Schlicht und majestätisch: Prag setzt Maria Theresia ein Denkmal
Vor 280 Jahren bestieg Maria Theresia den österreichischen Thron und wurde damit unter anderem auch zur Königin Böhmens. In Prag hat man ihr nun ein Denkmal gesetzt. Die Darstellung der Habsburgerin unterscheidet sich deutlich von den klassischen Statuen, wie es sie etwa in Wien oder Bratislava gibt.
Breiter, nach hinten ausgestellter Rock. Schlanker Oberkörper, erhobenes Haupt. So gestaltet sich das Ebenbild Maria Theresias, das seit neuestem in Prag steht, konkret im sechsten Stadtbezirk. Jan Kovářík hat es entworfen:
„Vor uns steht eine fünfeinhalb Meter hohe, sehr vereinfachte figurative Skulptur. Unsere Absicht war es nicht, ein realistisches Abbild zu schaffen. Wir wollten vielmehr das sehr klare Symbol einer mächtigen Herrscherin zeigen.“
Das ist allein durch die überdimensionale Größe gelungen. Hinzu kommt eine stilisierte Darstellung, ohne Frisur, Gesicht oder Hände. Sie bricht mit Konventionen. Gerade das wecke aber Interesse, so Kovářík:
„Wir wollten natürlich etwas Neues machen. Wir leben heute in anderen Zeiten. Außerdem wissen wir gar nicht genau, wie Maria Theresia wirklich aussah. Auf jedem Gemälde ist sie anders dargestellt. Unsere Absicht war es also, etwas Passendes für die heutige Zeit zu machen, das zudem noch einen Bildungseffekt hat. Weil sie so abstrakt ist, forschen die Leute selbst nach, wer Maria Theresia eigentlich war – warum die Figur so aussieht und wie die Frau aussah.“
Die Habsburgerin war die einzige Frau, die je über die böhmischen Länder geherrscht hat. Laut dem Rathaus des sechsten Prager Stadtbezirkes ist die neue Statue die erste und einzige in Tschechien, die Maria Theresia zeigt. Nachdem der Wettbewerb für das Denkmal bereits 2013 ausgeschrieben worden war, konnte der stellvertretende Bezirksbürgermeister Jan Lacina (Bürgermeisterpartei) das Kunstwerk nun zum runden Thronjubiläum am 20. Oktober einweihen.
Drei Jahre hat die Arbeit an der Skulptur gedauert, 3,6 Millionen Kronen (130.000 Euro) hat sie gekostet. Schicht für Schicht wurde das Kunstwerk in den vergangenen Wochen direkt am Ort seiner Bestimmung aufgebaut. Auch der Park, den Maria Theresia nun ziert, trägt den Namen der österreichischen Erzherzogin. Bisher ist der Ort zwischen Prager Burgviertel und dem Stadtteil Dejvice wenig frequentiert – zumindest von Spaziergängern. Für Verkehr sorgt eher die vierspurige Hauptstraße, die an der Grünfläche vorbeiführt. Und die Tiefgarage, die direkt darunter liegt.
„Die Dimension der Statue wurde so gewählt, dass sie vor Ort nicht verloren, sondern majestätisch wirkt. Wir mussten darauf achten, dass der Park nicht von den beiden Garagenausgängen dominiert wird.“
So erläutert der Architekt Jan Proksa die örtlichen Bedingungen. Ausgestattet mit nur ein paar Bäumen und ansonsten eher einem rauen Charme, stellte der vorgesehene Park eine Herausforderung dar:
„Wir mussten uns die Proportion überlegen, mit denen die Umgebung einzufangen ist. Der Park ist etwas abgelegen. Man gelangt von der Prager Burg aus dorthin. Wenn man nicht gerade etwas in Dejvice zu erledigen hat, gibt es eigentlich keinen Grund, dort entlangzugehen.“
Die Statue soll die Besucher nun anlocken. Sie wurde aus insgesamt 80 Teilen zusammengesetzt und wiegt gut sieben Tonnen. Das sei nicht so schwer, wie es klingt, sagt Proksa:
„Die ganze Konstruktion ist so leicht wie möglich. Im Kern besteht sie aus Polystyrol. Drumherum ist eine Art Schale.“
Diese wurde aus Geopolymer geformt, einem künstlichen Gestein. Proksa bezeichnet es als ein ökologisches Material. Es verleiht der Skulptur ihre sehr helle, fast weiße Farbe. Zeit, Wetter und Verkehrsabgase dürften aber dafür sorgen, dass sie in einigen Jahren dunkler sein wird.
