Slavia Prag im Viertelfinale der Europa League – aber viel Unschönes in Glasgow
Anders als Deutschland hat Tschechien noch einen Vertreter in der Europa League. Es ist Slavia Prag. Am Donnerstag sind die Rot-Weißen nach einem 2:0-Auswärtssieg bei den Glasgow Rangers das zweite Mal binnen drei Jahrgängen in das Viertelfinale der Europa League eingezogen.
Im altehrwürdigen Glasgower Ibrox Stadium, dort wo häufig bis zu 50.000 Zuschauer ihre Mannschaft feiern, jubelte am späten Donnerstagabend nur ein Knäuel sehr ausgelassener Slavia-Spieler. Und das völlig zu Recht. Wie schon eine Runde zuvor, im Duell mit dem englischen Premier-League-Team Leicester City, gewann der tschechische Meister auch diesmal mit 2:0 auf der britischen Insel. Nach dem 1:1 im Prager Hinspiel musste Slavia im Rückspiel liefern: Das hieß, mindestens ein Tor zu schießen und den harten Attacken der körperbetont spielenden Schotten zu trotzen. Das ist den Hauptstädtern famos gelungen, was auch Kapitän Jan Bořil mit Genugtuung quittierte:
„Das ist ein tolles Gefühl, wir sind begeistert. Wir sind mit der Einstellung in das Spiel gegangen, dass wir um jeden Preis weiterkommen wollen. Das haben wir vom Anpfiff weg gezeigt, und jetzt sind wir im Viertelfinale. Aber es war äußerst schwer, denn die Spieler der Rangers haben uns ziemlich oft getreten. Das war sehr unangenehm, doch wir haben uns dagegengestemmt und verdient gewonnen.“
Auf dem Weg zu ihrem Ziel verfolgten die Prager die Taktik, möglichst rasch das wichtige Auswärtstor zu erzielen. Das gelang ihnen, denn nach nur 14 Minuten köpfte der nigerianische Stürmer Peter Olayinka nach einer Flanke von Bořil zur 1:0-Führung ein. Für Trainer Jindřich Trpišovský war dies die erste Zäsur im Spiel:
„Natürlich hat uns das Tor sehr geholfen, vor allem in mentaler Hinsicht. Für den Gegner hat es aber die Lage erschwert.“
Und das war fortan zu spüren. Denn den Bonus des Auswärtstreffers in Prag hatten die Rangers damit aufgebraucht, und sie mussten nun einem Rückstand hinterlaufen. Weil ihnen dabei gegen kompakt verteidigende Prager nicht viel gelang, griffen sie zum Äußersten – sie brachten übertriebene Härte ins Spiel und überzogen in einigen Szenen das Foulspiel über alle Maßen. Ganz besonders aber in der 61. Minute, als der kurz zuvor eingewechselte Jamaikaner Kemar Roofe in Kung-Fu-Manier auf Slavia-Torhüter Ondřej Kolář losging und ihn mit offener Sohle voll im Gesicht traf. Die Folge: Kolář musste blutverschmiert vom Platz getragen werden, und Ersatztorwart Matyáš Vágner ging für ihn zwischen die Pfosten. Es war die Feuerprobe für den erst 18-jährigen Benjamin, und er bestand sie mit Bravour. Nach der Partie sagte er:
„Als ich von meiner Einwechslung erfuhr, haben mir etwas die Beine gezittert. Doch als ich dann auf den Platz lief, sagte ich mir: ‚Ich weiß, wie man Bälle hält, und wenn ich nichts verkompliziere, meistere ich die Aufgabe‘. Ab da bin ich cool geblieben.“
Kurz darauf traf der Rumäne Nicolae Stanciu mit einem tollen Freistoßtor zum 2:0, und Slavia brachte den Sieg souverän nach Hause. Das machte auch den ansonsten sehr anspruchsvollen Slavia-Trainer stolz:
„Es ist toll, dass wir binnen drei Spielzeiten das zweite Mal im Viertelfinale der Europa League stehen. Das ist ein riesiger Erfolg für einen tschechischen Club, und das wissen wir zu schätzen. Der Weg dorthin ist jedoch nicht einfach, es kostet viele Anstrengungen. Möglicherweise werden wir uns des Erfolgs erst später so richtig bewusst.“
Den ersten Moment des Glücksgefühls konnten Spieler, Trainer und Verantwortliche von Slavia Prag jedoch nach dem Abpfiff nicht völlig auskosten. Zu viel Unschönes hatte sich in den vorherigen Minuten auf dem Spielfeld ereignet. Nach der glatten Roten Karte für Roofe nach dem Tritt gegen Kolář sah auch noch Glasgows Verteidiger Leon Balogun die Gelb-Rote Karte für wiederholtes Foulspiel. Für diese Form der Spielführung zeigte der tschechische Altinternationale Günter Bittengel im Studio des Tschechischen Fernsehens kein Verständnis:
„Das Schönste an dem Spiel ist das Ergebnis. Ansonsten war es für den Betrachter eine Begegnung mit überzogener Härte. Und es sind Dinge auf dem Platz passiert, die nicht zu solch einem Wettbewerb gehören – auch wenn es um viel geht.“
Negativer Höhepunkt der Partie aber waren tumultartige Szenen kurz vor dem Abpfiff. Slavias Verteidiger Ondřej Kúdela soll den dunkelhäutigen Gegenspieler Glen Kamara rassistisch beleidigt haben, hieß es. Dem vorausgegangen war ein weiteres rüdes Foul an Slavia-Angreifer Jan Kuchta, gegen den am Boden liegend noch zweimal nachgetreten wurde. Kúdela bestätigte später, gegenüber Kamara unschöne Worte geäußert zu haben, den Vorwurf des Rassismus aber bestritt er vehement. Die Rangeleien setzten sich nach dem Abpfiff in den Katakomben des Stadions fort, wobei Kamara mit der Faust Kúdela ins Gesicht geschlagen haben soll. Letztlich musste Slavias Mannschaft unter Polizeischutz aus dem Stadion geleitet werden.
Doch im Viertelfinale fahren die Prager erneut auf die britische Insel, denn sie haben den FC Arsenal zum Gegner. Wie die Auslosung am Freitag in Nyon ergab, müssen sie am 8. April zunächst in London antreten. Das Rückspiel findet eine Woche später in Prag statt.