Schiefer Turm auf dem Bernsteinpfad: Willkommen in Lipník nad Bečvou

Glockenturm

Die altehrwürdige Stadt Lipník nad Bečvou liegt im Herzen von Moravská brána – der Mährischen Pforte. Der alte Handelsweg, der hier einst hindurch führte, wird von der einen Seite vom Odergebirge / Oderské vrchy und von der anderen von den Hosteiner Hügeln / Hostýnské vrchy gesäumt. Die Mährische Pforte ist die Verbindungslinie zwischen dem Gebiet der fruchtbaren Haná und Schlesien sowie auch zwischen der Haná und der Mährischen Wallachei. Der Handelspfad, der hier hindurch führte, wurde „Bernsteinpfad“ genannt, da auf diesem Weg vor Jahrhunderten Bernstein von der Ostsee her transportiert wurde.

Der gesamte historische Stadtkern steht unter Denkmalschutz, sagt Karolina Plisková vom Infozentrum in Lipník / Leipnik:

„Unser Marktplatz ist einzigartig. Er hat nämlich die Form des Buchstaben L. Ursprünglich war es ein quadratiger Platz. Mit der Zeit wurde das Rathaus erweitert und damit entstand das L. Das Rathaus besteht aus vier Bürgerhäusern. Der Marktplatz von Lipník ist ein guter Orientierungspunkt für Piloten.“

St. Florian-Brunnen
Auf dem Marktplatz findet man gleich zwei Springbrunnen: Der eine ist nach dem heiligen Johannes Nepomuk und der andere nach dem heiligen Florian benannt, dem Patron der Feuerwehr. Die Stadtbewohner konnten hier Wasser fürs Kochen und Waschen kostenlos holen. Kann sein, dass auf die reichhaltigen Wasserressourcen auch eine Kuriosität zurückgeht. Denn aus Lipník stammte der erste Tscheche, der über den Ärmelkanal geschwommen ist. Er hieß František Venclovský und hat 1971 15 Stunden und 26 Minuten gebraucht, um den Ärmelkanal zu durchqueren. Vier Jahre später hat er seine Leistung um fast zwei Stunden sogar noch verbessert.

Eine Dominante der Stadt stellt die St. Jakobskirche dar, beziehungsweise deren auffallender Turm.

„Der Turm der Kirche des heiligen Jakobs des Größeren war ursprünglich um ein Drittel niedriger. Aber als die Brüderunität einen ähnlichen Turm bei der Kirche St. Franziskus erbaut hatte, entschieden sich die Lutheraner den Turm ihrer Kirche um ein Drittel zu erhöhen. Heute ist er 52 Meter hoch und auf der Höhe von 32 Metern befindet sich eine Arkade. Der Turm ist schief. So wurde er schon erbaut.“

Glockenturm
Gleich neben der Kirche steht der Glockenturm aus dem Jahr 1609. Als die Stadtväter 1604 eine neue schwere Glocke im Kirchenturm platzierten, bekamen sie Angst, dass der Turm einstürzen könnte und ließen einen Glockenturm errichten. Dieser wurde in der erstaunlich kurzen Zeit von 222 Tagen fertiggestellt, erzählt Karolina Plisková.

„Die größte Glocke in diesem Glockenturm ist die Glocke St. Michael. Sie wiegt mehr als 5 Tonnen. Auf der Glocke ist der Erzengel Michael abgebildet, der Schutzpatron der Stadt. Die kleinere Glocke ist der heiligen Barbara geweiht. Diese Glocke wurde früher nur als Sterbeglocke benutzt. Die dritte Glocke wurde nach dem Glockengießer Jakob benannt. Diese älteste Glocke im Bezirk Prerov / Prerau wurde vor fast 550 Jahren gegossen und ist mit dem Stadtwappen verziert.“

