Experimentelle Kunst in Prag: Klub Roxy und Galerie NoD
Sie definiert sich als „Raum für experimentelle Kunst und Kultur“ – die Prager Galerie NoD. Ihren Sitz im historischen Stadtzentrum unweit des Altstädter Rings teilt sie mit dem beinahe schon legendären Musikklub „Roxy“. Vor fast 25 Jahren öffnete die Galerie ihre Tore und bietet seitdem eine breite Palette an: angefangen von Musik- und Multimediaproduktionen über Bewegungstheater bis hin zu ortsspezifischen Installationen. Im Folgenden mehr über die Entwicklung der Galerie NoD und über die neueste Ausstellung dort.
Von Radio Stalin zum Roxy
Die Linhart-Stiftung wurde als eine der ersten tschechischen Institutionen dieser Art im August 1990 beim Innenministerium registriert. Zwei Jahre später erhielt sie erste Räume. Sie siegte bei einer Ausschreibung um die Nutzung des ehemaligen Kinos Roxy in der Dlouhá-Straße. Dort fand auch am 13. Juni 1992 das erste Konzert im neu errichteten gleichnamigen Musikklub statt, mit der Hardcore-Kultband Fugazi aus den USA. Auf einen Raum für autonome Ausstellungen zeitgenössischer bildender Kunst musste man aber noch ein paar Jahre warten. Pavel Kubesa:„Bildende Kunst wurde eine Zeitlang nur in Begleitung zu den Musikkonzerten im Roxy ausgestellt. Dank der Initiative einiger Künstler, darunter auch des inzwischen international bekannten Kryštof Kintera, wurde das Festival ‚Praha akční‘, Prag in Action, aus der Taufe gehoben. Dabei geht es um eine Verknüpfung von szenischem Theater mit bildender Kunst, Performances und Vielem mehr.“1998 erhielt die Linhart-Stiftung einen Mietvertrag auch für die Räumlichkeiten im ersten Stock des Hauses. Das war der Impuls, um das frühere Art-Deco-Gebäude aus den 1930er Jahren zu renovieren und auf die Bedürfnisse von künstlerischen Veranstaltungen zuzuschneiden. In zwei Monaten entstand in der Dlouhá 33 der größte nichtkommerzielle Raum für Kunst und Kultur in Prag, offiziell „Raum für experimentelle Kunst und Kultur NoD“. Dort hat seit dem Jahr 2000 auch die Galerie NoD ihren Sitz.
Das Kuratorenteam der Galerie ist ständig auf der Suche nach jungen bildenden Künstlern im In- und Ausland. Dieser Tage bietet es in einer Ausstellung deren Sicht auf ein Thema aus der k. u. k. Monarchie, auf die sogenannten Volkshymnen, das waren ab 1797 die Hymnen auf den jeweiligen Kaiser. Einer der Kuratoren ist Ján Gajdušek:„Als Kuratoren bemühen wir uns seit geraumer Zeit, Verbindungen zwischen der tschechischen Kunstszene und ausländischen Künstlern herzustellen. Wir wollen das aktuelle Schaffen hiesiger Künstler im internationalen Vergleich präsentieren. Diesmal haben wir ein Thema in Zusammenhang mit dem ehemaligen ‚Österreich-Ungarn‘ gewählt. In Anklang an unseren Namen ist daher die Wahl des Themas ‚Volkshymne‘ schon ein Experiment.“
Kaiserliche Volkshymne ganz anders
Dem Leitmotiv „Volkshymne“ haben sich fünf junge Künstlerinnen und Künstler aus Österreich, Ungarn und Tschechien angenommen. Diese drei Länder waren mehr oder weniger vorprogrammiert wegen ihrer gemeinsamen Geschichte in der Habsburger Monarchie. Bei der Darstellung kamen unterschiedliche Formen zur Geltung. Die tschechische Fotografin Alžběta Kočvarová zum Beispiel assoziiert die Volkshymne logischerweise mit dem Bild des Kaisers. Dazu die Kuratorin Klára Burianová:„Es ist Kaiser Franz Josef II. Beim näheren Hinsehen kann man feststellen, dass die tschechische Künstlerin ihn aus der Sicht eines Menschen von heute abgebildet hat. Sie hat das offizielle, sentimentale historische Kaiserportrait vom Computerbildschirm abfotografiert. Damit deutet sie an, auf welche Weise man sich heutzutage oft mit Geschichte vertraut macht. Zum Beispiel mithilfe von Internetsuchmaschinen.“
Begleitet wird dies von Musik : Vicenas eigener elektronischer Fassung der Kaiserhymne.
Doppeladler in Grau
In der NoD-Galerie stellen auch die beteiligten ausländischen Künstler Kunstwerke im Stil der sogenannten „Appropriation Art“ vor. Allerdings in einer etwas abstrakteren Weise als ihre tschechischen Kollegen. Die ägyptisch-österreichische Künstlerin Sherine Anis löst zum Beispiel virtuell die Form von Gegenständen auf. Dann setzt sie die Einzelteile zu einem Kunstwerk zusammen. Diese Konstruktionen sind labil – und vielleicht auch ein Verweis darauf, dass die Donaumonarchie letztlich scheiterte.Der Wiener Stefan Reiterer befasst sich in seiner künstlerischen Arbeit mit digitalem „Luftbildmaterial“. Zweidimensionale Landschaftsbilder von Google Earth überträgt er gerne in Malerei auf großformatige Leinwände. Mit Collagetechniken schafft er dann virtuelle dreidimensionale Landschaften, in ihnen kann man mit etwas Phantasie auch ein Stück des nicht mehr existierenden Staatsgebildes sehen.
Der dritte ausländische Künstler und gebürtige Ungar Mark Fridvalszki ist Absolvent der Wiener Kunstakademie, derzeit in Berlin und Leipzig lebend. Seine Kunstwerke werden als post-digital bezeichnet. In diesem Stil entstand in der für Fridvalszki typischen grauen Farbe ein anderes Symbol der multinationalen Monarchie – der habsburgische Doppeladler, der auch auf dem Plakat zur Prager Ausstellung abgebildet ist.Abschließend noch ein Zitat aus dem Begleittext zur Ausstellung „Volkshymne“, unterschrieben von den Kuratoren Klára Burianová und Ján Gajdušek:
Roxy - Experimentální prostor NoD (Experimenteller Raum für Kunst und Kultur NoD)
Dlouhá 33, 110 00, Praha 1
Öffnungszeiten: Mo-Fr 10.00 - 1.00 Uhr / Sa-So 14.00 - 1.00 Uhr; Galerie NoD bis 22.00 Uhr
Ausstellung „Volkshymne“: 11. 4.–7. 5. 2016
„Prag, Wien und Budapest waren bis 1918 Teile eines Kaiserreichs. Der kulturelle Austausch zwischen den Städten funktionierte auf natürliche Weise. In diesen Zentren des kulturellen und gesellschaftlichen Geschehens konnten sich die Künstler in ihrer Suche nach neuen Ausdrucksweisen gegenseitig befruchten. Unsere Ausstellung ist ein Pseudomodell der Situation, in der sich Künstler aus den drei Städten zu einem offenen Dialog begegnen. Andernfalls wäre dazu höchstwahrscheinlich nicht gekommen.“