Reaktionen der tschechischen Presse auf den Ausgang des Moskauer Geiseldramas
Das Moskauer Geiseldramas war am Dienstag in den Kommentarspalten der tschechischen Presse eines der beherrschenden Themen. Nachdem die Zeitungen am Sonntag sowie am Montag aufgrund des tschechischen Nationalfeiertages nicht erschienen waren, hatten die Kommentatoren am Dienstag erstmals die Möglichkeit, den Ausgang der Geiselnahme zu beurteilen.
"Putin schadet das Fiasko nicht", meint die Zeitung "Hospodarske noviny" und führt aus:
"Vladimir Putin ist für westliche Politiker und für die Mehrheit der Russen ein Held. Sicherlich werden ihm alle die verpfuschte sog. Rettungsaktion im Moskauer Musical-Theater verzeihen. Jeder vernünftige Mensch muss bei einer solchen Operation mit unschuldigen Opfern rechnen. Die Durchführung und das Ergebnis der Geiselbefreiung haben jedoch die schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Die Haltung russischer Generale und Spitzenpolitiker bestätigt, dass das menschliche Leben für die russische Führung immer noch einen geringen Wert haben."
Allerdings, so bemerkt der Kommentator bitter, habe Putin die hervorragende Gabe, sich unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Terrorismus aus allem herauszureden. Und so würden die Medien bereits in wenigen Tagen Tschetschenien wieder vergessen haben.In einem Meinungsforum der Zeitung "Lidove noviny" zum Thema findet sich u.a. folgende optimistischere Bewertung des russischen Vorgehens:
"Die Frage, ob die Geiselbefreiung ein Erfolg oder ein Misserfolg war, kommt auf den Standpunkt, ähnlich wie in dem alten Beispiel von dem halbvollen oder halbleeren Glas. Auch wenn die 15% getöteter Geiseln für manch einen ein unannehmbar hoher Anteil ist - angesichts der durchaus realen Todesdrohung für alle, angesichts dessen, was hätte passieren können, ja sollen, sind diese 15% aber umgekehrt ein großer Erfolg."
"Es sieht fast wie ein typisch russischer Sieg aus: die Feinde wurden geschlagen, zahlreiche Menschen aus den eigenen Reihen ebenfalls", kommentiert die Zeitung "Mlada fronta dnes".
Es sei nur schwer anzuerkennen, dass ein Fünftel oder Sechstel der Geiseln umgekommen sei, auch wenn Experten dies als Erfolg werteten, so der Kommentator weiter. In Moskau seien zwei Welten aufeinander gestoßen:
"Die unsrige, normale, in der man nicht auf diese Weise stirbt, und eine andere, in der ein solcher Tod umgekehrt als geplanter Verlust einkalkuliert wird."
Mit Blick auf die künftige Entwicklung der Beziehungen zwischen Moskau und Tschetschenien wirft der Autor abschließend die Frage auf:
"Die drei Tage in Moskau haben gezeigt, wie tief die Tschetschenen und die russische Regierung während des acht Jahre dauernden Konfliktes in kalte Brutalität verfallen sind. Ist es nicht Zeit, an eine zivile Lösung zu denken?"Soweit Mlada fronta dnes und soweit unser kurzer Pressespiegel. Bleibt zu hoffen, dass der gegenwärtig in Kopenhagen stattfindende Tschetschenien-Kongress einen Schritt in diese Richtung bedeutet und die zivile Lösung bald Realität wird.