Schuldenmachen ist bei Tschechen beliebt
Von Jitka Mladkova.
Mit der politischen Wende 1989 hat in der damaligen Tschechoslowakei der Transformationsprozess begonnen, von dem faktisch alle Bereiche betroffen waren und immer noch betroffen sind. Nicht überall verlief der Prozess reibungslos, vieles musste man zunächst lernen, bevor es umgesetzt werden konnte, und das Lernen hat bekanntlich kein Ende. Was die Tschechen auch lernen mussten und offensichtlich auch lernen wollen, ist ein Leben mit Schulden. Anders gesagt, Schulden haben ist zum Bestandteil des Lebens der überwiegenden Mehrheit der Tschechen geworden, Tendenz steigend. Statistischen Angaben zufolge entfällt auf jeden tschechischen Haushalt ein Kredit in Höhe von 30 Tausend Kronen, etwa 1000 Euro. Besonders in den letzten zwei Jahren ist die Verschuldung tschechischer Haushalte sprunghaft angestiegen. Ende des Jahres 1999 schuldeten die Tschechen ihren Hauptgläubigern, also den Banken, 76 Milliarden Kronen, 2001 waren es schon 111 Milliarden. Die Lust auf einen Kredit wird eben auch von Seiten der Bankhäuser selbst gefördert, indem sie schon seit einiger Zeit bei Krediten, die nicht eine Millionenhöhe erreichen, auf die Bürgschaftspflicht verzichten. Allein in den fünf größten Bankhäusern hat sich die Kreditaufnahme in den letzten zwei Jahren mit insgesamt 1,5 Millionen Verträgen um 220 Prozent erhöht. In der zunehmenden Verschuldung der Haushalte sehen Bankexperten keine besondere Gefahr. Die Durchschnittslöhne steigen an und auch die Wirtschaft verzeichnet trotz des etwas verlangsamten Wachstumstempos rote Zahlen. Positiv sind auch die Entwicklungsprognosen. Doch nicht nur bei den Banken machen die Tschechen ihre Schulden, sondern auch bei verschiedensten Leasing-Gesellschaften oder aber auch bei auf der Basis des Ratensystems arbeitenden Verkäufern. So wird z. Beispiel der Warenankauf auf Raten von jedem dritten Tschechen genutzt. In beiden Bereichen erreichen die Kredite Milliardenhöhe.
Doch nicht nur Schuldenmachen haben die Tschechen gelernt. Ohne Probleme haben sie nach Meinung zahlreicher Experten auch andere Gepflogenheiten übernommen, die eher in der angelsächsischen Welt verwurzelt sind. Dafür spricht die Beliebtheit der Zahlungskarten, der Super- bzw. Hypermärkte und deren Nonstop-Öffnungszeiten und und und. Dies gelte, so die Meinung von Josef Kovalovsky, Finanzexperte der Ceskoslovenska obchodni banka, als eine Ausnahme in der mitteleuropäischen Kultur.