Sängerstreit: Hutka kontra Nohavica

Jaroslav Hutka und Jarek Nohavica

18 Jahre nach der Samtenen Revolution ist die tschechische Gesellschaft über ihre totalitäre Vergangenheit immer noch nicht ganz hinweg. Ein Thema, das in den letzten Jahren regelmäßig wie Störche im Frühling zurückkehrt und das die Medien immer wieder beschäftigt, das ist die Zusammenarbeit tschechischer Prominenter mit der kommunistischen Staatssicherheit StB. Für großes Aufsehen hat in diesem Zusammenhang in den vergangenen Tagen ein Sängerstreit gesorgt.

Jaroslav Hutka
Niemand hat das erwartet. Auf einmal war das Lied im Internet. Jaroslav Hutka, Sänger, ehemaliger Dissident und Unterzeichner der Charta 77, hat es geschrieben. Es heißt „Der Denunziant aus Těšín“. Der Denunziant, das ist nach Hutka der wohlbekannte und beliebte Sänger Jarek Nohavica.

„Der Denunziant aus Tesin, sein Konzert beginnt, mit einschmeichelnder Stimme singt er für uns“, heißt es in Hutkas Lied und weiter: „Auf der Fahrt nach Wien hat sich der Denunziant niederträchtig verhalten“. Worauf Hutka anspielt, ist längst kein Geheimnis mehr. Jarek Nohavica reiste 1989 mit Genehmigung der Staatssicherheit nach Wien, wo er sich mit Emigranten aus der Tschechoslowakei traf – darunter auch der Schriftsteller Pavel Kohout oder der Sänger Karel Kryl. Über seine Treffen hat Nohavica dann die Offiziere der Staatssicherheit informiert. Vor einem Jahr kam das ans Tageslicht und es wurde in Medien heftig diskutiert.

„Erst dieses Jahr im Sommer ist mir ein Lied zu diesem Thema eingefallen. Ich habe es nicht geplant, es ist mir einfach in den Sinn gekommen,“ so Jaroslav Hutka über die Entstehung des Songs.

Die Meinung in der Öffentlichkeit ist unterschiedlich. Hutka sei ein enttäuschter Sänger, der es nicht geschafft habe, nach der Wende populär zu werden. Es sei ganz einfach Neid gegenüber seinem berühmten Kollegen Nohavica. Hutka habe kein Recht Nohavica anzugreifen, weil Kunst und Moral zweierlei Dinge sind. Dies und anderes wird Hutka vorgeworfen.

Hutka, der sich mit der totalitären Vergangenheit beschäftigt und eine Fernsehreihe über die Opfer des kommunistischen Regimes moderiert, gibt eine andere Erklärung.

„Dieses Lied berührt die Vergangenheit in uns, die noch nicht abschlossen ist. Deshalb können sich die Leute nicht einfach mit so einem Lied abfinden. Ich spreche nur Worte und singe nur Lieder. Und dort, wo es reibt und wehtut, ist es klar, dass etwas mit der Wirklichkeit nicht in Ordnung ist. Ein Dichter sagt nur, wo es ihm wehtut. Sehr oft zeigt es sich dann, dass es ein allgemeiner Schmerz ist, den er als erster bemerkt hat.“

Und Jarek Nohavica? 1993 gab er die Zusammenarbeit mit der Staatsicherheit zu und lehnte ab, sich dazu weiter zu äußern. Vor einem Jahr holten die Medien neue Einzelheiten aus dem Archiv über Nohavicas Besuch in Wien. Nohavica singt weiter, ansonsten schweigt er und gibt keine Interviews. Nur auf seiner Webseite äußert er sich dazu:

„Was soll ich heute jemandem erklären, was ich gesagt, was ich nicht gesagt, worauf ich geantwortet und was ich verschwiegen habe. Warum sollte ich schwören, dass gewisse Sätze nie über meine Lippen gekommen sind. Was soll ich kommentieren, wenn ich nicht weiß, wo und wann die Aufzeichnungen in meiner Akte entstanden sind.“

Ob Hutka ein neidischer Konkurrent von Nohavica ist oder Nohavica ein charakterloser Denunziant ist, das sind Fragen, die der mediale Wirrwarr nicht beantworten kann. Den Medien genügt in der Regel, wenn Aufsehen erregt wird. In den letzten Jahren werden nämlich immer wieder neue Akten aus dem Archiv des Innenministeriums an die Öffentlichkeit gespült. Es handelt sich vor allem um die Akten bekannter Schauspieler und Politiker.

Der Sängerstreit zwischen Hutka und Nohavica, wie auch andere Affären, zeigen wohl vor allem eines: Die tschechische Gesellschaft ist verunsichert und weißt nicht, wie sie mit ihrer Vergangenheit umgehen soll. Ein Problem ist sicherlich, dass man in diesem Land über die Arbeitsweise und die Praktiken der Staatssicherheit kaum etwas weiß.