhaupt den Ton zu halten. Das war schon witzig. Die Kinder waren zum Beispiel in der Wanne, ich hatte den Dudelsack umgebunden, stand vor dem Bad, um sie sehen zu können, und habe gespielt. Und immer wenn sie mehr heißes Wasser wollten, habe ich ihnen mit dem Dudelsack um die Brust das Wasser hineinlaufen lassen. Danach dann sofort in Küche, um das Gulasch umzurühren. Das alles mit diesem Dudelsack um. Na und dann wundere ich mich, dass meine Kinder nicht ganz normal sind.“
Auf der neuen CD haben Sie ein Lied in fiktiver Sprache - Hördöm. Diese Sprache haben Sie sich selbst ausgedacht und zwar zu einem Lied für einen Sciencefiction-Film. Geben Sie uns zum Abschluss eine Kostprobe?
(Radůza singt).„Und das Lied spiele ich auf dem Dudelsack“.
Radůza, vielen Dank für das Gespräch!