Der letzte Urnengang des Superwahljahres ist zu Ende. Das politische Patt nicht.

Foto: CTK

Am Samstag ging in Tschechien die zweite Runde der Senatswahlen über die Bühne. Der letzte Urnengang des Superwahljahres 2006 brachte einen überzeugenden Sieg der konservativen Bürgerdemokraten. Welche Bedeutung dies nun für die Arbeit des Parlaments hat, und welche Folgen sich für die weiteren Bemühungen um die Regierungsbildung ergeben, darüber sprach Gerald Schubert mit dem Politologen und freien Mitarbeiter von Radio Prag, Robert Schuster.

Quelle: CTK
Die zweite Runde der Senatswahlen ist geschlagen. Alle zwei Jahre werden ja 27 Senatorensitze, das entspricht einem Drittel aller Sitze in der Oberen Parlamentskammer, neu vergeben. Die Demokratische Bürgerpartei (ODS) hat jetzt im Senat die absolute Mehrheit. Was bedeutet das für die Zusammensetzung des gesamten Parlaments, für Gesetzesbeschlüsse und für die Wahl des Präsidenten, die in etwa zwei Jahren ansteht?

"Natürlich könnte man meinen, dass sich das politische Leben des Landes quasi völlig neu strukturieren müsste, wenn eine Partei bei Wahlen die absolute Mehrheit an Sitzen erreicht. Aber man darf nicht vergessen, dass der Senat in der real existierenden Verfassung eine etwas untergeordnete Rolle spielt. Die erste politische Bühne ist das Abgeordnetenhaus. Alle wichtigen Gesetze, die vom Senat zurückgewiesen werden, können vom Abgeordnetenhaus noch einmal mit einer qualifizierten Mehrheit bestätigt werden. Das heißt, der Senat kann den Prozess der Gesetzgebung eigentlich nur aufhalten. Natürlich gibt es im Senat Juristen und andere sehr gute Experten, die die Gesetze mit ihren Änderungsvorschlägen schon in eine gewisse Bahn leiten können. Aber praktisch würde ich sagen, dass der Senat eine untergeordnete Rolle spielt."

Dennoch gibt es Bereiche, in denen der Senat gleichberechtigt mitentscheiden muss. Dazu gehört zum Beispiel die Wahl des Präsidenten. Hat der gegenwärtige Präsident Vaclav Klaus, der ja Ehrenvorsitzender der Demokratischen Bürgerpartei ist, jetzt größere Chancen, wieder gewählt zu werden?

"Sicher. Vaclav Klaus hat nach diesem Wahlwochenende sehr gute Karten. Allerdings muss man abwarten. Die Präsidentenwahlen finden erst in knapp zwei Jahren statt, und bis dahin kann sich sehr viel ändern. Wenn man sich die so genannte Präsidentenmehrheit aus Bürgerdemokraten und Christdemokraten ansieht, dann gibt es bei den Christdemokraten einen doch sehr starken Unsicherheitsfaktor. Man weiß nicht, wie diese Partei sich weiter entwickeln wird, und gerade jetzt macht sie eine relativ tiefe Krise durch. Da kann sich also noch sehr viel verändern. Ein sehr wichtiger Punkt dabei ist auch der Umstand, dass der Präsident geheim gewählt wird. Man hat ja schon beim letzten Mal, also im Jahr 2003 gesehen, dass diese geheimen Abstimmungen eine sehr starke Eigendynamik entwickeln können, so dass ein Kandidat wie Vaclav Klaus, der damals praktisch als chancenlos galt, letztendlich aufgrund seines Beharrungswillens gewählt wurde."

Tschechien hat zwar eine Regierung, doch die ist bei der Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus gescheitert. Das Land ist momentan wieder einmal auf der Suche nach einem Premierminister, nach einer neuen Regierung, nach einem Weg aus dem Patt. Was bedeutet diese Senatswahlen nun für die Regierungsbildung - obwohl sie damit unmittelbar ja eigentlich nichts zu tun hat?

"Unmittelbar ist der Senat an der Regierungsbildung tatsächlich nicht beteiligt, denn jede Regierung ist nur dem Abgeordnetenhaus verantwortlich. Aber aus dieser Senatswahl ging natürlich ein wichtiges Signal hervor - nämlich dass sich die Menschen mehrheitlich eine bürgerlich geführte Regierung wünschen. Ich denke, dass auch Präsident Vaclav Klaus das in seiner ersten Reaktion relativ klar geäußert hat, als er die Wahlen als eine sehr repräsentative Umfrage über den Wählerwillen in Tschechien bezeichnete. Und dieser sagt ganz eindeutig: Wir wünschen uns einen Bürgerdemokraten als Premierminister. Danach wird Klaus sich sicher richten."

Die erste Runde der Senatswahlen ist ja vor etwas mehr als einer Woche gemeinsam mit den Kommunalwahlen über die Bühne gegangen, die zweite Runde war jetzt für die Wähler offensichtlich weniger attraktiv. Nur etwa 20 Prozent sind zu den Urnen gekommen. Was bedeutet das für die Legitimität bzw. für das Image des Senats?

Foto: CTK
"Vielleicht muss man sagen, dass die Wahlbeteiligung bei Senatswahlen traditionell sehr gering ist. Das hängt damit zusammen, dass viele Bürger den Senat nicht akzeptieren. Dafür tragen sicherlich auch die beiden Großparteien, also die Bürgerdemokraten und die Sozialdemokraten, die Mitverantwortung, denn sie waren seinerzeit die heftigsten Gegner des Senats. Sie haben gemeint, dass man keine zweite Parlamentskammer braucht, und dass das Abgeordnetenhaus durchaus ausreicht. Die heutige Situation ist die Konsequenz daraus. Bei den Stichwahlen aber dümpelte die Wahlbeteiligung immer um die 20 Prozent herum. Dem Ansehen mag das zwar schaden, aber der Senat hat meiner Meinung nach in den vergangenen Jahren schon einige Male bewiesen, dass er einen festen Platz im tschechischen Verfassungssystem einnimmt."

Wie bereits gesagt: Die Regierungsbildung gestaltet sich außerordentlich schwierig. Dennoch fällt auf, dass man in außenpolitischer Hinsicht kaum von Problemen hört, und auch die Wirtschaft zeigt sich von dieser "politischen Instabilität" weitgehend unbeeindruckt. Der Kurs der Krone ist stark, und auch die Außenhandelsbilanz stimmt. Spielt eine vorübergehende "Regierungslosigkeit" für das Land tatsächlich eine so kleine Rolle, dass andere Bereiche des öffentlichen Lebens gar nicht wirklich darauf reagieren?

"Ich denke, diese paradoxe Situation ist nur vorübergehend. Sie besteht nur so lange, solange die Frage des Budgets nicht im Raum steht. Der Staatshaushalt ist ja immer das wichtigste Gesetz, das eine Regierung auf jeden Fall durchbringen muss, damit das Land existieren kann. Und wenn die Regierung keine eigene Mehrheit hat, dann ist sie natürlich auf die Opposition angewiesen und muss mit ihr einen Kompromiss schließen. Tschechien will in einigen Jahren der Eurozone beitreten und muss natürlich bestimmte Kriterien erfüllen. Wenn die Budgets bis dahin ohne stabile Mehrheit beschlossen werden, wenn jede Partei sich herauspicken kann, was sie will, wenn es also Budgets sind, die nicht den Maastricht-Kriterien entsprechen, dann wird es für das Land längerfristig schwierig."