Scheinangriff und erdachte Schlacht – die Mongolen kamen bis Mähren
Im 13. Jahrhunderts drohte Europa große militärische Gefahr aus dem fernen Osten. Das Mongolenreich eroberte immer mehr Gebiete in Richtung Westen und hätte beinahe den ganzen Kontinent unterworfen. Der Einfall der Reiterscharen wurde jedoch an der Linie Ungarn – Mähren – Schlesien aufgehalten. Im Folgenden mehr über die Umstände dieser Auseinandersetzung unter besonderer Berücksichtigung Mährens.
Mit Pfeilen überschüttet
An den Feldzügen nach Europa nahmen den heutigen Schätzungen zufolge mindestens 100.000 Mongolen teil. Allein die „nördliche“ Armee zählte bei der Eroberung Polens etwa 20.000 Reiter. Die Motive dieser Feldzüge waren laut Historikern anfangs rein wirtschaftlich: neue Gebiete zu beherrschen und ihre Ressourcen zu nutzen. Immer mehr ging es aber auch um die innermongolische Politik: Die einzelnen Anführer im Heer wollten sich verdient machen in den Augen der wechselnden Herrscher. Schließlich muss der weite Feldzug auch für die Mongolen ein Abenteuer gewesen sein. Die Soldaten zogen einfach weiter, weil sie niemand aufzuhalten imstande war. Mit Sicherheit lässt sich jedoch sagen, dass die bloßen Gerüchte über den drohenden Einfall der Mongolen bereits bei den Bewohnern der betroffenen Gebiete Entsetzen weckte. Jana Valterová ist Historikerin an der Masaryk-Universität in Brno / Brünn:„In europäischen Chroniken lassen sich Berichte finden, in denen die Mongolen in einem sehr negativen Licht dargestellt werden. Sie sollen sehr grausame Krieger gewesen sein, die rücksichtlos alles geplündert haben. Auch von angeblichem Kannibalismus wird dort geschrieben. Allerdings stellt sich die Frage, ob dieses Bild nicht etwas verzerrt ist. Es bestehen nämlich auch Berichte von den Unterhändlern, zum Beispiel Franziskanern, die Kontakte zwischen den Mongolen und den örtlichen Herrschern vermittelt haben. Diese sind viel sachlicher und haben zu keiner Legendenbildung beigetragen.“Obwohl die Mongolen aus christlicher Sicht Heiden waren, spielte die religiöse Frage bei den Auseinandersetzungen mit ihnen keine Rolle. Am Anfang wurden sie sogar von den Bewohnern der besetzten Gebiete in Europa für Angehörige eines mythischen Königsreichs des christlichen Fürsten Johann gehalten, das sich irgendwo weit im Osten befinden sollte. Das erwies sich natürlich bald als Irrtum, trotzdem gab es Versuche, friedliche Kontakte mit den Mongolen zu knüpfen.
„Nach dem Jahr 1245 wurden aus Initiative von Papst Innozenz IV. mehrere Botschafter zu den Mongolen geschickt. Ihr Ziel war es, in einen Dialog mit dem Mongolischen Reich zu treten und den Großkhan zum Stopp des militärischen Vormarschs in Europa aufzufordern. Der erste Bericht darüber stammt von Johannes de Plano Carpini – dieser Franziskaner war der erste Europäer, der bis in die Mongolei gelangte. Er schrieb noch vor allem über die Angst, die er während seiner Reise in das unbekannte Land hatte. Seinen Nachfolgern gelang es aber dann, tatsächlich Kontakte zu knüpfen. Sie bemühten sich auch um die ihnen aufgetragene Mission“, so Jana Valterová.Erfundene Schlacht von Wenzel I.
Wie schon erwähnt, sind die mongolischen Eroberungen in Europa von vielen Legenden umrankt. Eine von ihnen betrifft die angebliche Schlacht bei Olomouc / Olmütz, in der der böhmische König Wenzel I. die Mongolen besiegt haben soll. Der Waffengang soll 1241 stattgefunden haben, also im selben Jahr wie die verlorene Schlacht bei Legnitz. Die Erzählung von der Olmützer Schlacht findet sich in mehreren Versionen in manchen Chroniken, wobei immer die Tapferkeit des böhmischen Königs hervorgehoben wird. Im 19. Jahrhundert wird diese Legende auch in die sogenannte Handschrift von Königgrätz übernommen, die Handschrift erweist sich aber bald als Fälschung. Erst in diesem Moment beginnen die Historiker daran zu zweifeln, dass es die Schlacht überhaupt gegeben hat. Es sind vor allem deutsche Forscher, die auf die wacklige Quellengrundlage aufmerksam machen. Ihre tschechischen Kollegen müssen ihnen Recht geben, wenn auch teilweise nur sehr widerwillig. Robert Antonín:„Es gibt keine zeitgenössischen Quellen zu der angeblichen Schlacht. Wir wissen nur, dass die Mongolen in Mähren waren und dass sich Wenzel I. mit diesem Umstand irgendwie befasst hat. Dies zeigen die Entwürfe der königlichen Briefe, wobei die Schreiben nicht unbedingt alle auch abgeschickt wurden. Anlass zur Verbreitung der Legende gab im 15. Jahrhundert der königliche Archivar Antonín Boček. Wir wissen, dass dieser Archivar eine ganze Reihe von falschen Dokumenten angefertigt hat. Einige von ihnen betreffen auch den Mongoleneinfall in Mähren. Er schrieb dort über einen heroischen Templermönch Kuno und andere erdachte Personen, die sich im Kampf gegen die Mongolen ausgezeichnet haben sollen. Diese Schilderungen bildeten zusammen mit der erwähnten Handschrift von Königgrätz den Corpus für die ganze Geschichte.“Die Legende vom Blitzschlag im Mongolenlager
Auch um den Abzug der Mongolen aus Mähren rankt sich eine Legende. Über den mährischen Wallfahrtsort Hostýn / Hostein wird dort gesagt, die Menschen hätten dort Zuflucht vor den Mongolen gesucht. Sie sollen zur Heiligen Maria gebetet haben, die dann angeblich mit einem Blitz das Militärlager der Mongolen in Brand gesteckt hat. Im Sturmwind und heftigen Regen sollen die Reiter die Flucht ergriffen und sich nie wieder im Land gezeigt haben.Tatsache ist, dass die Mongolen nur kurz in Mähren waren. Bereits 1242 sind sie offensichtlich weggezogen, womit auch ihr Eroberungszug in Europa zu Ende ging. Das Mongolenreich geriet dann nach dem Tod des vierten Großkhans in Unruhe, was später zur Spaltung des Landes führte. Nur auf dem Gebiet des heutigen Russlands herrschten die Mongolen bis zum 15. Jahrhundert.
In Tschechien erinnert an dieses Kapitel aus der Geschichte nur noch ein regionaler Leckerbissen namens „Stramberger Ohren“. Der Sage nach sollen die Mongolen bei dem Überfall auf das gleichnamige nordmährische Städtchen im Jahr 1241 den Bewohnern die Ohren abgeschnitten haben, um diese als Geschenk an den Großkhan zu schicken. Als Erinnerung an diese Zeit wird in Štramberk / Stramberg ein Süßgebäck aus gerolltem Lebkuchenteig hergestellt, das sogar von der EU als regionale Spezialität anerkannt ist.