Schloss Radim: Willkommen in der Renaissancezeit

Schloss Radim, Kauřzimer Kreises, nach Pucherna gemahlt von Joann Venuto 1820

Wer wissen will, wie die Adelsfamilien in der frühen Neuzeit auf ihren Landsitzen lebten, der kann dies bei einer Führung durch Schloss Radim erfahren. Dabei lassen sich unter anderem mit vielen Originalmöbeln ausgestattete Gemächer bewundern sowie eine schwarze Küche und historische Kellerräume.

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Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Gemeinde Radim liegt etwa zehn Kilometer westlich der mittelböhmischen Stadt Kolín. Mit der Bahn ist es aus Prag etwa eine Stunde. Im Ort Pečky muss man umsteigen, und der nächste Halt ist bereits Radim. Vom Bahnhof sind es nur ein paar Minuten zum Schloss. Die weiße Renaissanceresidenz steht inmitten eines englischen Parks. Schon vor dem Bau des Schlosses habe sich im Ort eine Festung befunden, erzählt Schlossbesitzer Bohuslav Opatrný. Von der Existenz einer mittelalterlichen Festung zeugen seinen Worten zufolge die romanischen Kellerräume, die im Haus gegenüber dem Schloss erhalten sind.

Bohuslav Opatrný | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Für die Geschichte dieses Schlosses ist das Jahr 1541 ausschlaggebend. Damals kaufte Karel Záruba aus Hustířany die hiesige alte Wasserfestung. Er trat in den Dienst von Rudolf II., und der Kaiser erhob ihn 1568 in den Ritterstand. Záruba gefiel es vermutlich nicht mehr in der kalten Festung. Deswegen begann er in den 1590er Jahren, hier ein Schloss im Stil der sächsischen Renaissance bauen zu lassen. Der Bau wurde 1610 beendet, zwei Jahre später starb Záruba bereits. Und mit dem Tod seines Sohnes Jan starb die Adelsfamilie Záruba ganz aus. Danach wechselten häufig die Besitzer der Residenz. Zu ihnen gehörten mehrere bedeutende Adelsfamilien wie Sternberg, Schlick, Gallas und Kinsky. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts waren es insgesamt zwölf namhafte Adelsfamilien.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Landsitz bedeutender Adelsfamilien

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

1783 kaufte dann Alois Josef von Liechtenstein das Herrengut Radim. Die Familie Liechtenstein besaß das Schloss 141 Jahre lang, bis in die Zeit der Ersten Republik. 1927 wurde Radim an Dr. Jaroslav Bukovský verkauft. Er sei der erste nichtadelige Besitzer des Schlosses gewesen, merkt Bohuslav Opatrný an. Bukovský war Privatarzt der Familie von Staatspräsident Masaryk.

„Die Familie Bukovský lebte hier in Zufriedenheit bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Damals besetzten die Deutschen das Schloss. Das Jahr 1950 bedeutete dann das Ende für die Residenz. Sie wurde vom Staat beschlagnahmt, und der architektonische Wert des Baudenkmals wurde vollständig zerstört. 1996 bekamen die Nachkommen der Familie Bukovský im Rahmen der Restitutionen das Schloss zurück, aber das Gebäude befand sich in einem sehr schlechten Zustand. Unter anderem verschwanden während der kommunistischen Ära auch 28 Kachelöfen aus der Renaissancezeit. Allein das war ein Schaden in Höhe von mehreren Millionen Kronen.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Bei der Rückgabe des Schlosses befanden sich laut Opatrný im Gebäude nur noch ein Spiegel und zwei Barocköfen, die aus der Zeit stammten, als Radim der Familie Liechtenstein gehörte. Sonst habe das stark verwüstete Haus leer gestanden, merkt Opatrný an.

„Eine Hälfte des Schlosses hatte keine Fenster und Böden mehr. Das Dach war durchlöchert. Der letzte Schlag für das Gebäude bedeutete 1988 ein starkes Gewitter mit Hagel. Zum Glück ist das Haus an sich so solide gebaut, dass ich bis heute keine Schäden an der Statik gefunden habe. Die Liechtensteins hatten hier nur zwei Jahre lang gewohnt. Anschließend verwandelten sie das Schloss in ein Verwaltungsgebäude, von dem aus sie auch das große Eigentum verwalten ließen, das sie in Mähren hatten. Die Residenz wurde später auch nicht mehr umgestaltet. Im 19. Jahrhundert wurde nur ein zusätzliches Treppenhaus erbaut, das in den Park führt. Aber die ursprüngliche Architektur ist unberührt geblieben.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Gründlich restauriert

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

2006 habe sein Vorgänger das Schloss gekauft und damit begonnen, es sorgfältig zu restaurieren, erzählt Bohuslav Opatrný.

