Schneeflocke, Astrolab und Raumfahrt: Johannes-Kepler-Museum eröffnet

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Kaiser Rudolf II. war nicht nur ein großzügiger Mäzen von Künstlern, sondern unterstützte auch mehrere hervorragende Gelehrte seiner Zeit. An seinem Hof in Prag traf die damalige wissenschaftliche Elite Europas zusammen. Zwölf Jahre hatte auch der berühmte Astronom, Astrologe und Mathematiker Johannes Kepler in Prag gewirkt. Vor genau 400 Jahren gab er hier die Schrift „Astronomia nova“ heraus. Darin wurden die ersten zwei Keplerschen Gesetze der Planetenbewegung veröffentlicht. Dort, wo der Gelehrte vor 400 Jahren in Prag wohnte, wurde am vergangenen Dienstag ein Johannes-Kepler-Museum eröffnet.

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Die schmale Straße Karlova, die von der Karlsbrücke Richtung Altstädter Ring führt, ist keine ruhige Gasse. Massen von Touristen strömen hier fast ununterbrochen in den beiden Richtungen. Die rechte Seite der Karlova säumen Souvenirläden, im Haus Nr. 4 öffnet sich jedoch eine Passage, die über einen stillen Hof in die unauffällige und von Touristen noch nicht entdeckte Annenská-Straße führt. Aus dem Hof kann man das momentan neueste Museum Prags betreten. Auf dem verglasten Eingang sieht man das vereinfachte Portrait Johannes Keplers, das viele aus Schulbüchern kennen. Das Logo des Museums, das man über dem Eingang nicht übersehen kann, besteht aus drei Kreisen. Später sollte ich erfahren, dass sie den Mars, die Erde und die Sonne symbolisieren –also die Himmelskörper, mit deren gegenseitiger Lage sich Johannes Kepler in Prag befasst hatte. Der Komponist John Dowland war Keplers Zeitgenosse, mit seinem Lied „What poor astronomers are they“ wurde das Prager Museum eröffnet.

Astrophysiker Jiří Grygar  (Foto: Autorin)
Zu den zahlreichen Interessierten, die zur Eröffnung des Museums gekommen waren, sprach der Astrophysiker Jiří Grygar. Erst 1957, als der erste künstliche Satellit der Erde auf die Umlaufbahn startete, seien die Keplerschen Gesetze auch in der Raumfahrt zur Geltung gekommen, so Grygar:

„Johannes Kepler würde sich bestimmt wundern, dass seine theoretischen Forschungen eine sehr praktische Anwendung finden. Denn die Raumfahrt hat die Menschheit bereichert – im materiellen sowie philosophischen Sinne des Wortes.“

Alena Šolcová leitet die historische Abteilung der Tschechischen Astronomischen Gesellschaft. Über Kepler hat sie ein Buch geschrieben. Sie war die Initiatorin des Kepler-Museums in Prag. Kepler-Museen habe es, so Šolcová, bisher nur im Geburtsort des namhaften Astronomen, Weil der Stadt, gegeben, außerdem in Regensburg und in Graz.

„Nach Graz kam Kepler nach seinem Studium in Tübingen. Wie hier im Museum dargestellt wird, wirkte er dort als Mathematik-, Ethik- und Geschichtslehrer. Er war zudem der Landesmathematiker. In Graz schrieb er sein erstes Werk zur Astronomie – das ´Mysterium cosmographicum´. Er beschrieb das Kopernikanische Planetensystem. Als sich die Gegenreformation in der Steiermark verbreitete, war Kepler gezwungen Graz zu verlassen. Er nutzte das Angebot des Astronomen Tycho de Brahe und zog nach Prag. Hier verbrachte er 12 Jahre – von 1600 bis 1612. “

Fontäne von Zdeněk Kolářský  (Foto: Autorin)
An die Anfänge der Zusammenarbeit des jungen Kepler mit Tycho de Brahe erinnern heutzutage Skulpturen in Prag – Pohořelec, unweit der Prager Burg. Dort hat Kepler mit seiner Familie kurz gewohnt. Eine Gedenktafel beim Eingang in das Kepler-Gymnasium in der Straße Parléřova macht darauf aufmerksam, dass dort einst das Curtius-Haus stand. Das Haus kaufte Rudolf II. für Tycho de Brahe, seine Familie und seine Mitarbeiter. Das Gebäude wurde beim Bau der Stadtbefestigung im 17. Jahrhundert abgerissen. Seine Fundamente wurden im 20. Jahrhundert gefunden, als dort das Gebäude des heutigen Gymnasiums erbaut wurde.

