Schloss Radim: Historische Ausstattung vom Keller bis zur Decke

Schloss Radim

Schloss Radim liegt nahe der mittelböhmischen Stadt Kolín. Die Renaissanceresidenz wechselte mehrmals den Besitzer. In einer der vergangenen Ausgaben der Sendereihe „Reiseland Tschechien“ haben wir über die Geschichte des Baudenkmals berichtet. Durch das Schloss führen wir Sie in den folgenden Minuten.

Bohuslav Opatrný | Foto: Elena Horálková,  Tschechischer Rundfunk

Unter den Besitzern des weißen Renaissanceschlosses Radim waren in den vergangenen Jahrhunderten bedeutende Adelsfamilien wie Schlick, Gallas, Sternberg und Kinsky. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts gehörte die Residenz der Familie Liechtenstein. Der erste nichtadelige Besitzer von Radim war Dr. Jaroslav Bukovský. Er war Hausarzt von Staatspräsident Masaryk. Die Liechtensteins verkauften der Familie Bukovský das Schloss Ende der 1920er Jahre. In den 1950er Jahren wurde das Anwesen vom Staat beschlagnahmt. Das halb zerfallene leerstehende Gebäude wurde in den 1990er Jahren im Rahmen der Restitutionen an Bukovskýs Nachkommen zurückgegeben. Seitdem wechselte das Schloss zweimal den Besitzer. Der gegenwärtige Schlossherr Bohuslav Opatrný bemüht sich seit einigen Jahren, die Residenz komplett zu restaurieren und mit historischen Möbeln und Kunstwerken auszustatten. Vom Eingang geht es in den Flur, den er vor einem Jahr in eine Galerie für Tapisserien verwandelte. Einige der Tapisserien haben Motive aus der Renaissancezeit, einige aus der Barockzeit. Bohuslav Opatrný macht im Flur zudem auf eine Kuriosität aufmerksam:

Tapisserie | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„An dieser Stelle muss man sich eine Barockplastik vorstellen, die jedoch gestohlen wurde. Und das da ist der einzige Spiegel, der im Schloss nach der kommunistischen Ära geblieben ist. Es gab damals noch zwei Kachelöfen, ansonsten stand das Haus leer. Es fehlten hier sogar Türen und Böden, einfach eine Katastrophe.“

Vom Büro des Verwalters geht es in die sogenannte „weiße Küche“. Dazu der Schlossbesitzer:

Sogenannte „weiße Küche“ | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Hier wurde das Essen, das zuvor in der schwarzen Küche zubereitet wurde, noch abgeschmeckt, auf die Teller serviert und in die Speisesäle gebracht. Alles wurde damals in verzinnten Kupfertöpfen gekocht. Der Kamin stammt aus Frankreich, er wurde in Teilen hierher gebracht und erst in diesem Raum zusammengebaut. Der aus Deutschland stammende Schrank ist noch 100 Jahre älter als das Schloss.“

Mörser aus dem Dreißigjährigen Krieg

Einer der Kronleuchter aus der Renaissancezeit | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

In der gesamten Residenz sind laut Opatrný 28 Kronleuchter aus der Renaissancezeit installiert worden, 26 davon sind elektrifiziert. Der Schlossbesitzer macht auf einen historischen Mörser aufmerksam:

„Dieses Stück überlebte den Dreißigjährigen Krieg auf dem Bauernhof meiner Familie, der sich nahe der Stadt Zbiroh befand. Nachdem die schwedischen Soldaten, die Prag belagerten, keinen Sold bekamen, zogen sie von der Moldau in Richtung Westen und plünderten mehrere Bauernhöfe. Meinen Vorfahren gelang es damals, ihr Gut zu verteidigen. Aber eine der Scheunen brannte ab. Als ich dort vor einigen Jahren Ordnung machte, fand ich in der Asche diesen Mörser, jedoch ohne Stößel.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Im Schloss befindet sich auch eine Wachstube. Denn vor Jahrhunderten verfügte die Residenz über eine Wache, die mindestens aus sechs Männern bestand. Es kam darauf an, wie reich der Schlossherr war, merkt Bohuslav Opatrný an.

