Richterliche Bekenntnisse – wütende Prager
In den Kommentarspalten der tschechischen Tageszeitungen geht es um die frühere Mitgliedschaft von Richtern in der kommunistischen Partei, vor allem aber um die chaotische konstituierende Sitzung des Prager Stadtrates am Dienstag.
„Denjenigen Wählern der Sozialdemokraten und der Bürgerdemokraten, die enttäuscht sind, muss man sagen: Ihr hättet nicht darauf hereinfallen sollen, Indizien, dass es so enden könnte, hattet ihr genügend. Denjenigen, die eine Wende verlangen, muss man sagen: Ihr habt Pech, eure Favoriten bekamen nicht genügend Stimmen. Ihr hättet eure Mitbürger, die anders gewählt haben, rechtzeitig überzeugen sollen. Oder gegebenenfalls einsperren oder aus Prag vertreiben müssen, wenn ihr das als demokratischer anseht.“ Jiří Leschtina von der Hospodářské noviny kommentiert die Wut des neuen Prager Oberbürgermeisters von der ODS, Bohuslav Svoboda. Gerade auch gegen ihn richteten sich die Proteste, obwohl er versprochen hatte seine bürgerdemokratische Partei zu erneuern. Leschtina schreibt:
„Svoboda ist wütend, weil niemand sein Vorhaben, die Prager ODS zu verändern, ernst nimmt. Aber es ist auch schwer vorstellbar, wie er eine zusammengeschweißte Sekte auf den Weg der Sühne bringen will, die selbst der alte Parteihase und ODS-Vorsitzende Nečas nicht im Griff hat.“
Themenwechsel – die frühere Mitgliedschaft heutiger Richter in der kommunistischen Partei muss auf Anfrage bekannt gegeben werden. Das hat am Dienstag das Verfassungsgericht unter dem zuständigen Richter Güttler festgelegt. Frühere Mitgliedschaft, das heißt: vor der Samtenen Revolution von 1989. Geklagt und in allen vorherigen Instanzen immer wieder verloren hatte der Bürgerrechter Tomáš Pecina. Jetzt gaben ihm die Verfassungshüter recht und Martin Zvěřina von der Lidové noviny findet das richtig:
„Richter Güttler erklärt den Richtern gründlich, dass die Mitgliedschaft in der KSČ vor November 1989 kein normales politisches Bürgerengagement in einem demokratischen Staate war, sondern das Bekenntnis zu einem repressiven Regime, wenn auch vielleicht unbewusst. (…) Ein Garant für das Recht auf Information zu sein und die Informationen zu verheimlichen, die mir unangenehm sind, ist äußerst selbstentwürdigend.“