Slavia Prag – neues Aushängeschild des tschechischen Fußballs
Im tschechischen Fußball ist Slavia Prag momentan in aller Munde. Der Traditionsverein aus der Hauptstadt führt die Tabelle der heimischen Liga an, er schlägt sich wacker in der Europa League und stellt die meisten Spieler für die Nationalmannschaft ab. Über die Rolle Slavias und weitere Aspekte des hiesigen Fußballs hat Radio Prag mit dem ehemaligen Nationalspieler Vladimír Šmicer gesprochen.
„Ich bin bisher sehr zufrieden mit dem Stand in der ersten tschechischen Liga. Denn als ehemaliger Spieler und jetziger Fan von Slavia Prag freut es mich natürlich, dass mein Verein mit sieben Punkten Vorsprung die Tabelle anführt. Unser Hauptkonkurrent Pilsen spielt auch nicht schlecht, doch der Rückstand ist schon beträchtlich. Nach dem alten Modus könnte ich jetzt schon jubeln, doch in diesem Jahr kommt eine Finalrunde hinzu. Da kann noch einiges passieren, zumal Slavia auch noch in drei Wettbewerben vertreten ist – in der Liga, der Europa League und im nationalen Pokal. Das ist ein hartes Programm, doch mein Club hat dafür einen breiten Kader. Von daher glaube ich fest daran, dass Slavia die Konkurrenz in Schach hält und dieses Jahr den Titel gewinnt.“
Das sagte Vladimír Šmicer in einem Exklusivgespräch für Radio Prag. Da waren noch vier Spieltage in der Hauptrunde der sogenannten Fortuna:Liga zu spielen. Danach gewann Slavia sein vorletztes Auswärtsspiel beim Lokalrivalen Dukla Prag mit 5:1 und blickte dem nächsten Stadtderby entgegen – dem ultimativen Duell gegen den Erzrivalen Sparta Prag. Das endete 1:1, trotz deutlicher Feld- und Chancenvorteile für den gastgebenden Spitzenreiter. Eine nicht unbedeutende Rolle spielte allerdings auch Schiedsrichter Karel Hrubeš. Als Slavias Mittelfeldspieler Josef Hušbauer in der zwölften Minute nach einem Solo und einer Berührung durch Spartas Torwart Florin Nita im Strafraum zu Fall kam, pfiff er sofort Elfmeter. Doch der Strafstoß wurde nicht ausgeführt. Schiri Hrubeš:
„Mir wurde vom Videoschiedsrichter mitgeteilt, dass ich mir die Aufnahmen ansehen solle, die dazu vorlägen.“Das tat Hrubeš auch. Doch zur Verwunderung nahezu aller Zuschauer nahm der Referee seine Entscheidung zurück. Stattdessen zeigte er dem Gefoulten die Gelbe Karte wegen einer angeblichen Schwalbe. Doch dem Schiedsrichter wurden nur zwei Einstellungen zugespielt, die ihn zu diesem Schluss kommen ließen. Die dritte Aufnahme, die das Foul belegte, leitete der Videoschiedsrichter zu spät weiter. Pavel Franěk war der Mann am Bildschirm:
„Leider haben wir erst, als das Spiel bereits fortgesetzt wurde, auf dem Bildschirm jene Aufnahme gesehen, die bestätigt hat, dass wir falsch lagen.“
Vladimír Šmicer: „Das ist ein großer Erfolg für den tschechischen Fußball. Wenn ein Team wie Slavia den FC Sevilla ausschaltet, der in jüngster Vergangenheit die Europa League dreimal in Folge gewonnen hat, dann ist das schon etwas Außergewöhnliches.“
Das war beim Stand von 0:0. Acht Minuten später ging Slavia dennoch in Führung – durch einen Kopfball von Tomáš Souček. Referee Hrubeš aber räumte später ein:
„Ich muss zugeben, dass ich den Strafstoß hätte geben müssen. Doch erst nach dem Abpfiff wurde mir die Szene gezeigt, in der zu sehen ist, wie Hušbauer gefoult wurde.“
Viele Köche verderben den Brei, kann man da nur sagen. Josef Hušbauer hat jedoch für das Durcheinander kein Verständnis:
„Ein klarer Elfmeter. Ich wurde von Nita eindeutig am Bein getroffen, sonst wäre ich frei zum Abschluss gekommen. Warum das Foul nicht gepfiffen wurde, ist für mich eine Komödie – eigentlich ein Hohn auf den Fußball.“
Trotz dieser Fehler, die die Unparteiischen auf dem Rasen und vor dem Monitor bei der Auswertung der Fernsehbilder noch machen, plädiert Slavia-Ikone Vladimír Šmicer weiter für den Videobeweis:
„Natürlich denken viele Fußballinteressierte: Jetzt, wo wir den Videobeweis haben, werden die Spielsituationen deutlicher, und die Fehler in der Bewertung nehmen ab. Aber so ist es eben nicht. Manchmal erscheint die Videoaufnahme auch nur überaus anschaulich, und der Videoschiedsrichter greift folglich in das Spiel ein. Wir müssen daher jetzt genau die Grenze finden, wofür wir den Videobeweis zulassen sollten und wofür nicht.“Das Derby zwischen Slavia und Sparta Prag endete letztlich 1:1. Zum einen, weil der Serbe im Sparta-Trikot, Srdjan Plavšić, mit einem fulminanten Schuss noch zum Ausgleich traf. Und zum anderen, weil Schiedsrichter Hrubeš auch noch in einer zweiten elfmeterreifen Situation zuungunsten der Gastgeber entschied. Slavia-Trainer Jindřich Trpišovský sieht es dennoch gelassen:
„Ich spreche selten ein Lob aus, wenn wir nicht gewinnen. Die Leistung des Teams war jedoch perfekt, bis auf die Chancenverwertung. Deshalb haben wir nur einen Punkt geholt. Natürlich ärgern wir uns, dass wir das Derby vor eigener Kulisse nicht gewonnen haben. Wenn wir aber weiter so spielen wie heute, dann werden die Siege und die Punkte nicht ausbleiben.“Durch einen 2:1-Heimsieg über Baník Ostrau konnte Meister Viktoria Pilsen allerdings den Rückstand auf Slavia auf fünf Zähler verkürzen. Die Bierstädter profitierten dabei ebenfalls von einem schwachen Schiedsrichter. Dieser entschied gleich viermal irrtümlicherweise zugunsten der Westböhmen. Dazu gehörte auch die Szene vor dem 2:1-Siegtreffer, das Tor wurde von einem Pilsner vorbereitet, der zuvor im Abseits stand.
