Roman Kozak beschreibt das verschwundene Volary / Wallern
Sie ist ein beliebter Ausgangspunkt für Fuß- oder Radwanderungen durch den Böhmerwald und sie fällt durch eine außergewöhnlich bunte Mischung von Architektur auf. Die Rede ist von der Stadt Volary / Wallern.
Volary / Wallern ist die einzige Stadt in Tschechien, die sich durch historische Holzbauten im Alpen-Stil rühmen kann. In einem von den prächtigen Holzhäusern befindet sich auch das Stadtmuseum. Gleich gegenüber den malerisch aussehenden ländlichen Bauten ragen jedoch einige graue Plattenbauten empor. Der Kontrast, der beim ersten Besuch gleich auffällt, geht auf die Geschichte der Stadt zurück. Denn während der kommunistischen Ära verwandelte sich die einstige Stadt des Holzes in eine Kasernenstadt der Grenzsoldaten. Seit Anfang der neunziger Jahre versuchen die Bewohner von Wallern jedoch an die alte Tradition der Holzverarbeitung zu erinnern, mit den so genannten Holzfesten, die jedes Jahr gegen Ende des Sommers stattfinden.
Das Holzfest ist immer auch mit einem internationalen Wettbewerb um den "Holzschuh von Volary" verknüpft. Internationale Konkurrenz kommt meistens aus den Nachbarländern. Neben fast klassischen Disziplinen wie Holzsägen oder Baumklettern stehen auch ausgefallene Rennen auf dem Programm wie die Holzrollenfahrt.Mit einem Umzug von Menschen, die alle in Holzschuhen stecken, erreicht das Wallerner Holzfest seinen Höhepunkt. Die Teilnehmer aller Alterskategorien werden genau gezählt, denn man bemüht sich darum, die Rekordzahl von 250 Holzschuhträgern, die 2003 durch Volary gezogen sind, zu übertreffen.
Unter den historisch gekleideten Holzschuhträgern bin ich beim Holzfest 2006 dem Böhmerwald-Kenner Roman Kozak begegnet. Ich hatte damals schon einige seiner Bücher über die Böhmerwald-Region gelesen. Für den Prager Verlag Paseka schrieb er jedoch ein besonderes Buch mit dem Namen "Volarsko". Das Buch über die Region von Volary erschien im Rahmen der Reihe "Zmizele Cechy" / Verschwundenes Böhmen. Die Reihe vermittelt dem Leser Einblick in die Zeiten, als sich die Städte noch an ihre Jahrhunderte lange Geschichte erinnerten und ihnen die Modernisierung noch bevor stand. Roman Kozaks Buch über die Region von Volary besteht aus zwei Teilen."Der Aufbau für das Buch war eigentlich vorgegeben. Die Bände dieser Reihe bestehen immer aus einem Textteil und einem fotografischen Teil. Ich habe im ersten Teil verglichen wie es in Volary damals aussah und was für ein Gesicht die Stadt heut hat - und natürlich wie es zu den Veränderungen kam. Das Buch konzentriert sich dabei nicht nur auf die Stadt selbst, sondern auch auf die Umgebung Richtung Westen. Attraktiver ist vielleicht der Teil mit den Fotografien. Auf 120 Fotos wird Volary und seine Umgebung so vorgestellt, wie man sie heute nicht mehr kennt."
Wie es dazu kam, dass in Volary diese Holzbauten entstanden sind, weiß man Roman Kozak zufolge nicht ganz genau. Während der ersten oder zweiten Besiedlungswelle sind vielleicht Leute aus Tirol nach Volary gekommen. Diese Siedler seien, so Kozak, sehr traditionalistisch und konservativ gewesen und hielten sich nur an diesem Ort auf.
"Diese Buchreihe soll vor allem die Architektur und die Landschaft sowie deren Wandlungen dokumentieren. Ich behaupte jedoch, dass die größte Änderung, zu der es im Böhmerwald kam, und die sich bis heute auf die Region negativ auswirkt, die Tatsache ist, dass der Böhmerwald um seine Bevölkerung gekommen ist. Aus dem Grund habe ich das Buch durch Fotos der ursprünglichen deutschen Bewohner ergänzt. Es gibt auch Aufnahmen der tschechischen Minderheit, die in Volary lebte. Vor 1938 hatte Volary mehr als 4.000 Einwohner, etwa 190 davon waren Tschechen."
Keines der Fotos, die Roman Kozak im Buch benutzte, stammt, wie der Autor betont, aus dem Internet. Es handelt sich entweder um alte Ansichtskarten oder Originalfotos. Größtenteils stammen sie aus Kozaks eigener Sammlung. Unter den veröffentlichten Fotografien gibt es auch einige absurde Aufnahmen - wie beispielsweise Militärmanöver auf dem Stausee Lipno.
"Natürlich regierte hier in der Region vierzig Jahre lang der Grenzschutz. Die Grenzsoldaten waren faktisch die Herrscher des Bezirks. Im Buch findet man Fotos von Militärparaden oder Militärkundgebungen. Mit der Herrschaft der Grenzsoldaten befasse ich mich auch in meinem Text."Roman Kozak ist kein gebürtiger Böhmerwäldler. Nach Volary kam er 1988, sodass er noch das im Grenzgebiet errichtete Militärsperrgebiet und den Eisernen Vorhang erlebt hat. Nach der Wende entschied er sich, in Volary zu bleiben. Über seine literarischen Anfänge sagt er:
"Als ich damals nach Volary kam und danach fragte, ob es überhaupt irgendwelche Bücher über die Geschichte der Stadt gibt, wurde ich enttäuscht. Die Leute haben behauptet, das sei alles mit den Deutschen verschwunden. Während der vierzigjährigen kommunistischen Herrschaft ist kaum etwas geschrieben worden. Aus dem Grund habe ich mir als Laie erlaubt, historische Fotografien zu sammeln und allmählich zu publizieren. Vor der Wende war es nicht möglich, an deutsche Quellen heranzukommen. Aber ich fand doch eine Möglichkeit. Fast die gesamte tschechische Minderheit, die da vor dem Krieg gelebt hat, war bei der Eisenbahn beschäftigt. Ich bin selbst übrigens auch Eisenbahner. Die Eisenbahnchroniken wurden von den Bahnhofsvorstehern verfasst. Da habe ich viel Interessantes erfahren. Diese Vermittlung über die Eisenbahnchroniken brachte die Leser meiner Bücher zur Geschichte von Volary. Sie fingen an, sich auch für das alte Wallern und für die deutsche Bevölkerung zu interessieren. Die Eisenbahn half mir also auch bei meinem Interesse für die Geschichte der Region."Schwarzweißbilder aus dem Buch: Roman Kozak, Volarsko, Paseka 2006.