Renovierte Bergsynagoge in Hartmanice wurde wieder geöffnet

Die Synagoge im Städtchen Hartmanice ist eine der wenigen Synagogen im ganzen Böhmerwald, die die Nazi-Zeit und auch das kommunistische Regime überlebt haben. Das Gebäude befand sich jedoch in einem recht desolaten Zustand, als sich die Enthusiasten vom Bürgerverein "Pamatnik Hartmanice" vor einigen Jahren vorgenommen haben, das Baudenkmal zu retten und darin eine Gedenkstätte einzurichten, die das Zusammenleben von Tschechen, Deutschen und Juden in dieser Region dokumentieren. Das Vorhaben der Bürgerinitiative wurde nun in die Tat umgesetzt - am vergangenen Dienstag wurde die Synagoge in Hartmanice feierlich wieder geöffnet. Nach Hartmanice laden Sie Martina Schneibergova und Thomas Kirschner in der heutigen Ausgabe der Sendereihe "Reiseland Tschechien" ein.

Das Städtchen Hartmanice / Hartmanitz liegt unweit von Susice / Schüttenhofen. Aus dem Buch der Marktprivilegien geht hervor, dass Hartmanice zunächst teilweise tschechisch besiedelt war. Durch die Ortschaft führte im Mittelalter ein wichtiger Handelsweg, der Bayern mit Böhmen verband. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde Hartmanice niedergebrannt. Die Gemeinde verfiel, bis sich deutsche Handwerker und Bauern dort niederließen. Im Nachbarort Kundratice / Kundratitz lebten Juden schon seit dem 17. Jahrhundert. Die Synagoge in Hartmanice wurde um 1880 erbaut. Zu dieser Zeit lebten in der fast 1000 Einwohner zählenden Stadt mehr als 100 Juden. Die Synagoge diente später jedoch auch den jüdischen Bewohnern aus den nahe liegenden Dörfern. Mit dem Münchner Abkommen 1938 fiel Hartmanice ans Dritte Reich. Die Synagoge wurde zu einer Schreinerwerkstatt umgebaut. Unter dem kommunistischen Regime verfiel das Gebäude. Nach der Wende von 1989 wurde das Baudenkmal an die Jüdische Gemeinde in Pilsen zurückgegeben. Sie wurde danach verkauft und wechselte einige Mal den Besitzer. Die verfallene Synagoge erweckte die Aufmerksamkeit von Michal Klima, als er in Hartmanice nach einem Wochenendhaus gesucht hat. Statt dessen kaufte er das baufällige Gebetshaus und gründete eine Bürgervereinigung, um es zu renovieren:

"Ich meine, dass es notwendig ist, die Baudenkmäler zu retten. Was mich daran so angesprochen hat, war die Tatsache, dass es eine Region ist, in der alle drei Kulturen - Tschechen, Deutsche und Juden - miteinander gelebt haben. Als wir die Bürgervereinigung gegründet im Jahre 2002 gegründet haben, ist wieder einmal die Diskussion um die Vertreibung der Deutschen aktuell geworden. Dabei vergisst man manchmal, dass die ersten, die in diesen Beziehungen gelitten haben, die Juden waren. Hier lebten die verschiedenen Völker sehr friedlich miteinander."

Nach Worten von Michal Klima, gibt es Dokumente, die diese problemlose Koexistenz beweisen - wie beispielsweise die Erinnerungen der Kinder aus der gegenüber der Synagoge stehenden Schule an ihre jüdischen Mitschüler.

"Hier war das Zusammenleben aller Wahrscheinlichkeit nach harmonisch, das alles hat aber geendet. Ich meine, dass dieser Raum ein idealer Ort dafür ist, um an diese Beziehungen zu erinnern. Außerdem ist beachtenswert, dass es sich höchstwahrscheinlich um die höchst gelegene Synagoge in Mitteleuropa handelt, wie vom Prager Jüdischen Museum bestätigt wurde. Die Bezeichnung ´Bergsynagoge´ wurde nicht zufälligerweise gewählt."

Das Engagement der von Michal Klima gegründeten Bürgerinitiative wurde während der feierlichen Eröffnung der Sehenswürdigkeit unter anderem vom Landesrabbiner Karol Sidon gewürdigt:

"Die Welt, in der wir leben, ist eine offene Welt. Es ist unsere Aufgabe, dazu beizutragen, dass das Gute, das in der Welt existiert, aufrecht erhalten wird. So verstehe ich das Werk von Michal Klima und seinen Freunden, die diese Synagoge wieder eröffnet haben."

