Reformatoren, Filme und Weihnachtslieder

Nikolausfeier (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)

In den Münchner Kinos wird tschechisch, polnisch, ungarisch und slowakisch gesprochen ab Ende des Monats. Außerdem erklingen auch in der Adventszeit tschechische Töne in der bayerischen Hauptstadt. Über das und vieles mehr ein Gespräch mit Ondřej Černý unterhalten, dem Leiter des Tschechischen Zentrums München.

Hieronymus von Prag
Herr Černý, lassen Sie uns mit einer bereits laufenden Veranstaltung beginnen. Im Tschechischen Zentrum in München ist eine Ausstellung zu sehen über einen der wichtigsten böhmischen Gelehrten der Reformationszeit. Um wen geht es, und was erwartet die Besucher?

„Im Zentrum steht die Persönlichkeit Hieronymus von Prag, er ist ein Jahr nach Jan Hus beim Konzil in Konstanz verbrannt worden. Hieronymus stand immer ein bisschen im Schatten von Jan Hus. Seine Geschichte ist aber nicht weniger interessant und in gewisser Weise auch menschlicher als die des Helden Hus. Wir haben bis jetzt viele Besucher registriert. Die Münchner sind überrascht, dass so eine Persönlichkeit wie Hieronymus überhaupt existiert. Und dass er nicht nur für die Religion, sondern auch die Kulturgeschichte bedeutend war. Die Ausstellung haben wir zusammen mit dem Hus-Haus in Konstanz organisiert. Im Gegenzug zu der Hieronymus-Ausstellung organisieren wir in Konstanz dann im kommenden Jahr eine Schau zu Karl IV.“

Nun aber in die Gegenwart: In den Münchner Kinos findet ab Ende des Monats ein besonderes Filmfest statt. Worum geht es da?

„Mitteleuropa als Ganzes vorstellen.“

„Es geht um das neue Filmfestival ‚Mittelpunkt Europas‘. Präsentiert werden dabei aktuelle Spielfilme aus den vier Visegrád-Staaten. Wir haben das Festival über zwei Jahre lang organisiert und mussten dafür auch unsere eigene beliebte Tschechische Filmwoche opfern, wie übrigens auch die Polen ihr nationales Filmfest hier. Ziel des Festivals ist es, Mitteleuropa als Ganzes vorzustellen. Wir erhalten erfahrungsgemäß nämlich mehr Interesse vom Publikum, wenn nicht jedes Land für sich auftritt.“

Welches sind denn die tschechischen Beiträge beim Mittelpunkt-Europa-Filmfest?

„Insgesamt werden 14 Filme gezeigt, die von dem Festivalteam ausgesucht wurden. Dieses Team setzt sich aus den Veranstaltern des Festivals zusammen: dem Verein ‚Ahoj, Nachbarn‘, der Volkshochschule München und dem Tschechischen Zentrum München. Abgesehen von einer Koproduktion mit den Slowaken zeigen wir vier tschechische Filme: der Eröffnungsfilm am 23. November ‚Ztraceni v Mnichově‘ / ‚Lost in Munich‘ von Petr Zelenka, ‚Kobry a užovky‘ / ‚The Snake Brothers‘ von Jan Prušinovský, ‚Nikdy nejsme samy‘ / ‚We are never alone‘ von Petr Václav und schließlich ‚Já, Olga Hepnerová‘ / ‚I, Olga Hepnarová‘ von Tomáš Weinreb und Petr Kazda. Die Streifen werden dabei im Original mit englischen Untertiteln gezeigt. Alle Filme aus den vier Ländern haben etwas gemeinsam: Es sind Geschichten von Einzelkämpfern, Außenseitern und von Leuten, die sozial benachteiligt sind.“

Doch nicht nur das Kino spielt bei Ihnen in den kommenden Wochen eine Rolle. Zusammen mit dem Sudetendeutschen Haus setzten Sie sich zum Ende des Jahres noch einmal mit der Vertreibung auseinander, und zwar auf der Bühne und literarisch. Was gibt es da zu sehen beziehungsweise zu hören?

„Ein Ort, an dem die Zeit stehengeblieben ist.“

„Das ist auch ein Projekt, an dem wir mehr als ein Jahr lang gearbeitet haben. Nur einen Tag nach der Eröffnung des Filmfestivals zeigen wir im Sudetendeutschen Haus die preisgekrönte Theatervorstellung ‚Dechovka‘ / ‚Blasmusik‘ der Schauspielgruppe Wosto5. Die Geschichte spielt in der kleinen Ortschaft Dobrenc / Dobronín bei Iglau / Jihlava. Ein Ort, an dem die Zeit stehengeblieben ist. Das Stück beinhaltet drei Szenen, die sich alle um die Versammlung von Bürgern und Gemeinderäten im Kulturzentrum des Ortes drehen. Sie setzen sich dabei immer mit der deutsch-tschechischen Geschichte auseinander. Einmal 1923, dann 1945, als die Tschechen den Sieg über den Nationalsozialismus feiern und dann 2011, wenn über die Opfer der wilden Vertreibungen diskutiert wird. Diese Aufführung im Sudetendeutschen Haus war uns sehr wichtig, und wir wissen schon jetzt, dass das Interesse sehr groß sein wird. Das Stück ist nämlich schon jetzt fast ausverkauft.“

Nikolausfeier  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Zum Abschluss unseres Gesprächs aber noch zur angenehmen Seite des Winters: Wie sieht denn die Vorweihnachtszeit beim Tschechischen Zentrum aus?

„Ich kann da zwei Veranstaltungen erwähnen, die wirklich weihnachtlich sind. Zum einen die traditionsreiche Nikolausfeier für Kinder und Erwachsene, die wir immer im Tschechischen Zentrum organisieren. Sie ist insgesamt sehr beliebt und einer der wichtigsten Treffpunkte für die Tschechen hier in München und Bayern. Zum anderen das genauso traditionsreiche Weihnachtskonzert in der Kirche Sankt Stephan am Südfriedhof, das wir jedes Jahr organisieren. Sankt Stephan ist nämlich eine Kirche, in der auch tschechische und slowakische Messen stattfinden. Diesmal kommt der Kinderchor ‚Radost‘ aus Prag, und wir können uns auf tschechische und internationale Weihnachtslieder freuen.“