Senats- und Kommunalwahlen in Tschechien - Gespräch mit dem Politologen Robert Schuster

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In Tschechien haben am Freitag zweitägige Senats- und Kommunalwahlen begonnen. Über die Bedeutung dieser Wahlen hat sich Silja Schultheis mit dem Politologen Robert Schuster unterhalten. Er erläutert zunächst, welche Funktion der Senat innerhalb des politischen Systems in Tschechien spielt.

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"Der Senat ist die zweite Kammer des tschechischen Parlaments. Er ist völlig gleichberechtigt mit dem Abgeordnetenhaus, der ersten Kammer - mit einem feinen Unterschied: Der Senat kann weder der Regierung das Misstrauen beziehungsweise das Vertrauen aussprechen noch kann er den Haushalt verabschieden. Diese beiden, vergleichsweise wichtigen Funktionen eines Parlaments sind den Senatoren verwehrt. Der Senat hat vor allem in den letzten Wochen und Monaten in Zusammenhang mit der langwierigen und letztlich doch erfolglosen Suche nach einer neuen tschechischen Regierung eine stabilisierende Rolle gespielt. Man hat gesehen, die Senatoren sind nicht unter diesem tagesaktuellen Druck sind wie die Abgeordneten."

Wie sieht es mit dem Kräfteverhältnis im Senat aus? Gibt es hier eine Parallele zum Abgeordnetenhaus oder gab es hier auch häufig einen Gegensatz - wie etwa zwischen Bundestag und Bundesrat?

"Es gibt in der Regel diesen Gegensatz. Das hängt auch damit zusammen, wie der Senat gewählt wird. Der Senat wird in kleinen Wahlkreisen gewählt und die Bürger erwarten, dass der Senator einer von ihnen ist. Ein wichtiger Unterschied zum Abgeordnetenhaus ist noch der, dass der Senat eigentlich parteipolitisch bunter ist als das Abgeordnetenhaus. Das ist eigentlich paradox, weil während das Abgeordnetenhaus nach Verhältniswahlrecht gewählt wird, der Senat nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt wird. Theoretisch müsste man meinen, vom Mehrheitswahlrecht profitieren immer die großen Parteien. Aber aufgrund der relativ niedrigen Wahlbeteiligung, die bei den Senatswahlen immer schon zu verzeichnen war, kann es passieren, dass Kandidaten von kleineren und regionalen Splitterparteien den Einzug ins Parlament schaffen, weil sie eine gute Wahlkampagne führen oder weil es sich um populäre Persönlichkeiten handelt. Und die werden dann gewählt."

Noch eine Frage zu den Kommunalwahlen, die ja jetzt gleichzeitig mit den Senatswahlen an diesem Wochenende stattfinden. Es gibt ja eigentlich in ganz Europa die Tendenz, dass Kommunalwahlen bei den Bürgern auf immer weniger Interesse stoßen. Ist das in Tschechien auch so?

"Das muss man abwarten, wie das Ergebnis im Einzelnen ausfällt. Die Prognosen gehen eher davon aus, dass das Interesse an den Kommunalwahlen hoch sein wird, vor allem in kleinen Gemeinden, wo alles relativ überschaubar ist. Und wo man relativ klar sagen kann, diese Politik des Bürgermeisters ist erfolgreich und diese Politik ist nicht erfolgreich. Und wo dann auch die Wähler selber wirklich motiviert sind, an den Wahlen teilzunehmen. Ich würde sagen, dass sich die Wähler bei diesen Kommunalwahlen wirklich von kommunalen Beweggründen leiten lassen. Das heißt, sie werden nicht Rücksicht auf die 'große' Politik nehmen."