Schwejk, Surrealismus und die Symphoniker
Auch im Hochsommer finden Freunde der tschechischen Kultur spannende Anlaufstellen. In Graz und der Oberpfalz locken musikalische Highlights, und in Dornbirn wird die Arbeit des tschechischen Surrealisten Jan Švankmajer vorgestellt.
Schwejk und Dvořák in Graz
Dvořák und Schwejk – in ein und derselben Veranstaltung. Das lässt sich bei den steirischen Festspiele „Styriarte“ in Graz erleben. Dabei wird Jaroslav Hašeks Geschichte vom „braven Soldaten Schwejk“ von schwärmerischer Dvořák-Musik begleitet. Es liest der österreichischen Schauspieler Heinz Marecek. Intendant des Festivals ist Mathis Huber.„Hier wird die Geschichte Schwejk erzählt und von seiner Methode durch seinen besonderen, merkwürdigen Humor die Unterdrückung durch das k. u. k. Regime im Ersten Weltkrieg aufzuheben. Damit zeigt er, wie das Lachen die Möglichkeit bietet, sich aus einer unangenehmen Situation zu befreien.“
Die Geschichte um den braven Soldaten Schwejk stellt damit eine Facette des diesjährigen Themas „und lachte“ dar. Denn die klassische Musik war und ist nicht immer ernsthaft, auch wenn sie sich gerne E-Musik nennt. Und diese Befreiung, die auch das Lachen bewirken kann, spiegelt sich sogar in der Musik wider.„Es ist eigentlich klar, dass Dvořák, indem er eine tschechische Nationalmusik geformt hat ˗ so wie auch Smetana ˗ eine Basis geschaffen hat zur Autonomie der tschechischen Nation. Insofern ist die Arbeit von Dvořák generell eine Arbeit der Befreiung, aber nicht durch das Lachen, sondern durch die Kunst.“
Und nebenbei ist diese Befreiung in der Kunst bei Dvořák nebenbei auch noch ein sinnlicher Genuss, und zwar auf allerhöchstem musikalischem Niveau.„Wir lassen tolle, heitere, humorvolle Dvořák-Musik, also ein Klaviertrio, Slawische Tänze, Humoresken für Klavier, die Mährischen Duette in diese Erzählung einfließen. Das wird ein schöner Abend mit einer ansonsten ganz tschechischen Besetzung. Es gibt ein tschechisches Klaviertrio, das Dvořák-Trio aus Prag, und es gibt zwei fantastische Sängerinnen, Simona Šaturová und Markéta Cukrová. Sie werden die Mährischen Duette singen. “
Die „Styriarte“ feiert in diesem Jahr dreißigjähriges Bestehen. Sie wurde 1985, dem Grazer Dirigenten Nikolaus Harnoncourt zu Ehren gegründet. Fünf Jahre später übernahm Mathis Huber die Leitung der Festspiele. Er weiß um den hohen künstlerischen Anspruch seines Publikums.„Es ist ein Publikum, das hoch interessiert ist an der Musik. Es ist also kein Festival, das eine primär gesellschaftliche Bedeutung hat, sondern ein richtiges Kunstfestival, in dem ein Publikum sitzt, das ziemlich viel von Musik versteht, das gut hört und das die Musik liebt.“
Wurzer Sommerkonzerte in der Oberpfalz
Auch im oberpfälzischen Wurz kommen ab Ende Juli Musikbegeisterte auf Ihre Kosten: Rita Kielhorn rief die „Wurzer Sommerkonzerte“ noch zu Zeiten des Eisernen Vorhangs ins Leben. Heute sind die Konzerte zu einem richtigen Festival herangewachsen.
„Mein Ziel war immer, eine Brücke zu bauen nach Osteuropa, um die Vorurteile abzubauen und über die Musik eine gewisse Verständigung, eine gewisse Akzeptanz und Toleranz für das Andere, für das Fremde zu finden. Das Ganze war für mich auch eine politische Aussage. Ich wollte, dass es mittelfristig zu einem vereinten Europa kommt. Das wollte ich schon als Studentin. “Und die interkulturelle Verständigung findet hier mit Spitzenmusikern statt. Das dürfte gleich bei dem Eröffnungskonzert der tschechischen Harfenistin Jana Bousková klar werden, die schon mit der Cellistenlegende Mstislaw Rostropowitsch gespielt hat. Jana Bousková gehört zur absoluten Weltklasse und ist schon mehrmals in Wurz aufgetreten.
