Rumballern und wegballern: Junggesellen in Prag

Foto: sunshinecity, Flickr, CC BY 2.0

Sie sind laut, sie sind stark alkoholisiert, doch sie lassen auch einen großen Batzen Geld in der Stadt. Prag ist derzeit eines der beliebtesten Ziele für Junggesellenabschiede. Während sich mittlerweile ein ganzer Industriezweig um die letzte Nacht in Freiheit entwickelt hat, sind viele Anwohner einfach nur genervt von den Partytouristen.

Illustrationsfoto: Lithiumoxide,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0
Junggesellen- beziehungsweise Junggesellinnenabschiede gehören beinahe fest zum Prager Stadtbild. Gerade am Wochenende sind der Wenzelsplatz, die Karlsbrücke oder auch die Großraumdisko Karlovy Lázně voll von ihnen. Dank ihrer bunten Kostüme, erkennt man die feierwütigen Reisegruppen häufig schon von weitem. Auch die Truppe von Kyran fällt auf. In weißen Reiterhosen und roten Jacketts streifen die jungen Männer durch die Gassen der Stadt. Kyran erläutert den Aufzug:

„Wir sind alle als englische Fuchsjäger verkleidet. Der Junggeselle trägt ein großes Fuchskostüm. Gerade jagen wir ihn durch die Straßen von Prag. Wenn wir ihn finden, dann muss er sehr viel Schnaps trinken.“

Gulasch, Mädchen, Alkohol

Bierfahrrad  (Foto: tacowitte,  Flickr,  CC BY 2.0)
Es wird also eine Menge Alkohol ausgeschenkt. So ist es bei den Junggesellenabschieden häufig. Die Aktivitäten, die die Reisegruppen planen, drehen sich meist um den Konsum von Bier und Spirituosen. Auch Nils und Philipp haben einen feucht-fröhlichen Tag vor sich.

„Heute wollen wir Bierfahrrad fahren. Jetzt laufen wir hier noch ein bisschen durch die Stadt, essen und trinken. Außerdem gehen wir noch zum Fußball, Slavia Prag gegen Liberec. Heute Abend dann Disco, Frauen, Alkohol. Einfach Party hart!“, sagt Nils sagt.

Viele Junggesellen sehen Prag als das ideale Reiseziel für die letzte Nacht in Freiheit. Philipp erklärt warum:

„Gulasch, Mädchen, Alkohol. Mehr Mädchen, besseres Trinken, und es ist billig.“

Die Gruppe ist extra aus Chemnitz in die Moldaustadt gereist. So wie die jungen Männer tun es mittlerweile viele Deutsche. Aber auch bei Junggesellen und Jungesellinnen aus anderen Nationen ist die Stadt im Herzen Europas sehr beliebt. Kateřina Gilbert von der Prager Tourismuszentrale weiß warum:

Kateřina Gilbert  (Foto: Archiv des Prager Informationsbüros)
„Erstens ist Prag einfach aufgrund seiner Schönheit mit den vielen tollen Bauten ein attraktives Ziel. Zweitens eilt Prag vermutlich auch der Ruf voraus als eine der Top-Zehn-Städte, wenn es um günstigen Alkohol und Tourismusangebote geht. Und zu guter Letzt liegt Prag so, dass man die Stadt von überall aus Europa leicht erreichen kann. Die Flüge an sich dauern nicht länger als zwei Stunden.“

Bei den zahlreichen Junggesellen und Jungesselinnen, die nach Prag pilgern, wundert es nicht, dass inzwischen viele Event-Agenturen in das Geschäft um den letzten Abend in Freiheit eingestiegen sind. Bei einigen kann man seinen Junggesellenabschied als eine Art Pauschalreise buchen. Vom Abendessen bis zum Eintritt in den Stripclub ist hier alles dabei. Eine der Agenturen heißt Pissup-Reisen Junggesellenabschiede. Und Mitarbeiter Patrick Burmeier kennt die Wünsche seiner Kunden genau.

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„Männergruppen buchen häufig Angebote mit Alkohol-Bezug. Von geführten Kneipentouren durch Prag über das bekannte Bier-Bike ist viel Verrücktes dabei. Ein weiteres Beispiel hierfür sind die Bier-Spas, die in Prag angeboten werden. Natürlich haben wir auch Restaurantbesuche und Brauereibesichtigungen in unserem Programm. Beliebt sind zudem Limousinen, wenn man seinen Junggesellenabschied ein bisschen edler gestalten möchte. Einige buchen über uns auch ihren Discoeintritt für den Abend. Stripclubangebote gehören natürlich auch bei jedem Junggesellenabschied in Prag irgendwie dazu.“

Laut Burmeier hat sich, vor allem durch Filme wie Hangover, die Vorstellung von einem perfekten Junggesellenabschied in den letzten Jahren gewandelt. Seine Kunden wollen es immer außergewöhnlicher und abgedrehter.