In den gewölbten Kellerräumen befindet sich die schwarze Küche. Diese wurde dem Schlossbesitzer zufolge möglichst originaltreu rekonstruiert.

„Hier befand sich eine offene Feuerstätte mit direktem Abzug in den Schornstein. Alles funktioniert auch heute noch. Wir veranstalten hier Festmahle mit Kostproben von Gerichten aus der Renaissancezeit. Zuletzt wurden hier 150 Kartoffelpuffer, 250 Kuchen und ein Laib Brot gebacken. Alles wurde  verspeist.“

Damenschlafzimmer | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Nach der Besichtigung der Kellerräume mit der schwarzen Küche geht es wieder zurück in den Flur, und von dort führen einige Treppen hinauf zu weiteren Gemächern. Gezeigt werden unter anderem die Schlafzimmer sowie der Festsaal. Bohuslav Opatrný:

„Hier befand sich früher das Damenschlafzimmer. Die Schlafzimmer dienten damals nicht nur zum Ausruhen. In jedem Schlafzimmer gab es auch einen Arbeitstisch und Lehnstühle. Das Bett stammt aus Spanien und ist fast 400 Jahre alt. In der Renaissancezeit nutzte man noch keine Nachttische, neben dem Bett standen in der Regel nur Stühle. Die Bettpfanne, die hier gezeigt wird, wurde mit heißen Steinen gefüllt und diente zum Wärmen der Schlafstätte.“

Kellerräume | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Bemalte Decken

Gebetsecke | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Opatrný macht darauf aufmerksam, dass dieser Teil der Residenz früher in einem desolaten Zustand war.

„Alle Innenräume der Residenz haben wir möglichst so ausgestattet, dass sie aussehen, wie auf den im Archiv aufbewahrten Stichen. So wurde auch das Schlafzimmer gestaltet, das dem Stil vom Anfang des 17. Jahrhunderts entspricht.“

In der Residenz gibt es auch eine Gebetsecke, die eine Schlosskapelle ersetzt. Als Familie Liechtenstein die Kapelle nicht mehr nutzte und sie entweihen ließ, ließ sie die Ecke errichten. Einzigartig ist laut Bohuslav Opatrný ein kleiner italienischer Altar aus dem 16. Jahrhundert. Für die Gemeinde Radim ließen die Liechtensteins 1893 jedoch eine große Kapelle errichten. Der neugotische Sakralbau gilt seit einigen Jahren als Kulturdenkmal. Die Schlosskapelle sei in einen Gesellschaftssaal umgewandelt worden, so Opatrný.

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Hier befindet sich eine der vier erhaltenen bemalten Decken, die aus der Zeit vom Anfang des 17. Jahrhunderts stammen. Professor Bukovský entdeckte sie erst 1927, als er die Verschalung beseitigen ließ. Diese wurde im 18. Jahrhundert im Rahmen der damals neu eingeführten Brandschutzmaßnahmen installiert. Die Decke ist in einem sehr guten Zustand und zieht das Interesse der Kunsthistoriker auf sich. Der Saal wird häufig für Hochzeiten gemietet. Wir veranstalten hier zudem Konzerte, bei denen auch dieser Konzertflügel erklingt, der 1868 von der Firma Petrof gebaut wurde.“

Nach einer Führung durch die Residenz gibt es die Möglichkeit, im Schlosscafé einzukehren oder durch den englischen Park zu spazieren.

Schloss Radim ist das ganze Jahr über zugänglich. Im Juli und August ist es von Donnerstag bis Sonntag geöffnet. Die Führungen finden immer nach 11, 13 und 15 Uhr statt. Vom September bis Juni ist die Residenz jeweils am Wochenende geöffnet. Es ist zudem möglich, individuelle Führungen zu bestellen. Mehr erfahren Sie unter www.zamek-radim.cz

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