„Weil ich mich eben immer darauf verlassen kann: Ein Konzert mit Jana Bousková wird ein ganz großer Erfolg sein. “
Das zweite Konzert tschechischer Künstler wird der Auftritt des Kammerorchesters Harmony Prague sein. Der Dirigent und der Konzertmeister der Prager Symphoniker leiten dieses Projekt.„Harmony Prague ist sozusagen auch ein Botschafter der tschechischen Musik. Mir ist wichtig, dass sowohl das Oberpfälzer Publikum wie auch das deutsche Publikum im Allgemeinen nicht nur die tschechischen Komponisten, sondern auch die tschechischen Interpreten kennenlernen. “
Ein wichtiger Botschafter der tschechischen Musik war auch der vor vier Jahren verstorbene Geiger Josef Suk. Mit ihm zusammen gespielt hat das nach ihm benannte Josef Suk Ensemble, bei dem in diesem Jahr Stücke aus Spätbarock und Frühklassik auf dem Programm stehen. Enden wird die Konzertreihe mit dem Prager Blechbläser Ensemble.„Die Oberpfalz grenzt ja an Tschechien und die musikalischen Vorlieben sind ähnlich. Und die Blasmusik spielt eine ganz große Rolle. “
In diesem Jahr ist das Programm der Prager Blechbläser nicht vorher schon festgelegt. Das Publikum wird die Titel erst während des Konzerts aus einem Hut ziehen, verkündet die die Organisatorin Rita Kielhorn. Sie erinnert sich auch noch an ihre ersten böhmischen Gäste.„Das erste Konzert mit Musikern aus der damaligen Tschechoslowakei war das Moyzes Quartett. Die spielten schon 1989 in Wurz, noch vor der politischen Wende. Sie machten das Publikum mit Dvořák bekannt. Ich werde nie vergessen, welche Zitterpartie ich damals durchgestanden habe: Die Musiker trafen erst fünf Minuten vor Konzertbeginn ein. Am Vortag spielten sie in der Tschechoslowakischen Botschaft in Bonn. Sie hatten keine Vorstellung, wie weit Wurz von Bonn entfernt ist. Mit dieser Darstellung möchte ich verdeutlichen, dass wir uns jetzt inzwischen kennengelernt haben. Unmittelbar nach der politischen Wende waren wir uns noch völlig fremd. Und wäre sehr froh, wenn ich einen kleinen Beitrag leiste, um diese Fremdheit abzubauen und die Angst vor dem Fremden zu nehmen. “
Švankmajer-Ausstellung in Dornbirn
Im Vorarlberger Dornbirn wird in der kommenden Woche eine Ausstellung zu Jan Švankmajer eröffnet. Es handelt sich um eine Kooperation von Flatz-Museum und dem Kunstraum aus der Stadt. Gerald Matt ist Hauptkurator der Ausstellung.„Švankmajer erlangt seine Bedeutung in den 60er Jahren. Er ist 1934 geboren und erst Mitte, Ende der 60er Jahre der tschechischen Surrealisten-Gruppe um den Theoretiker Bratislav Eppenberger beigetreten. Allerdings hat er sich vorher schon sehr stark mit dem Puppentheater beschäftigt und auch an righdem berühmten Theater ‚Laterna magica‘ gearbeitet.“
Švankmajers Heimat Prag war das Zentrum der surrealistischen Bewegung in Tschechien. Schon der französische Surrealist André Breton bezeichnete die damalige Hauptstadt der Tschechoslowakei als „magisch“.„Zusammenfassend glaube ich, dass der Surrealismus in der damaligen Tschechoslowakei deswegen auch quasi eine verspätete Geburt und ein länger andauerndes, bis heute andauerndes Sein hatte, weil er in der Zeit des Kommunismus eine Möglichkeit der Subversion darstellte.“
1968 drehte Švankmajer den Film „The Garden“. Der Streifen ist beispielhaft für seine surrealistische Subversion der politischen Wirklichkeit.
„Es stellen sich da Menschen an einem absurd anmutenden Gartenzaun auf und formieren eigentlich eine Mauer. Das kann man ganz unterschiedlich interpretieren, bis hin zu einer Mauer, die diese bipolare Welt Westen-Osten, Kapitalismus-Kommunismus – oder um es etwas pathetisch zu formulieren, Diktatur und Demokratie – trennt. Andererseits ist in dem Film für mich auch ganz deutlich eine Art Aufruf vorhanden, diese Mauern aufzubrechen.“
Obwohl Švankmajer nie direkt das damalige kommunistische Regime kritisiert hat, erhielt er in den 1980er Jahren ein Berufsverbot. Sieben Jahre lang durfte er nicht mehr als Künstler in Erscheinung treten.„Es war schon ein Ausreizen der Grenzen des Systems. Seine Arbeit ist zwar nicht primär als Regimekritik angelegt. Gleichzeitig ist es natürlich schon ein Akt der Subversion, sich der Realität über diese Traumwelt zu entziehen. Und in Švankmajers relativ breiten Werk gibt es nun einmal auch einen Film wie ‚The Garden‘, der dann durchaus explizit politisch gelesen werden kann.“
Die Švankmajer-Ausstellung in Dornbirn wird am Donnerstag kommender Woche eröffnet.
Tanzprojekt in Köln
Auch an weiteren Orten in Österreich und Deutschland wird in den kommenden Wochen tschechische Kultur dargeboten. So arbeiten drei tschechische Theaterstudenten seit ein paar Tagen an der Kölner Tanzfaktur zur Bedeutung des Alleinseins. Das Projekt trägt den Titel „Ich bin allein ̸ Jsem sám“ und endet Ende Juli mit einer „Work in Progress“-Präsentation. Dvořák & Schwejk.SOAP am 25. Juli in der Helmut-List-Halle in Graz
Wurzer Sommerkonzerte vom 21. Juli bis 30. August im Historischen Pfarrhof Wurz, Open-Air
Jan Švankmajer. Filme und Objekte Eröffnung am 23. Juli um 18 Uhr im Flatz Museum und um 20 Uhr im Kunstraum Dornbirn
Weitere Informationen:
www.styriarte.com
www.wurzersommerkonzerte.de
www.kunstraumdornbirn.at
www.tanzfaktur.eu