Römer und Germanen in der Region von Pálava
Südmährische Volksfeste sowie bekannte südmährische Baudenkmäler waren bereits einige Mal das Ziel unserer Fahrten, zu denen wir Sie in dieser Sendereihe eingeladen haben. Auch diesmal sind wir in Südmähren unterwegs, jedoch in der Zeit vor knapp 2000 Jahren. Damals hatten die Römer einen Stützpunkt unweit des heutigen Mikulov / Nikolsburg.
Pálava ist der tschechische Name des Sandsteingebirges mit steilen Felsmassen in der Nähe von Mikulov. Deutsch wird es Pollauer Gebirge genannt. „Römer und Germanen in der Region von Pálava“ heißt jene Schau, die als Museumsausstellung des Jahres im Frühjahr mit dem Preis „Gloria musaealis“ ausgezeichnet wurde. Sie ist im Regionalmuseum in Mikulov aufgebaut, das wiederum im dortigen Schloss seinen Sitz hat.
Um die preisgekrönte Ausstellung über die Römer und Germanen besichtigen zu können, muss man über mehrere Treppen in die Kellerräume hinab gehen. Früher habe dort das Museum seine Lagerräume gehabt, erzählt mein Begleiter, Museumsleiter Petr Kubín. Die Ausstellung dokumentiert ungefähr die ersten vier Jahrhunderte unserer Zeitrechnung. Sie sei, so Petr Kubín, zusammen mit dem Archäologischen Institut in Brünn vorbereitet worden:„Das Thema wurde nicht zufällig gewählt. Denn es handelt sich um eine wichtige Zeitepoche in der Geschichte des Landes. Südmähren ist die einzige Region in Tschechien, in der römische Truppen nachweislich stationiert waren. Sie hatten ein Lager unweit von Mikulov im Ort Mušov / Muschau. Der Großteil der Gegenstände hier im Museum stammt von den archäologischen Ausgrabungen in Mušov.“
Die Ausstellung dokumentiert zudem das Leben der germanischen Bevölkerung in der Region. Nur kurze Zeit waren die Römer in Südmähren. Geht man nach den Funden, war dies im 2. Jahrhundert, in der Zeit der Markomannenkriege, sagt Petr Kubín:„Aus dieser römischen Episode hier sind Keramiken geblieben sowie Baumaterial und Beschläge, die von der Ausrüstung der römischen Legionäre stammen. Zudem kann man hier eine ganze Sammlung von Münzen und verschiedene Handwerkerinstrumente besichtigen.“
Bei den archäologischen Ausgrabungen in Mušov wurden auch die Reste einer Fußbodenheizung freigelegt, die die Römer damals benutzten, erzählt Kubín:
„Zwei Gebäude wurden dort gefunden: Das eine dürfte ein Bad – auf Latein Balneum - sein, das andere war das Haus des Oberbefehlshabers. Für die Heizung wurde außerhalb des Raums in der so genannten Feuerkammer Feuer gemacht. Von dort aus wurde die Wärme unter den Fußboden des Raumes geleitet. Mittels vertikaler Hohlziegelreihen wurde die Wärme zudem die Wände hoch geführt. Auf diese Weise wurde der Raum beheizt.“Im Museum ist ein entsprechend großes Modell dieser Heizeinrichtung installiert. Es gibt eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie das System im Römerlager Mušov funktionierte.
