Streifzug durch die Architektur: Bank der Legionen

Bank der Legionen

Anlässlich der Feiern zur tschechoslowakischen Staatsgründung vor 100 Jahren haben wir im vergangenen Spätsommer und Herbst zehn Bauwerke vorgestellt. Diese Serie haben wir nun für unseren Internetauftritt auch in Schriftform gebracht. In dieser Woche beginnen wir mit der Bank der tschechoslowakischen Legionen in Prag, die 1921 bis 1923 entstand.

Bank der Legionen | Foto:  Ondřej Tomšů,  Radio Prague International

Vladimír Šlapeta  (Foto: Ondřej Tomšů)
Nach der Gründung des eigenständigen tschechoslowakischen Staates im Jahr 1918 wurde nach identitätsstiftenden Symbolen gesucht. Diese sollten auch materieller Natur sein. Der damals gefeierte Architekt Josef Gočár schuf einen neuen Stil. Dieser nannte sich Rondokubismus oder nationaler dekorativistischer Stil. Vladimír Šlapeta ist Kunsthistoriker:

„Der Rondokubismus baut in gewisser Weise auf dem Kubismus aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg auf. Dieser war eine Reaktion auf die rationalistische Epoche gewesen. Die Kubisten sagten, man müsse den reinen Zweck überwinden. Die Architektur habe die zeitlose Bestimmung zur großen Form. Diese formale Seite betonten sie und brachten diese hinüber in die Zeit des Rondokubismus nach dem Ersten Weltkrieg. Es war eine Kombination kubistischer und gebogener Formen. Ich würde sagen, dass er sich durch mächtige Formen sowohl an den Fassaden als auch im Inneren der Gebäude ausgezeichnet hat. Das sollte unter anderem für die Identität des neuen Staates stehen.“

Kubistische und gebogene Formen

Bank der Legionen  (Foto: VitVit,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)
Der Rondokobismus war nur kurze Zeit in Mode – bis in die Mitte der 1920er Jahre. Das bedeutendste Gebäude dieses Stils steht im Prager Stadtzentrum an der Straße Na Poříčí. Es ist die Bank der tschechoslowakischen Legionen oder auf Tschechisch: Legiobanka. Heute wird das Gebäude meist Palace Archa genannt.

„Bei der Gestaltung der Fassade arbeitete Architekt Gočár mit zwei der bedeutendsten tschechischen Bildhauer zusammen: Jan Štursa und Otto Gutfreund. Die Kapitele hier stammen von Štursa. Sie bilden die wichtigsten Schlachtfelder ab, auf denen Tschechische Legionen gekämpft haben. So zum Beispiel Zborov in der heutigen Ukraine und Vouziers in den Ardennen. Darüber befindet sich ein frühes erstes Werk von Otto Gutfreund. Es zeigt die Rückkehr der Legionäre in die Heimat und ihre aktive Einbindung in die Gesellschaft. Die Fassade ist reich verziert mit Halbsäulen, die sich von ganz oben nach unten durchziehen.“

In der Ersten Republik diente das Gebäude der neu gegründeten Bank der tschechoslowakischen Legion. Die Kreditanstalt war wirtschaftlich sehr erfolgreich, und in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre konnte man es sich erlauben, auch noch ein Haus daneben bauen zu lassen. Dieses entstand im funktionalistischen Stil.

Legiobanka | Foto: Ondřej Tomšů,  Radio Prague International
Nach der Samtenen Revolution von 1989 übernahm die tschechoslowakische Handelsbank ČSOB den Komplex und ließ ihn restaurieren. Dabei wurden auch die Räumlichkeiten im Keller erneuert. So entstand einer der modernsten tschechischen Theatersäle, das Divadlo Archa. Doch die größte Aufmerksamkeit im Inneren des Gebäudes weckt die große Halle. Kunsthistoriker Šlapeta:

„Die Halle ist bei einer Bank der wichtigste Raum. Das spiegelt sich in diesem Gebäude sowohl in den Maßen, als auch in dem verarbeiteten Material und der Ausschmückung. Josef Gočár hat sich in seinen Arbeiten vor dem Krieg immer um die Schaffung eines Gesamtkunstwerkes bemüht. Das bdeutete ein komplexes Werk, das neben der Architektur auch die Bildhauerei, dekorative Künste und die Malerei umfasste. Auf diese Weise wurde der Raum geprägt. Deswegen bat er seinen Kollegen von der Prager Kunstgewerbe Hochschule František Kysela um Mithilfe. Er war der damals wichtigste Designer und Grafiker. Er hatte also in diesen Bereichen eine Stellung inne wie Gočár unter den Architekten. Kysela schmückte also die Halle aus, und das in kongenialer Weise zum architektonischen Teil. Interessant ist, dass die Halle zum einen sehr sachdienlich gestaltet ist, aber auf der anderen Seite eine Monumentalität und Würde hat, wie sie sich für Bank geziemt.“

Foto: VitVit,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0
Anders als die Fassade ist die Halle für die Öffentlichkeit nicht so einfach einzusehen. Ab und zu werden sie und weitere Räumlichkeiten des Palais Archa aber doch für Interessierte geöffnet.

„Zum Gesamtkunstwerk gehörte, dass Gočár alles entworfen hat, bis zum letzten Aschenbecher. Deswegen sind die Kunsthistoriker froh, dass wenigstens ein Teil der Originalmöbel erhalten geblieben ist. Das sind die Sessel im Salon, der sich im ersten Stock befindet, und in der Halle. Würden diese Möbel ausgetauscht, dann ginge die ursprüngliche Atmosphäre verloren“, so Vladimír Šlapeta.

Rondokubistisches Gesamtkunstwerk

Josef Gočár hat übrigens in jeder Kunstepoche hervorragende Werke hinterlassen. Er schuf zum Beispiel auch den bekanntesten kubistischen Bau in Prag, das „Haus zur Schwarzen Mutter Gottes“. Im funktionalistischen Stil entwarf er die Kirche zum heiligen Wenzel im Prager Stadtteil Vršovice. Darüber hinaus war Gočár urbanistisch tätig und konzipierte ganze Viertel. So etwa in Hradec Králové / Königgrätz und Pardubice in Ostbömen. Deshalb sagt der Kunsthistoriker Šlapeta:

Foto: Jose Mesa,  Flickr,  CC BY 2.0
„Josef Gočár war sicher eines der größten Talente der tschechischen Architektur. Seine Schüler an der Akademie der bildenden Künste haben sich noch später an seine unnachahmliche Art erinnert. Seinen Eleven sah er zunächst immer schweigend bei ihrer Arbeit zu. Dann zog er unvermittelt einen Bleistiftstummel aus der Hosentasche. An einer Ecke des Entwurfs skizzierte er dann seine eigenen Vorstellungen. Fast immer trafen sie den Nagel auf den Kopf. Dieses Gespür für die richtige Lösung vermittelt auch die Bank der tschechoslowakischen Legionen. Außen ist es die Wucht der Fassade an der Straße Na Poříčí und innen, wie Gočár das Monumentale ins Treppenhaus verlängert hat, wie die Details erarbeitet sind. Dabei schaffte er es gleichzeitig, dem Gebäude durch satte Farben auch Optimismus und Fröhlichkeit zu schenken – und das brauchte es hierzulande damals sehr.“

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Autor: Till Janzer
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