Keplers Zusammenarbeit mit Brahe dauerte jedoch nicht lange. Tycho de Brahe starb 1601. Zwei Tage nach dessen Tod besuchte Hofrat Barvitius Kepler. Er teilte ihm mit, dass er zum kaiserlichen Mathematiker ernannt wurde.

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Im Haus Nr. 177/4 in der Straße Karlova unweit des Altstädter Brückenturms lebte Kepler mit seiner Familie in den Jahren 1607 bis 1612 als Mieter des Kaufmanns Udart. Im Hof des Hauses steht seit 2001 eine Fontäne mit einer Erdkugelskulptur von Zdeněk Kolářský. Gegenüber der Fontäne befindet sich das neue Kepler-Museum. Neben den Info-Tafeln mit Texten in Tschechisch und Englisch kann man dort auf einigen Displays einzigartige Darstellungen beobachten:

„Hier sieht man sehr genau, was für Vorstellungen über Planetensysteme es vor Kepler gab: das System von Ptolemaios, das Kopernikanische sowie Tycho de Brahes System. Die Keplerschen Gesetze werden hier anschaulich erläutert. Eine weitere Darstellung zeigt, wie sich eine Schneeflocke entwickelt. Beim Spaziergang über die Karlsbrücke soll Kepler 1611 die fallenden Schneeflocken beobachtet haben. Dies inspirierte ihn wahrscheinlich zu seinem Werk über die Kristallographie ´Vom sechseckigen Schnee´. Auf einem Bild findet man hier die Supernova, die Kepler 1604 gemeinsam mit seinem Studenten Brunovský im Garten des St. Wenzel-Kollegs beobachtete. Bei den Beobachtungen aus dem Holzturm war damals auch der Rektor der Universität, Martin Bacháček von Nauměřice, mit dabei, ein guter Freund von Kepler.“

Neben den verschiedenen sich bewegenden Exponaten und Darstellungen zieht ein riesengroßer Stich die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Es ist eine Vergrößerung des Titelblatts der Rudolfinischen Tafeln. Die Arbeit an den Tafeln fing Kepler 1601 mit Tycho de Brahe an. Kepler arbeitete an den Tafeln jedoch 27 Jahre lang. Er habe sie erst 1627 in Ulm zu Ende geschrieben, sagt Alena Šolcová:

„Kepler kam 1628 nach Prag, um die Tafeln dem Kaiser zu überreichen. Damals herrschte schon Ferdinand II.. Die Säulen auf dem Titelblatt sollten die Qualität der Wissenschaft symbolisieren. Interessant auf dem Stich sind Geräte, die die Astronomen damals benutzt haben: die Armilarsphäre, der Globus, das Truiquetrum, das Kopernikus sehr oft benutzte. Dieses Instrument heißt Astrolab, und man findet es auch auf der Prager astronomischen Uhr. Hier sieht man Tycho de Brahes Sextant.“

Rudolfinische Tafel  (Foto: Autorin)
Das Titelbild der Rudolfnischen Tafeln zeugt auch davon, dass Kepler Sinn für Humor und Ironie hatte. Ganz oben über dem Tempel der Wissenschaften fliegt ein kaiserlicher Adler, der Gulden hinunter streut und Kepler schaut, ob auch auf seinen Tisch eventuell einige runterfallen. Die zwölf Jahre im Dienst von Rudolf II. waren für Kepler der wichtigste Lebensabschnitt. Er gab in Prag mehr als 30 Arbeiten heraus. In Prag erlebte er aber auch traurige Zeiten. 1611 starben sein Sohn Friedrich und seine Frau Barbara. Sie wurden beide in der St. Ägidius-Kirche in der Altstadt bestattet. Als Rudolf II. 1612 starb, hatte Kepler keinen Grund mehr, in Prag weiter zu bleiben.

Das Lied über den Fall eines Meteoriten bei Odrance im Jahre 1619 erklang auch im Kepler-Museum am vergangenen Dienstag. Das Museum, das im Rahmen des Internationalen Jahres der Astronomie errichtet wurde, ist außer Montags täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Johannes Kepler ist nach Prag auf Einladung des dänischen Astronomen Tycho de Brahe gekommen. Mit Brahe begann Kepler an den Rudolfinischen Tafeln zu arbeiten. Tycho de Brahe ist jedoch bald danach gestorben. Falls Sie wissen, in welcher der Prager Kirchen der dänische Astronom bestattet wurde, können Sie es uns schreiben, denn so lautet die heutige Quizfrage, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können. Ihre Zuschriften richten Sie bitte an Radio Prag, Vinohradská 12, PLZ 120 99 Prag 2.

Die richtige Antwort auf die Quizfrage vom Juni lautet: Der gesuchte Přemyslidenfürst hieß Bořivoj. Ein Buch über Prag geht diesmal an Bernhard Wittek aus Stetten.