„Töten auf tschechische Art“ – ein umstrittener Film über Massenmorde nach dem 8. Mai ´45

Film „Töten auf tschechische Art“

Die erste Maiwoche steht jedes Jahr im Zeichen der Gedenkfeiern zum Ende des Zweiten Weltkrieges, zum Prager Aufstand gegen die deutschen Besatzer. Am Donnerstagabend wird im Tschechischen Fernsehen eine Dokumentation laufen, welche die andere, die grausame Seite der Befreiung zeigen will. „Töten auf tschechische Art“ heißt der Film und erinnert an Massenmorde an deutschen Zivilisten auf tschechischem Boden. Christian Rühmkorf hat vor der Ausstrahlung beim Macher des Films, David Vondráček, nachgefragt, was in der Dokumentation zu sehen sein wird.

David Vondráček  (Foto: www.ceskatelevize.cz)
Jiří Chmelíček steht ein oder zwei Tage nach dem offiziellen Kriegsende im Mai 1945 mit seiner Amateurkamera in der Prager Siedlung Bořislavka und filmt: Zu sehen ist eine lange Reihe von über 40 Männern in Zivilkleidung. Die meisten, aber nicht alle sollen Deutsche gewesen sein. Sie stehen am Straßenrand mit dem Rücken zur Kamera und fallen – wie zufällig ausgewählt – von Kugeln getroffen in den Graben. Anschließend zermalmt ein Lkw der Roten Armee die Körper. Diese Aufnahmen waren für die späteren kommunistischen Machthaber brandgefährlich. Chmelíček und schließlich seine Tochter Helena Dvořáčková versteckten sie sorgfältig. Er jetzt kommen sie an die Öffentlichkeit.

Film „Töten auf tschechische Art“
„Es gibt eigentlich keine Aufnahmen, die – quasi wie in einer Live-Übertragung – das Töten von Zivilisten zeigen. Aber hier ist es dem Amateurfilmer Chmelíček zufällig gelungen, diese Exekution festzuhalten“, sagt David Vondráček, der Regisseur der rund einstündigen Dokumentation „Töten auf tschechische Art“, die nun im Tschechischen Fernsehen gezeigt wird.

Gerade an diesem Titel entzündet sich aber noch vor der Ausstrahlung eine hitzige Debatte. Regisseur Vondráček:

Film „Töten auf tschechische Art“
„Nach Ansicht von Historikern schießen hier tschechische Revolutionsgarden und selbsternannte Hurra-Partisanen. Und dann überrollt ein sowjetischer Soldat – wahrscheinlich in sadistischer Lust – mit einem Lkw die zum Teil noch lebenden Menschen.“

Der Militärhistoriker Eduard Stehlík hält dem entgegen: „Es sind eindeutig Angehörige der Roten Armee, die hier eine Gruppe von Zivilisten hinrichten.“

Eduard Stehlík
Diejenigen Tschechen, die vor allem auf dem Lande deutsche Zivilisten hingerichtet hätten, seien oftmals Kollaborateure gewesen, die durch ihr brutales Vorgehen beweisen wollten, auf der richtigen Seite zu stehen, so Stehlík.

Der Film „Töten auf tschechische Art“ – und das rechtfertigt nach Ansicht des Regisseurs Vondráček den Titel, dokumentiert auch andere Massentötungen, an denen Tschechen nach Kriegsende beteiligt waren. Eines der bekanntesten Beispiele ist der Massenmord an deutschen Zivilisten im nordböhmischen Postoloprty / Postelberg. Über 760 Männer zwischen 15 und 60 Jahren wurden hingerichtet. Vondráček stellt Postelberg und weitere tschechische Massenmorde an deutschen Zivilisten in einen größeren Kontext:

Massenmord an deutschen Zivilisten im nordböhmischen Postoloprty nach dem 2. Weltkrieg
„Die Toten von Postelberg sind Teil des größten Massenmordes zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und den Ereignissen im bosnischen Srebrenica 1995.“

Vondráček hofft, dass viele Fernsehzuschauer den Film und die Ereignisse schon ohne ideologische Augenklappen bewerten können. Aber:

„Sicher wird ein Teil der tschechischen Öffentlichkeit diese Tatsachen nicht wahrhaben wollen. Ich meine, diese Phase der Selbstreflexion über die Ereignisse nach dem Zweiten Weltkrieg steht erst an ihrem Anfang.“