Die Gesamtkosten für die Rekonstruktion der Synagoge betragen ca. 7 Millionen Kronen. Mit 2,4 Millionen Kronen hat der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds zur Renovierung des Baudenkmals beigetragen.

Die Ausstellungen, die in der Synagoge zu sehen sind, hat die Kuratorin Tereza Bruchova vorbereitet. Über ihre Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative "Pamatnik Hartmanice" sagt sie:

"Die Bürgerinitiative ´Pamatnik Hartmanice´ hat auf ihren Webseiten einen Kurator oder eine Kuratorin gesucht. Sie wollten in vier Monaten eine Ausstellung in der Synagoge eröffnen und hatten schon eine fast klare Idee, was darin sein sollte, und zwar eine Ausstellung über das Zusammenleben von Tschechen, Deutschen und Juden im Böhmerwald. Ein Teil der Präsentation sollte sich mit dem Thema des Eisernen Vorhangs befassen."

Können Sie die Ausstellung beschreiben, womit fängt sie an?

Tereza Bruchova
"Die Ausstellung hat mehrere Teile. Wenn der Besucher durch die Ausstellung geht, ist es als ob er durch die Zeit gehen würde. Man kann im Dachgeschoss anfangen, da findet man Informationen über die Rekonstruktion der Synagoge, aber auch über ihre Geschichte selbst. Die Juden sind in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Hartmanice gekommen. Sie haben aber schon vorher in der Gegend gewohnt. Beispielsweise im Nachbarort Kundratice gab es schon vorher eine Synagoge. Es kam dann plötzlich zu einem Boom: Nach Hartmanice kamen immer mehr Juden, es entstand hier die Firma Bloch. Diese Firma bot Arbeit auch anderen Menschen aus der Region. Ende der achtziger Jahre wurde ein kleines Haus vom hiesigen Baumeister Georg Beywl erbaut. Dieses Haus sieht man heute rechts von der Synagoge. Das Haus wurde zur Wohnung des Rabbiners und zur jüdischen Schule. Und Georg Beywl solte dann auch Baumeister der Synagoge werden. Die beiden Objekte wurden danach miteinander verbunden. Es gibt noch eine kleine Tür, die zu diesem kleinen Haus führt. Die hiesige jüdische Gemeinde - damals hieß sie noch Kudnratitz - Hartmanitz - hatte ans Bürgermeisteramt geschrieben, ob sie eine Synagoge bauen könnte. Das Amt hat Ja gesagt und gleich danach hat Baumeister Beywl mit den Plänen angefangen, deren Faksimile wir in der Synagoge ausgestellt haben. 1883 stand schon die Synagoge, und zu der Zeit wurde sie von etwa 200 Juden aus der Umgebung besucht. Es war also eine ganz große jüdische Gemeinde."

Die Führung durch die neu eröffnete Gedenkstätte werden wir mit Tereza Bruchova in der nächsten Ausgabe des Reiselands Tschechien fortsetzen. Für diejenigen, die die Synagoge besichtigen möchten, ist der folgende Hinweis bestimmt. Das Gebetshaus ist täglich außer montags von 9 bis 18 Uhr geöffnet, bis Ende Juni kann es aus Betriebsgründen ohne vorherige Anmeldung nur am Freitagnachmittag und am Wochenende besichtigt werden. An den anderen Tagen kann man eine Führung unter der Telefonnummer 00420 606 802 992 bestellen. In der Synagoge ist eine Ausstellung über das Zusammenleben der Tschechen, Deutschen und Juden im Böhmerwald zu sehen. Außerdem können dort die Besucher den Böhmerwald auf den alten Fotografien aus der Sammlung von Pavel Scheufler bewundern. Die Böhmerwald-Gemeinden, die es heute nicht mehr gibt, da sie vom kommunistischen Regime liquidiert wurden, kann man auf Doppelfotos sehen, auf einem Foto die einstige Gemeinde, auf dem anderen den Ort, wie er heute ohne Häuser und ohne Bewohner aussieht. Und nicht zuletzt kann man sich in der Synagoge mit ihrer Baugeschichte bekannt machen.

Fotos: Martina Schneibergova

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