„Die Leute erwarten, dass etwas Verrücktes passiert. Deshalb buchen sie unter anderem Pakete, in denen ein Stippclubeintritt, Panzerfahrten oder Kalaschnikow-Schießen enthalten sind. Damit hat das Ganze einen außergewöhnlichen Touch.“

Die partyhungrigen Besucher kommen nicht bei allen gut an. Vor allem viele Anwohner sind genervt von den oft lauten Touristengruppen. Auch Karolina kann nicht verstehen, warum die Junggesellen keine Rücksicht nehmen.

Foto: sunshinecity,  Flickr,  CC BY 2.0
„Ich habe viele – es tut mir leid – Deutsche getroffen, die schrecklich laut waren. Sie haben auf den Straßen gefeiert und herumgeschrien. Wenn ich in ein anderes Land fahre, Touristin bin, dann kann ich natürlich auch Alkohol trinken. Das stört mich wirklich nicht. Jeder betrinkt sich mal. Aber ich würde mich wie eine normale Person verhalten.“

Anwohner sind genervt

Auch Kateřina Gilbert vom Prager Tourismusbüro ist bereits mit den Junggesellenabschieden in Berührung gekommen.

„Wir haben Beschwerden erhalten über die Junggesellenabschiede und das Verhalten der Teilnehmer. Besonders Anwohner führen sich in ihrer Nachtruhe gestört und durch den Lärm belästigt. Sie ärgern sich auch über den Schmutz, den die Gruppen hinterlassen. Oft machen sich die Besucher gar nicht bewusst, dass sie sich in einer Stadt befinden, in der Menschen dauerhaft leben. Die Anwohner müssen jeden Tag aufstehen und zur Arbeit gehen oder in die Schule. Leider respektieren die Feiernden das in dieser Stadt kein bisschen.“

Foto: Declan,  Flickr,  CC BY 2.0
Doch nicht nur die Prager finden die Junggesellen und Jungesellinnen samt Anhang nervig. Auch bei vielen Urlaubern stellt sich ein Gefühl von Fremdscham ein, wenn sie sehen, dass sich Landsleute bei ihrer letzten Nacht in Freiheit nicht benehmen können. So geht es etwa Martin aus Bamberg:

„Wenn ich andere Gruppen sehe, die sich echt unangebracht aufführen, dann schäme ich mich schon. Hier kommen so viele Leute her und meinen, sie müssen sich abschießen. Ich hätte lieber etwas mehr Kultur.“

Selbst mancher, der selbst in einen Junggesellenabschied involviert ist, hält nicht viel von dem Konzept.

„Ich bin wegen eines Freundes hier. Selbst würde ich sowas nie machen. Aber bei Junggesellenabschieden geht es nun mal darum, für den künftigen Bräutigam da zu sein. Allerdings ist die ganze Sache auch total sexistisch und deshalb dämlich. Ich hasse es!“, sagt Dexter aus Großbritannien.

500 Euro für einen Abend

Sebastian,  Flickr,  CC BY-NC 2.0
Trotz all dem Lärm und dem teilweise fragwürdigen Verhalten lassen die Junggesellen mit ihrem Gefolge eine Menge Geld in der tschechischen Hauptstadt. Patrick Burmeier von Pissup kennt die Zahlen:

„Wenn die Leute gut gelaunt sind, könnte man schon sagen, dass da um die 500 Euro zusammenkommen. Es geht natürlich noch einiges Geld für Essen und Getränke über die Theken. Das kommt aber immer darauf an, wie sparsam die Gruppen sind und wie viel sie vorab schon gebucht haben. Aber natürlich lassen sich das einige Leute mittlerweile richtig was kosten. Dann ist miteinkalkuliert, dass man mal ein bisschen mehr ausgibt.“

Obwohl die Gruppen pro Kopf relativ viel Geld verprassen, machen die Junggesellenabschiede nur einen sehr kleinen Teil aller Touristen in Prag aus. Durch ihr Verhalten und die bunten Kostüme fallen sie jedoch besonders auf. Deshalb sind die Reisegruppen auch beim Prager Tourismusbüro nicht gerade beliebt.

Quelle: Prague City Tourism
„Prag hat nicht den Wunsch, solche Aktivitäten als touristisches Angebot zu fördern. Die Anwohner und auch die Stadt selbst sind sehr unzufrieden damit, dass die Situation mit den Junggesellenabschieden ein solches Ausmaß erreicht hat“, so Kateřina Gilbert.

Tatsächlich hat die Stadt sogar eine Kampagne gestartet. Sie soll die Junggesellen und ihre Begleiter sowie andere Party-Touristen darauf aufmerksam machen, wie man sich verhalten sollte. Kateřina Gilbert erläutert:

„Unter anderem wird darauf hingewiesen, dass man nach 22 Uhr leise sein sollte. Zudem wird darauf aufmerksam gemacht, dass manchen Orten der Stadt der Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit verboten ist.“

Außerdem will Prag laut Gilbert auch die Verordnungen ändern. Dann können beispielsweise Verstöße gegen die Nachtruhe härter bestraft werden.