In die Oberfläche sind auf der Höhe des Rocksaumes der vollständige Name und die Lebensdaten der Regentin eingraviert. Das ist die einzige Verzierung der ansonsten schlichten und eher strengen Statue. Die Prager haben schnell den Vergleich zu einer Schachfigur gezogen. Bildhauer Kovářík stört das nicht:
„Ihr schon klassischer Spitzname ist die Schachfigur oder auch die Spielfigur bei ‚Mensch ärgere dich nicht‘. Das passt alles sehr schön. Denn Maria Theresia lässt sich tatsächlich vorstellen als eine Figur im politischen Spiel des damaligen Europas.“
Die Habsburgerin war 37 Jahre lang böhmische Königin. Ihre Krönung fand anlässlich ihres 26. Geburtstages am 12. Mai 1743 statt – eben auf der Prager Burg, in dessen Sichtweite sie nun steht. Der Historiker Eduard Maur beschreibt:
„Die Zeremonie verlief auf gleiche Weise wie bei früheren Krönungen, natürlich mit gewissen Abweichungen, die sich daraus ergaben, dass es sich um eine Frau handelte. Es folgten Feierlichkeiten, ein großer Ball, Besuche bei Adeligen, eine Opernaufführung, ein Besuch im Klementinum sowie Fahrten in die Provinz. Für Prag war dies eine große Show.“
Die Frage, wie zeitgemäß ein Denkmal für eine Herrscherin aus dem 18. Jahrhundert heute ist, liegt wohl auch im Urteil eines jeden Betrachters. Die Regentschaft Maria Theresias in Böhmen wird kontrovers beurteilt. Sie führte Kriege, ließ Bauernaufstände niederschlagen und zentralisierte die Verwaltung von ihrem Herrschersitz in Wien aus. Noch einmal Maur:
„Die tschechischen Historiker haben seit dem 19. Jahrhundert kritisch angemerkt, dass Maria Theresia die letzten Reste der staatlichen Eigenständigkeit Böhmens beseitigt hat. Sie schuf die Grundlage für eine Entwicklung, die zum Dualismus, zum österreichisch-ungarischen Ausgleich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte.“
Zwei Petitionen, die sich in den vergangenen Jahren gegen die Errichtung des Denkmals in Prag 6 aussprachen, bezogen sich aber nicht auf diese historischen Details. Vielmehr waren die Anwohner besorgt, der neuen Statue könnte ein schon länger bestehendes Denkmal zum Opfer fallen. Es erinnert an Václav Morávek, der 1942 im Kampf gegen die Nationalsozialisten gefallen ist. Das Problem löste sich aber schnell: Das besagte Mahnmal befindet sich in einem anderen, nahegelegenen Park. Die Kritik an der unkonventionellen Darstellung Maria Theresias aber bleibt. Der stellvertretende Bürgermeister Jan Lacina verteidigt das Werk:
„Im öffentlichen Raum gibt es sehr wenig moderne Kunst. Die Öffentlichkeit ist diesbezüglich sehr sensibel. Aber es scheint mir doch, dass sich die erste, noch sehr stark ablehnende Haltung langsam legt.“
Architekt Proksa hofft, dass die Skulptur zur Aufwertung des dazugehörigen Parks beiträgt. Er selbst ist von ihm sehr angetan:
„Der Park ist erstaunlich ruhig. Ich hoffe, dass die Prager ihn als schönen Ort für sich entdecken. Auch wenn er nicht wirklich intuitiv zugänglich ist.“
Bei der Annäherung könnte ein erster virtueller Blick auf die Maria-Theresia-Statue helfen. Auf der Webseite der Bezirksverwaltung von Prag 6 findet sich das 3-D-Modell des Denkmals. Per Mausführung lässt es sich von allen Seiten betrachten und ist zudem mit einem informativen akustischen Kommentar versehen. Die Adresse lautet: www.praha6.cz/marie-terezie.