Neben den Kirchen findet man in Lipník nad Bečvou noch einige jüdische Baudenkmäler. Die erste schriftliche Erwähnung jüdischer Bewohner stammt aus dem Jahre 1412. Man nimmt an, dass viele Juden aber erst 1454 kamen, nachdem die Juden aus den mährischen königlichen Städten Olmütz und Uničov / Mährisch Neustadt ausgewiesen worden waren. Im 19. Jahrhundert stellten die Juden ein Drittel der Einwohner von Lipník. Sie wohnten unweit der Stadttore, nämlich vor allem in Reihenhäusern, die direkt an der Stadtmauer erbaut wurden – so zum Beispiel in der Straße, die heute Perštýnská heißt, erzählt Karolina Plisková.

„Wenn ein Jude während des Jahrmarkts auf dem Marktplatz einen Stand haben wollte, musste er damals mit einer Urkunde nachweisen, dass ihm eine Immobilie gehört.“

Zu den bekanntesten jüdischen Unternehmern von Lipník gehörten die Gebrüder Gutmann. Deren Stiftungshaus steht in der Perštýnská, der früheren Tempelgasse bis heute.

„Die Brüder Gutmann sind im 19. Jahrhundert dank des Kohlehandels reich geworden. Zu ihren Kunden gehörten die bedeutendsten Unternehmen der k. u. k. Monarchie. Gemeinsam mit ihrem ehemaligen Konkurrenten, Baron Rothschild, besaßen sie zudem die Eisenwerke in Vítkovice. Im Stiftungshaus, dass sie erbauen ließen, befand sich in der ersten Etage ein jüdisches Spital und im Erdegeschoß ein Gebetsraum.“

Im jüdischen Viertel von Lipník befindet sich die älteste Synagoge Mährens. Erwähnt wurde sie zum ersten Mal im Jahre 1540. Sie wurde wahrscheinlich sogar noch früher errichtet. Das Gebäude wurde mehrmals umgebaut.

"In den Jahren 1948-50 wurde das Gebäude zum letzten Mal umgebaut. Damals wurde die Synagoge in einen Gebetsraum der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche umgewandelt. Im Hauptsaal ist bis heute das Gewölbe im gotischen Stil von Wladislav Jagiello mit den für den Stil typischen Ziegelrippen erhalten geblieben.“

In der Stadt gibt es zwei jüdische Friedhöfe. An den so genannten “alten jüdischen Friedhof“ schließt der „neue Friedhof“ an. Während des Zweiten Weltkriegs wurde der alte Friedhof vernichtet. Nach dem Krieg wurden 160 Grabmäler an der südlichen Mauer des neuen Friedhofs platziert. Auf dem Gelände des ehemaligen, alten Friedhofs wurde damals ein Park mit einem Spielplatz errichtet. Erst nach der Wende von 1989 wurde der alte Friedhof dank einer jüdischen Initiative aus den USA erneuert.

Alter jüdischer Friedhof
„Ursprünglich gab es hier etwa 1300 bis 1500 Grabmäler. Sieben Rabbiner von Lipník wurden auf dem alten Friedhof bestattet. Am bekanntesten ist Rabbi Baruch Theomin Fränkel. Über seinem Grab wurde auf Grundlage einer Fotodokumentation eine Kopie der ursprünglichen Tumba errichtet.“

Oft kommen fromme chassidische Juden aus dem Ausland nach Lipník, um das Grab des großen Gelehrten zu besuchen. Das Haupttor des Friedhofs sowie das kleinere Tor, das den alten mit dem neuen Friedhof verbindet, sind mit Werken des Kunstschmieds Jiří Jurda verziert. Der neue Friedhof wurde Ende des 19. Jahrhunderts gegründet. In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts übernahm die Stadt den Friedhof. Viele der Grabmäler wurden damals an eine Steinmetzfirma verkauft. In den 90er Jahren wurde auch der neue Friedhof in Stand gesetzt und die noch erhalten gebliebenen Grabmäler wurden identifiziert. 155 Grabmäler sind jedoch für immer verloren gegangen.

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