Der SK Slavia Prag tritt indes derzeit als Mannschaft und als Verein so gefestigt auf, dass ihn ein Punktverlust im Titelrennen nicht aus der Bahn wirft. Denn die Hauptstädter lösen in dieser Saison auch in der Europa League großes Erstaunen aus. Für internationales Aufsehen sorgte vor allem der 4:3-Heimsieg in der Verlängerung des Achtelfinalrückspiels gegen den FC Sevilla, der Erfolg bescherte den Pragern das Weiterkommen. Dazu sagte Šmicer:
„Das ist ein großer Erfolg für den tschechischen Fußball. Wenn ein Team wie Slavia den FC Sevilla ausschaltet, der in jüngster Vergangenheit die Europa League dreimal in Folge gewonnen hat, dann ist das schon etwas Außergewöhnliches. Erst recht, wenn man den Spielverlauf betrachtet. Da spielen wir in Sevilla und zu Hause nach 90 Minuten jeweils 2:2, so dass die Verlängerung entscheiden muss. Dann bekommen wir das Tor zum 2:3, und alle denken: Das war´s. Doch wir schießen noch zwei Tore und drehen so das Resultat zu unseren Gunsten. Das war ein Erlebnis!“Doch nicht nur das. Der Erfolg über die starken Spanier hat die Fußballfans von Slavia und in ganz Tschechien nach längerer Durststrecke wieder einmal in Euphorie versetzt. Und bei der Auslosung zum Viertelfinale wurde den Pragern auch noch der Wunsch nach einem Gegner aus England erfüllt. Sie erhielten den FC Chelsea aus London. Vladimír Šmicer allerdings hätte gern einen anderen Kontrahenten in Prag begrüßt:
„Schade, dass uns nicht Frankfurt zugelost wurde. Das habe ich mir gewünscht, als am Ende nur noch Frankfurt, Chelsea und Benfica im Los-Topf waren. Für mich hätte Chelsea erst in der nächsten Runde kommen sollen. Damit will ich nicht sagen, dass wir es gegen die Eintracht leichter gehabt hätten. Doch vom Papier her ist Chelsea der schwerere Brocken.“Das sind die Londoner in der Tat, auch wenn sie im Hinspiel in Prag große Mühe hatten, sich zu behaupten. Nur dank ihrer individuellen Klasse und Cleverness gewannen sie durch ein spätes Tor von Alonso mit 1:0. Bis dahin aber waren die Prager mehr als ebenbürtig und heizten dem Favoriten vor allem in den Zweikämpfen mächtig ein. Torwart Ondřej Kolář nahm dann auch erfreut zur Kenntnis:
Ondřej Kolář: „Wie ich aus den Gesprächen der Chelsea-Spieler mit den Medien herausgehört habe, waren wir für sie der bisher stärkste Gegner in der Europa League. Das ist schon eine Anerkennung für uns.“
„Wie ich aus den Gesprächen der Chelsea-Spieler mit den Medien herausgehört habe, waren wir für sie der bisher stärkste Gegner in der Europa League. Das ist schon eine Anerkennung für uns. Und wir haben den Zuschauern gezeigt, dass wir auch solch einem Top-Club Paroli bieten können.“
Für einen Slavia-Spieler aber war die Partie auch so ein Riesenereignis. Peter Ševčík profitierte von der Gelb-Sperre Součeks und stand in der Startelf. Nach dem Abpfiff sagte er:
„Ich bin von Kindesbeinen an ein Fan von Chelsea. Und mit der Partie heute, die ich selbst bestreiten durfte, hat sich für mich ein Traum erfüllt. Ich denke, dass wir sehr gut gespielt und alles gegeben haben. Nur vom Ergebnis sind wir etwas enttäuscht. Gegen diese Mannschaft direkt auf dem Platz zu stehen ist schon anders, als sie nur im Fernsehen zu sehen. Es war einfach ein tolles Erlebnis.“
Trotz der Niederlage waren auch die Fans begeistert. Ein noch sehr junger Slavia-Anhänger schilderte sogar:„Mir hat das Match sehr gefallen, und ich muss sagen: Für mich hat Slavia gewonnen und Chelsea verloren. Wir waren einfach das ganze Spiel über die bessere Mannschaft, bis Alonso das Tor gemacht hat. Doch wir werden auswärts zwei erzielen.“
Ob der Wunsch des jungen Fans in Erfüllung geht, wird sich am Donnerstag zeigen. Denn dann treten die „Sešívaní“ – also die „Zusammengenähten“, wie die Slavia-Spieler wegen ihres in Rot und Weiß geteilten Trikots liebevoll genannt werden – zum Rückspiel an der Stamford Bridge an.