Rekrutierung: Tschechiens Weg zur Berufsarmee

Солдат (Фото: www.army.cz)

Die tschechischen Streitkräfte stellen auf Berufsarmee um. Kaum noch ein halbes Jahr bleibt ihnen, um den militärischen Nachwuchs unter Vertrag zu kriegen. Denn der Grundwehrdienst fällt zum Jahresende weg. Daniel Satra berichtet über den Beruf Soldat in der Sendereihe "Forum Gesellschaft".

"Nova kariera" lautet die Internet-Adresse der neuen tschechischen Berufsarmee: "Neue Karriere". Das Soldatsein als Berufschance und mit dem Gewehr im Anschlag auf die Karriereleiter, so die Botschaft im Internet. Wer sich nicht gleich bewerben möchte, kann auf der Webseite der staatlichen Rekrutierungsagentur auch einfach nur ein wenig entspannen - standesgemäß: Besucher der Webseite können auf Hubschrauber, Lkw oder Panzer ballern.

Die Webseite verheißt aber nicht allein Spielspaß. Rund 10 000 junge Tschechinnen und Tschechen sind dem eigentlichen Lockruf gefolgt und haben sich auf den Weg ins Rekrutierungsbüro gemacht. Fast die Hälfte von ihnen hat einen Antrag zur Einstellung als Berufssoldat unterschrieben. Zum Jahresbeginn 2005, so der Parlamentsbeschluss, wird Tschechien eine Berufsarmee besitzen. Dann fallen auf einen Schlag 3859 Soldaten weg, die gegenwärtig als die letzten Grundwehrdienstleistende in die Geschichte der Republik eingehen. Die Lücken müssen jedoch gefüllt werden, will das tschechische Militär seine Wehrkraft nicht verlieren, heißt es beim Verteidigungsministerium. Die Reformen in der tschechischen Armee sind seit langem im Gange. Allein im vergangenen Jahr hat rund ein Drittel aller Beschäftigten das Militär verlassen müssen. Der Apparat, der gegenwärtig rund 45 000 Mann schlank ist, soll weiter schrumpfen. Bis zum Jahr 2012 will das Verteidigungsministerium eine Armee von 35 000 Mann haben, davon knapp 9000 als zivile Angestellte. Geht es nach Verteidigungsminister Miroslav Kostelka, sollen die 26 000 Soldaten in kleinen, sehr gut ausgestatteten und mobilen Einheiten untergebracht werden. Zwar wolle man die Ausgewogenheit der Streitkräfte nicht zerstören, aber eben die Spezialisierung vorantreiben. Und bisher wollen dabei offenbar ausreichend Zivilisten zur Uniform greifen. Alles läuft glatt, meint Oldrich Fisar, Major und oberster Rekrutierer für den Landkreis Mittelböhmen:

"Bisher ist die Situation nicht angespannt, was das Anwerben von Leuten angeht, weil es genug Bewerber um Stellen bei der Armee gibt."

Aber es gibt schon jetzt erste Einschränkungen bei den Bewerbern, wie Fisar verrät:

"Nicht alle Bewerber erfüllen die Voraussetzungen für einen Dienst bei der Armee. Das gilt sowohl für die körperliche Kondition als auch für den Gesundheitszustand."

Im Jahresverlauf will die Armee den größten Teil der knapp 6000 Stellen besetzen, so der Major. Erste Tests haben ergeben, dass nur 37 Prozent der Bewerber körperlich den Anforderungen der Armee gewachsen sind. Beim psychologischen Check hingegen, bestehen gerade einmal 18 Prozent. Daher haben die Anwerber ihre Anforderungen ein wenig zurückgeschraubt: Das Zeitlimit beim 1000-Meter-Lauf liegt nun höher, und auch bei allen anderen Konditionstest drücken die Militärs ein Auge zu. Man könne sich immer noch von den Rekruten trennen, wenn sie im Verlauf der dreimonatigen Probezeit nicht ihre Leistungen steigern, wie es aus Militärkreisen heißt.

Doch was bietet die tschechische Armee ihren neuen Berufssoldaten? Warum ist der Andrang so groß? Oldrich Fisar:

"Wir bieten zum einen die Sicherheit einer Einstellung. Die Berufssoldaten haben natürlich auch Karrieremöglichkeiten. Zudem ist die Arbeit auch recht anständig bezahlt. Und man kommt in Kontakt mit der neusten Technik."

Ein sicherer Arbeitsplatz, Karriere, Technik und am Ende des Monats 20 000 Kronen Netto-Grundtarif, gut 600 Euro Sold. Und damit deutlich mehr als ein tschechisches Durchschnittsgehalt. Zulagen nicht mitgerechnet. Michal ist wie viele im Internet über das Bewerbungsprogramm gestolpert. Im Rekrutierungsbüro im Prager Stadtteil Dejvice will er sich über den Job an der Waffe informieren:

"Die Arbeit beim Militär interessiert mich auf jeden Fall. Ich bin ein recht lebendiger Typ, mich hält nichts auf einem Bürostuhl. Mir geht es also um Bewegung und auch ein bisschen um das Adrenalin."

Neben Rambo-Allüren und Adrenalinkick sieht der 20-Jährige auch handfeste Gründe, die ihm das Militär als Arbeitgeber schmackhaft machen:

"Die finanziellen Bedingungen sind sicherlich auch interessant. Vor allem die lebenslange finanzielle Absicherung vom Staat, das ist auf jeden Fall ein wichtiger Grund."

Während Michal erst einmal gucken will, hat sich Zdenek schon entschieden. Im Rekrutierungsbüro hat er heute die Unterschrift unter seinen Arbeitsvertrag gesetzt:

"Ich hab nicht allzu lang darüber nachgedacht, mich hat vor allem das Geld gelockt."

Mindestens über zwei, maximal über vier Jahre laufen die Verträge eines Berufssoldaten in Tschechien. Die meisten stellen Anträge auf Vier-Jahres-Verträge. Auch Zdenek. Im Internet hat er die tschechische Armee gefunden. Per E-Mail hat er seinen Lebenslauf geschickt. Schon vier Tage später hatte der ehemalige Zivildienstleistende eine Einladung in der Post.

"Zuerst gibt es einen Gesundheitscheck im Krankenhaus, später kommt dann ein körperlicher Test. Aber dort musste ich bisher noch nicht hin", sagt Zdenek.

Doch die Armee-Anwärter in Tschechien heißen nicht nur Zdenek und Michal, sie heißen auch Magda, Anna oder Alena. Knapp 15 Prozent der Bewerber sind Frauen. Für Männer und Frauen gleichermaßen gilt: Jeder Bewerber muss eine abgeschlossene Ausbildung nachweisen, Altersbeschränkungen gibt es nicht. Am liebsten gesehen sind jedoch die 18 bis 35-Jährigen, verrät ein Militär. Bisher verzeichnet die Bewerberstatistik 43 Prozent Abiturienten, 3 Prozent haben einen Hochschulabschluss. Mit 77 Prozent sind die meisten Antragsteller Angestellte, 15 Prozent der Bewerber sind arbeitslos. Für Menschen, die im zivilen Leben keine Job bekommen, ist die tschechische Armee ein "zweite Chance".