„Ich habe Radim zum ersten Mal vor 15 Jahren besucht. Als sich mein Vorgänger entschied, das Gebäude aus familiären Gründen zu verkaufen, war ich der Erste, dem er es anbot.“

Burgen und Schlösser haben Bohuslav Opatrný seinen Worten zufolge von klein auf fasziniert. Als Kind habe er viele Modelle von Burgen gebaut, sagt er. Das Schloss werde seit einigen Jahren sehr gründlich restauriert, und die Besucher könnten aus zwei Rundgängen auswählen, betont Opatrný.

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Bei der ersten Führung werden Räumlichkeiten gezeigt, die für die Dienerschaft und das weitere Personal bestimmt waren und wo das Essen zubereitet wurde. Dazu gehören auch die Kellerräume mit der schwarzen Küche. Im Erdgeschoss gibt es Räumlichkeiten, die als das Büro des Hauptmanns und als Waffenkammer dienten. Dort werden historische Waffen gezeigt. Zu sehen sind des Weiteren Möbel aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Und nicht zuletzt eine neue Dauerausstellung von Tapisserien, die aus England stammen.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Der zweite Rundgang führt durch die Etage, auf der früher die Schlossbesitzer wohnten. Die dortigen Räumlichkeiten dienten ihnen als Wohn- und Schlafzimmer. Ebenso befinden sich dort ein großer Speisesaal und ein Gesellschaftssaal.

„Die zweite Etage ist mit Renaissancemöbeln ausgestattet, die hierzulande einzigartig sind. 80 Prozent davon habe ich bei Auktionen gekauft, bei denen Möbel aus französischen Schlössern versteigert wurden. 20 Prozent davon stammen aus dem Besitz und den Nachlässen meiner Familie, die zwar nicht so reich war, aber auch einige interessante Möbelstücke hatte. Ich plane, noch einen dritten Rundgang in der höchsten Etage anzubieten. Im Flur gibt es Dutzende von Gemälden von Malern, von denen viele in Vergessenheit geraten sind, die jedoch die Aufmerksamkeit der Kunstliebhaber verdienen.“

Mozart zu Gast

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Bohuslav Opatrný, der unter anderem Geigen sammelt und selbst auf dem Instrument spielt, richtet derzeit in seinem Schloss auch einen kleinen Musiksalon ein. Er soll dem Andenken von Wolfgang Amadeus Mozart gewidmet sein. Denn der Schlossherr denkt, dass Mozart die Residenz einige Mal besucht haben dürfte.

„Mozart war hier inkognito, die Besuche waren geheim. Nicht einmal der Schriftsteller Zdeněk Mahler, der ein Buch über Mozarts Aufenthalt in Prag schrieb, hat davon gewusst. Der Schriftsteller František Josef Čečetka hat die Besuche jedoch im vergangenen Jahrhundert erwähnt, als er sich mit interessanten Geschichten aus dem Leben bekannter Persönlichkeiten befasste.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Auch wenn das Schloss bei der Rückgabe an die Nachkommen der letzten Besitzer fast leer stand, ist eine Rarität erhalten geblieben: die bemalten Decken von Anfang des 17. Jahrhunderts. Bohuslav Opatrný:

„Ursprünglich gab es acht derartige Decken, vier davon sind erhalten. Unter den Liechtensteins wurden die Decken im Rahmen der damals neu eingeführten Brandschutzmaßnahmen verschalt. Erst Professor Bukovský entdeckte die wertvollen Renaissancedecken wieder, als er 1927 die Verschalung beseitigen ließ. Die mit Akazienblättern verzierten Decken stammen aus den Jahren 1606 bis 1608 und sind wirklich einzigartig.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Führung durch Radim werden wir in einer der nächsten Ausgaben von „Reiseland Tschechien“ fortsetzen. Schloss Radim ist das ganze Jahr hindurch jedes Wochenende geöffnet. Im Juli und August liegen die Besuchszeiten von Donnerstag bis Sonntag zwischen 11 und 18.30 Uhr. Am diesem Samstag schließt sich Radim auch der Nacht der Burgen und Schlösser an, die in ganz Tschechien stattfindet. Die letzte Führung findet dann erst um 22 Uhr statt. Für die Besucher ist ein Sonderprogramm vorbereitet. Das Schlosscafé ist geöffnet.

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