Neben der Heizungseinrichtung sind noch viele andere Gegenstände erhalten geblieben, die von der Präsenz der Römer bei Mikulov zeugen. In den Vitrinen findet man römische Panzer- und Helmfragmente. Der Archäologe:
„Der gängigste Fund sind Schuhnägel oder Waffenteile. Häufig wurden Spangen gefunden, mit denen Mäntel zusammengeknüpft wurden. Ausgestellt sind hier des Weiteren Siegelkapseln, Kämme, aber auch eine Sammlung von Spieljetons. Die römischen Soldaten hatten offensichtlich auch an Glücksspielen Gefallen. Interessant sind zudem die römischen Schreibutensilien: Es sind eiserne Stäbchen, die auf einer Seite mit einer Spitze versehen sind. Mit dieser Seite wurden die Buchstaben in Wachsplatten gestochen. Das andere Ende des Stäbchens ist breiter, damit wurde die Schrift, die nicht gebraucht wurde, eventuell beseitigt.“Der germanische Teil der Ausstellung beginnt mit Beispielen von Bestattungsriten. Der Besucher kann wortwörtlich über germanische Gräber stolpern. Denn direkt im Fußboden bietet sich der Blick in nachgemachte verglaste Gräber mit der damals üblichen Ausstattung: Keramikbehälter, Messer sowie Kleiderspangen. An den germanischen Gräbern vorbei kommt der Besucher in eine germanische Siedlung:
„Hier lassen sich die Nutzgegenstände aus einem germanischen Haushalt kennen lernen. Nadeln, Pfriemen und Kämme wurden aus Knochen geschnitzt. Die Spinnwirbel aus Keramik wurden beim Spinnen des Garns benutzt. In der germanischen Hütte, die in der Ausstellung aufgebaut ist, kann man sich eine Vorstellung davon machen, wie damals am Webstuhl gearbeitet wurde.“
Die germanische Hütte macht den Eindruck, als ob die Bewohner gerade ihre Arbeit für einen Moment verlassen haben, um etwas Wichtigeres draußen zu erledigen. Der äußerst authentisch aussehende Bau trägt bestimmt zur Attraktivität der Ausstellung bei. Gab es damals auch Fenster in solchen Hütten, fällt dem Besucher beim Betreten des Häuschens ein. Petr Kubín dazu:
„Wir sind nicht in der Lage, genau zu sagen, ob es irgendwelche Fenster gegeben hat. Denn keine der Hütten ist vollständig erhalten geblieben. Den Grundriss kennt man. Darum wissen wir ungefähr, wie die Hütte konstruiert wurde. Der Eingang befand sich in der längeren Wand. Wie die Wände genau ausgesehen haben, ist schwierig zu sagen. Wir wissen, dass sie aus Reisig geflochten und mit Lehm verputzt wurden. Im Inneren wurde der Lehm in den Reisig gepresst. Wie und ob die Wände sowie der Raum geschmückt waren, dies ist leider nicht bekannt.“
Außer der germanischen Hütte lässt sich im Museum auch ein Kammergrab besichtigen; es wurde anhand eines der wertvollsten Funde aus Musov nachgebaut. 1988 wurde dort ein kaiserzeitliches Grab freigelegt, das wegen des Reichtums und der Exklusivität seines Inventars eine archäologische Sensation darstellte. Es wird das Königsgrab genannt. Das Grab enthielt nämlich sehr prunkvolle antike, provinzialrömische und typisch germanische Beigaben. Es handelt sich um einen überraschend großen und einzigartigen Fund mit Gegenständen aus dem 2. und teilweise auch dem 1. Jahrhundert, sagt der Museumsleiter:
„Zu den bedeutendsten Fundstücken gehören verschiedene Metallbehälter – Kessel sowie Eimer. Einzigartig ist der Bronzekessel mit Ringgriffen mit vier Germanenbüsten. Diese Männer tragen die typische Frisur der Sueben – einen seitlich am Kopf gebundenen Knoten. Im Grab wurden des Weiteren Keramiken und Waffen gefunden. Besonders wertvoll sind die silbernen und vergoldeten germanische Gürtelbeschläge, die erhalten geblieben sind. Gefunden wurde ein zusammenklappbarer römischer Tisch sowie beispielsweise eine Steinplatte, auf der damals kosmetische Mittel gerieben wurden. Das Kammergrab wurde wahrscheinlich recht früh schon ausgeraubt. Auch wenn es bei der Freilegung nicht mehr vollständig war, handelt es sich um eine der schönsten Sammlungen von Gegenständen der damaligen Kultur überhaupt.“
Bei der Besichtigung der Ausstellung über die Römer und Germanen können die Besucher einen audiovisuellen Guide nutzen, der neben Tschechisch auch in Englisch und Deutsch zur Verfügung steht.