Sicherheitsexperte: Flugverbotszone über humanitären Korridoren in Ukraine ist vorstellbar

Auf den Demonstrationen, bei denen in Tschechien gegen Russlands Angriff auf die Ukraine protestiert wird, erklingt immer wieder der Aufruf zur Einrichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine. Diese ist aus nachvollziehbaren Gründen nicht möglich. Dagegen wäre es Experten zufolge vorstellbar, ein Flugverbot über den humanitären Korridoren auszurufen. Auf diese Möglichkeit machten vor kurzem einige tschechische Parlamentarier aufmerksam.

„Schließt den Himmel“ | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Schließt den Himmel“, wurde bei den Demonstrationen in Prag gerufen. Sofia ist Ukrainerin und lebt schon länger in Tschechien. Sie hielt auf der Demo am vergangenen Freitag in Prag ein Transparent mit dem Aufruf zur Errichtung einer Flugverbotszone in der Hand.

„Ich habe Verwandte in verschiedenen Städten der Ukraine. Ein Teil der Familie lebt in Charkiw, das jetzt vernichtet ist, ein anderer Teil in Tschernihiw, das auch zerstört ist. Weitere Familienmitglieder leben in Kiew und einige in Cherson, das von der russischen Armee abgesperrt wurde. Zugang haben nicht einmal humanitäre Helfer oder das Rote Kreuz. Auf die Schule in Schytomyr ist eine Bombe abgeworfen worden. Das ist kein Krieg mehr, das ist Terrorismus. Wir brauchen Hilfe, damit keine Bomben und keine Raketen mehr fallen. Denn die Russen zielen auf Zivilpersonen.“

Ondřej Benešík | Foto: Alžběta Švarcová,  Tschechischer Rundfunk

Die Errichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine sei leider nicht möglich, sagt Martin Svárovský. Er arbeitete lange Jahre als Diplomat, derzeit leitet er das Zentrum für Sicherheitsstrategien im Think Tank „Evropské hodnoty“ (Europäische Werte). Zudem ist er Berater des Ausschussvorsitzenden für EU-Angelegenheiten im Abgeordnetenhaus, Ondřej Benešík (Christdemokraten). Im Interview mit Radio Prag International räumt Svárovský ein, er habe Verständnis für die Aufrufe der Ukrainer:

„Ich verstehe auch die Forderung von Präsident Selenskyj. Denn wir sehen, dass sich die ukrainische Armee auf dem Boden zwar mit den russischen Truppen zu helfen weiß. Aber in der Luft sind die Russen klar überlegen. Es wäre sicher möglich, eine eingeschränkte Flugverbotszone über den humanitären Korridoren einzurichten. Ein vollständiges Flugverbot über der Ukraine würde Angriffe auf die russische Raketenabwehr nach sich ziehen, und aus dem Grund ist es nicht möglich, diese einzurichten.“

Martin Svárovský | Foto:  Tschechischer Rundfunk

Eine beschränkte Flugverbotszone könnte dem Experten zufolge nahe der westlichen Grenze der Ukraine ausgerufen werden, wo bisher keine Kampfoperationen durchgeführt werden. Die Möglichkeit hat Martin Svárovský bereits in einem Artikel für die Wochenzeitung „Forum 24“ beschrieben. Über die Idee diskutieren inzwischen auch tschechische Parlamentarier.

Die Plattform „Stojíme za Ukrajinou“ (Wir stehen hinter der Ukraine) berief am vergangenen Sonntag eine Demonstration in Prag ein, um die Idee einer Flugverbotszone über den humanitären Korridoren zu unterstützen. Er sei froh, dass das Thema von einigen Initiativen aufgegriffen wird, sagt Martin Svárovský:

Illustrationsfoto:  OTAN,  Flickr,  CC BY-NC-ND 2.0

„Ich weiß, dass darüber auch in der Nato diskutiert wird. Aber vorläufig gibt es keine konkrete Vorlage. Meiner Ansicht nach würde es reichen, wenn sich daran nur eine beschränkte Zahl von Mitgliedern beteiligt – vier oder fünf Nato-Länder sowie zwei oder drei weitere Staaten, die keine Nato-Mitglieder sind. In einem solchen Fall könnte die Nato von Russland nicht als Teilnehmer des Konflikts betrachtet werden. Die Flugverbotszone über den humanitären Korridoren würde zum Schutz der Geflüchteten sowie der Konvois mit Hilfsgütern beitragen.“

An der eingeschränkten Flugverbotszone könnte sich auch Tschechien beteiligen, nämlich mit den Kampfjets Gripen und der Entsendung von Offizieren. Der Leitungsstab der Mission sollte sich laut Martin Svárovský in der Nähe der ukrainischen Grenze befinden. Der Experte weiß auch, welche Länder als Verbündete zur Unterstützung der Nato in Frage kämen:

Humanitärer Korridor in Irpin | Foto: Felipe Dana,  ČTK/AP Photo

„Es bieten sich Finnland und Schweden an – wegen der Kompatibilität ihrer Ausrüstung. Zudem haben sie schon Erfahrungen mit Militärmissionen. Eine weitere Möglichkeit wäre etwa Israel.“

Eine derartige Flugverbotszone über den humanitären Korridoren sollte möglichst bald errichtet werden, fordert Martin Svárovský. Nur so sei eine humanitäre Katastrophe in der Ukraine zu verhindern.