„Schmerzliche Debatte“ – Postoloprty enthüllt Gedenktafel für Massaker an Deutschen
65 Jahre nach einem Massaker an etwa 760 Deutschen in Westböhmen ist im tschechischen Ort Postoloprty / Postelberg eine Gedenktafel für die Opfer enthüllt worden. Die Plakette mit der Inschrift „Allen unschuldigen Opfern der Ereignisse in Postoloprty im Mai und Juni 1945“ wurde von deutschen Diplomaten und tschechischen Anwohnern sowie Angehörigen der Opfer auf dem Friedhof enthüllt. Bei dem oft als größtes Nachkriegsmassaker an Deutschen bezeichneten Blutbad waren Deutsche aus der Region zusammengetrieben und von tschechoslowakischen Einheiten erschossen worden. Dem Anbringen der Plakette war ein jahrelanger Streit über die Inschrift vorangegangen. Ondřej Matějka, der Leiter der Organisation Antikomplex, über die Enthüllung der Gedenktafel.
Herr Matějka, in Postoloprty ist am Donnerstag eine Gedenktafel enthüllt worden, die an die Opfer des Massakers an über 700 Deutschen beziehungsweise deutschstämmigen Böhmen erinnert. Ihre Organisation Antikomplex setzt sich unter anderem auch für eine Gedenkkultur zu solchem Unrecht ein. Sie waren selbst bei der Enthüllung der Gedenktafel. Hätten Sie vor ein paar Jahren gedacht, dass das möglich ist?
„Ich habe daran schon geglaubt, denn am Ende laufen solche Debatten immer darauf hinaus, dass man irgendetwas macht. Postelberg war ja auch nicht die erste Stadt, in der so etwas gemacht wurde. Die Debatten darüber waren immer heftig, waren intensiv und auch schmerzlich. Das führte sogar dazu, dass sich die Leute auf der Straße vielleicht nicht gegrüßt haben oder in der Kneipe beschimpft haben. Aber so verläuft der Prozess, den man ´Geschichtsaufarbeitung´ nennt. Und ich bin froh – auch wenn das jetzt über zehn Jahre gedauert hat –, dass man die Entscheidung im Stadtparlament mit einer ziemlich überzeugenden Mehrheit zustande bekommen hat und dass wir diese Gedenktafel jetzt auch in Postelberg haben; das Geschehen dort gehörte wahrscheinlich zu dem Schlimmsten, was nach dem Krieg passiert ist.“Der Text der Gedenktafel steht in der Kritik, weil dort nicht von deutschen Opfern, sondern allgemein von Opfern gesprochen wird. Halten Sie das für berechtigt?„Zum Teil schon. Wenn man das allerdings im gesamten Kontext betrachtet, halte ich das eher für einen kleinen Schönheitsfehler. Ich sehe natürlich schon die Probleme, die die deutschen Familienangehörigen damit haben. Das verstehe ich vollkommen. Ich würde das allerdings nicht überbewerten. Es ist grundsätzlich gelungen, dass die Debatte geführt wurde, und in der Debatte ist das Problem an sich sichtbar geworden und zu Bewusstsein gekommen. Gedenktafeln oder Denkmäler sind allgemein nicht dazu da, um die gesamte Information zu liefern. Sie sind eher ein Ausdruck von unserer Überzeugung. Das wird dem Bewusstsein dann auch helfen, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen, also dem Bewusstsein der Leute vor Ort, aber auch der tschechischen Gesellschaft an sich. Es stützt die öffentliche Debatte und ist quasi ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Aufarbeitung der Geschichte.“
Es gibt ja noch weitere Orte, an denen in der Nachkriegszeit Unrecht an Deutschen verübt wurde. Was ist denn noch zu tun?„Bei der Aufarbeitung von Geschichte kann man nicht sagen, dass es ein Prozess ist, der einen konkreten Anfang und ein konkretes Ende hat. Es geht immer eigentlich eher darum, dass man zu Selbstreflexion imstande ist. Und die wird immer wieder aufs Neue betrieben. Ich glaube, wir stecken hier in Tschechien in einem Prozess des Wandels für unser Selbstverständnis, wenn es auch sehr langsam geht. Aber es geht immer langsam. Das Wichtigste ist, dass das nicht gestoppt wird. Ob das dann mit weiteren Gedenktafeln verbunden wird oder mit etwas anderem wie zum Beispiel einem Buch oder einer Ausstellung, das ist dann die Frage.“