Das Phänomen des tschechischen Kubismus, das seine Vertreter im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts auf alle Kunstbereiche übertrugen, hat in Prag seit Kurzem ein eigenes Museum. Bei dessen Eröffnung war auch unsere freie Mitarbeiterin Lucie Drahonovska:
Die Zeltnergasse, auf Tschechisch "Celetna ulice", gehört mit ihren einfühlsam restaurierten Barock- und Rokokohäusern zu den prachtvollsten Prager Gassen. Eines der stilvollen Bauten der Celetna sticht durch seine Architektur jedoch besonders hervor: Es ist das Haus "U Cerne Matky bozi", auf Deutsch "Zur Schwarzen Muttergottes", gelegen an der Ecke zum Obstmarkt. Das vierstöckige Gebäude, von dem prominenten Architekten Josef Gocar 1911/12 als Kaufhaus entworfen, repräsentiert mit seiner Stahlskelett-Konstruktion und dem nüchtern-funktionalistischen Stil die moderne Architektur in Prag zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Seinen Namen, "Zur schwarzen Muttergottes", trägt das Gebäude nach der Marienfigur an seiner Fassade, die bis heute die einst frühbarocke Hausecke ziert.
Emila Filla: Raucher (Foto: CTK)
Wer sich über die Entwicklung des tschechischen Kubismus eine genauere Übersicht machen möchte, der musste sich bis jetzt mit einer kleinen Kubismus-Exposition begnügen. Doch am vergangenen Donnerstag hat hier die Prager Nationalgalerie das neue Museum des tschechischen Kubismus eröffnet. Der bedeutenden tschechischen Avantgarde von 1910 bis 1919, angeführt von herausragenden Persönlichkeiten wie Gocar, Gutfreund, Filla, Spala oder Josef Capek, werden nun gleich zwei Etagen des Hauses gewidmet. Zahlreiche Kollektionen von Bildern und Plastiken führender Kubisten ergänzen charakteristische eckige Möbelstücke, Porzellan- und Glasgegenstände sowie eine ausführliche Dokumentation.
Otto Gutfreund: Angst (Foto: CTK)
Über die Beweggründe, das Museum des tschechischen Kubismus zu initiieren, sowie über den Beitrag des tschechischen Kubismus für die europäische Kunst sagte der Direktor der Nationalgalerie und gleichzeitig der Initiator des Projekts, Milan Knizak Folgendes:
"Der tschechische Kubismus war etwas sehr Spezielles, das nur innerhalb der böhmischen Länder stattgefunden hat. Denn die tschechischen Kubisten haben den Kubismus als einen umfassenden Stil entwickelt, den sie auf alle Kunstbereiche übertragen haben - das bedeutet, dass sie nicht nur Bilder und Statuen entworfen haben, sondern dass sie sich auch in weiteren Kunstbereichen betätigten - sie kreierten Möbel, Häuser sowie kunstgewerbliche Gegenstände aus Porzellan oder Glas. Und das noch vor dem ersten Weltkrieg. Der tschechische Kubismus bedeutet für unsere Geschichte eine große Periode, und das auch im europäischen Kontext. Und das möchten wir mit unserem Museum dokumentieren."
Treppe im Haus U Cerne Matky bozi (Foto: CTK)
In die erste Etage des Museums soll auch das Gesellschaftsleben zurückkehren: man will ein Café wieder eröffnen, wie es dort bereits bis zum Jahr 1945 gewesen ist. Laufende Ausstellungen, Begleitprogramme und weitere Aktivitäten des Museums werden in Zukunft für die letzte Etage des äußerst markanten Hauses "Zur schwarzen Muttergottes" geplant.
Alle weiteren Informationen dazu finden sich unter www.ngprague.cz.