Kontroverse Parteimitgliedschaft: 170 Richter in Tschechien waren vor 1989 in der KPTsch

Das Ende des Kommunismus in Tschechien ist fast 35 Jahre her. Bis heute gibt es aber um die 170 Richter, die vor der Samtenen Revolution von 1989 Mitglied der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPTsch) waren. Dies hat eine Analyse des Tschechischen Rundfunks ergeben.

Wer es in der Tschechoslowakei nach 1948 als Jurist zu etwas bringen wollte, der kam an einer Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei nicht vorbei. So sagt der Geschichtswissenschaftler Kamil Nedvědický, stellvertretender Leiter des Instituts für das Studium totalitärer Regime:

„Natürlich war eine Parteimitgliedschaft Voraussetzung für eine erfolgreiche Karriere. Je höher die Gerichtshierarchie, desto mehr Parteimitglieder fanden sich dort.“

Kamil Nedvědický | Foto: Olga Vasinkevič,  Radio Prague International

Darüber hinaus sei von den Richtern Regimetreue verlangt worden, was von den zuständigen Organen gründlich kontrolliert worden sei, meint Nedvědický.

Eine Analyse des Tschechischen Rundfunks ist nun zu dem Ergebnis gekommen, dass es aktuell rund 170 Richter in Tschechien gibt, die früher Mitglied der KPTsch waren. Ihr Anteil ist in den letzten Jahren wegen des Generationenwandels zwar zurückgegangen – 2010 gab es noch circa 700 Richter, die vor 1989 in der Partei waren. Dennoch entsprechen die jetzigen 170 Beamten immerhin sechs Prozent all jener, die hierzulande in Robe Gerichtsverhandlungen leiten.

Die meisten Richter mit KPTsch-Vergangenheit finden sich heute an kleineren Gerichten. So gibt es etwa an den Bezirksgerichten in Jablonec nad Nisou / Gablonz an der Neiße und in Znojmo / Znaim jeweils drei Richter, die früher KPTsch-Mitglied waren; das entspricht einem Fünftel. Ähnlich sieht die Verteilung aber auch am Obersten Gerichtshof aus. Petr Šuk, stellvertretender Vorsitzender der Institution, erklärt, warum das so ist:

„Das liegt schlichtweg daran, dass natürlich nur erfahrene Menschen im höheren Alter an den Obersten Gerichtshof gelangen. Und bei denen ist der Anteil derjenigen, die vor 1989 Mitglied der Kommunistischen Partei waren, natürlich höher.“

Dem stellvertretenden Gerichtspräsidenten zufolge muss eine Mitgliedschaft in der KPTsch heutzutage aber nicht direkt ein Problem darstellen. Zudem weißt Šuk darauf hin, dass es viele Richter mit dieser Biografie gebe, die heute gute Arbeit leisteten. Der Chef des Richterverbandes, Libor Vávra, macht darüber hinaus darauf aufmerksam, dass nach 1989 sämtliche Vertreter seiner Berufsgruppe neu berufen werden mussten.

„Es gab einen ziemlich wirksamen Filter – nach der DDR war das meiner Ansicht nach der effektivste in den postsozialistischen Ländern. Wenn bei Einzelfällen Probleme ans Licht kamen, verließen diese Menschen zudem häufig die Justiz – wenngleich still und heimlich.“

Doch der Historiker Kamil Nedvědický sieht das anders:

„Diese Richter wurden nach 1989 bis auf wenige Ausnahmen alle übernommen – und das trifft leider auch auf einige besonders krasse Fälle zu.“

Zudem habe es in der Vergangenheit mehrere Verfahren gegeben, in denen diesen Richtern Befangenheit vorgeworfen wurde, wie auch Libor Vávra einräumen muss:

„Ich erinnere mich an mehrere Prozesse, in denen es etwa um Restitutionen oder Rehabilitierung ging. Die am Verfahren Beteiligten erhoben Einspruch wegen der Befangenheit des Richters aufgrund seiner früheren Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei.“

Mit einer möglichen Befangenheit ehemaliger KPTsch-Mitglieder in Robe hat sich deshalb vor einiger Zeit auch das Verfassungsgericht befasst. Sein Urteil: Eine Parteimitgliedschaft dürfe nicht a priori negativ bewertet werden. Denn, dass jemand früher in der Kommunistischen Partei war, bedeute nicht automatisch eine Voreingenommenheit.

Dennoch ergeben sich für Richter mit Parteivergangenheit oft Hindernisse in Tschechien. Das prominenteste Beispiel der vergangenen Zeit ist mit dem Namen Robert Fremr verbunden. Er wurde von Staatspräsident Petr Pavel für das Amt des Verfassungsrichters vorgeschlagen. Der Senat unterstützte die Benennung zwar. Einige Politiker äußerten aber trotzdem Kritik. Fremr geriet allerdings nicht nur wegen seiner KPTsch-Mitgliedschaft ins Visier, sondern vor allem, weil er vor 1989 politisch motivierte Urteile unter anderem gegen „Republikflüchtlinge“ gefällt hatte. Seine Kandidatur zum Verfassungsrichter zog Fremr schließlich selbst zurück – wegen des medialen Drucks, wie er begründete.