Slowakei vor dem NATO-Gipfel in Prag

Willkommen zur heutigen Ausgabe der Begegnungen, die wir - wie jeden letzten Donnerstag im Monat - in Zusammenarbeit mit unseren Kollegen von der deutschsprachigen Redaktion von Radio Slowakei International vorbereiten. Vor dem bevorstehenden NATO-Gipfel in Prag möchten wir uns mit der angestrebten Mitgliedschaft der Slowakei in der Nordatlantischen Allianz befassen. Das Wort hat zuerst mein Kollege aus Bratislava, Dusan Dubravsky:

Die Slowakei hat schon einmal ihre Chance, NATO-Mitglied zu sein, verpasst. Wegen der Vorbehalte der Allianz gegen die Politik des Expremiers Vladimir Meciar musste das Land im Vergleich zu anderen NATO-Kandidaten mehr Mühe darauf verwenden, um auf dem diesjährigen NATO-Gipfel in Prag die Einladung zum Beitritt zu bekommen. Vladimir Meciar und seine eventuelle Rückkehr an die Macht galt noch vor der Parlamentswahl im September 2002 als ein großes Hindernis für die NATO-Mitgliedschaft. Die Tür in die NATO bleibt für die Slowakei mit Vladimir Meciar an der Spitze gesperrt" - erklärte im Sommer d. J. der US-Botschafter bei der NATO Nicholas Burns. Nach der Parlamentswahl, als die Kontinuität der Politik des Regierungskabinetts Mikulas Dzurinda bestätigt wurde, besuchte Nicholas Burns wieder die Slowakei. Das Land bezeichnete er als einen heissen NATO-Kandidaten. Gleichzeitig bemerkte er:

"Präsident Bush hat sich noch nicht entschieden, welche der Kandidatenländer er unterstützen wird. Dies geschieht erst in den kommenden Wochen. Dann folgt der NATO-Gipfel in Prag, wo die Repräsentanten der NATO-Länder die endgültige Entscheidung treffen werden."

Botschafter Burns halte gleichzeitig den Prozeß der Ratifizierung durch einzelne Parlamente für wichtig. Der Beitrittsprozeß selbst werde dann sehr rasch vorangehen. Die Slowakei tat sehr viel für die Erfüllung der NATO-Beitrittsbedingungen. Obwohl es noch einige Probleme gebe, werden diese dem Land im Weg in die NATO nicht stehen. Das größte Problem sei der hohe Korruptionsgrad.

Es ist aber Problem nicht nur dieses Landes, sondern auch der NATO-Mitglieder, einschließlich der USA.

Außer der Korruption müsse laut Burns noch die Frage der Überprüfung der Personen, die zu den geheimen Informationen der NATO Zugang haben, gelöst werden. Über die künftige NATO-Mitgliedschaft der Slowakei sagte er:

"Die kleinen Partner werden sich auf spezialisierte Militärtätigkeiten konzentrieren. Das wird uns sehr helfen. Z. B. die Tschechische Republik ist auf diesem Gebiet sehr erfolgreich - sie hat eine ausgezeichnete antichemische Truppe."

Nicholas Burns bestätigte durch seinen Slowakei-Besuch, daß das Land bei der NATO-Zentrale einen guten Ruf hat. Die Slowakei wartet nun auf das Gipfeltreffen in Prag, von dem sie die Einladung zum NATO-Beitritt erhofft. "Alles andere als die Einladung wäre für uns eine Niederlage" - sagte vor kurzem Aussenminister Eduard Kukan, der das Land gemeinsam mit Staatspräsident Schuster und Premier Dzurinda auf dem Gipfeltreffen im November repräsentieren wird.

Aus Bratislava kommen wir nun nach Prag zurück. Der tschechische Staatspräsident Vaclav Havel, der bereits in der Vergangenheit mehrmals für die Erweiterung der NATO plädierte, unterstrich die Bedeutung des bevorstehenden NATO-Gipfels auch während seiner Rede, die er anlässlich des Staatsfeiertags am 28. Oktober bei der traditionellen Verleihung der Staatsauszeichnungen hielt:

"Die Möglichkeit, hier das erste Treffen dieser Art hinter dem ehemaligen Eisernen Vorhang zu organisieren, sowie der näher rückende EU-Beitritt, dem - wie ich fest glaube - unsere Bürger zustimmen werden, beweisen nicht nur, dass wir die Welt in breiterem Sinne des Wortes mit allem Guten und Schlechten als unsere Heimat akzeptieren, sondern dass man dies über uns allmählich auch schon weiß."

Es wird erwartet, dass während des Prager NATO-Gipfels unter anderen der Slowakei die NATO-Mitgliedschaft angeboten wird. Inwieweit dabei die Tatsache von Bedeutung ist, dass der NATO-Gipfel in der tschechischen Hauptstadt stattfinden wird, danach fragte ich den Politologen Matus Korba vom Prager Institut für internationale Beziehungen:

"Ja, ich glaube schon, dass diese Tatsache ihre Rolle spielt. Die Tschechische Republik unterstützte den NATO-Beitritt der Slowakei seit 1999 - einerseits aus ihrem eigenen Sicherheitsinteresse, und andererseits, um die guten Beziehungen und die Zusammenarbeit besser aufrechterhalten zu können. Ein Beispiel für diese Unterstützung des slowakischen NATO-Beitritts stellt die Rede von Präsident Vaclav Havel dar, die er im Mai 2001 auf einer Konferenz der sogenannten "Zehn von Vilnjus" in Bratislava hielt. Er forderte die NATO mehrmals auf, die Regel der offenen Tür zu beachten und die Allianz in der nächsten Zeit bedeutend zu erweitern."

Über die Auswirkungen des angestrebten NATO-Beitritts der Slowakei sagte der Politologe:

"Der Beitritt der Slowakei zur Nordatlantischen Allianz wird deren Sicherheitslage eindeutig positiv beeinflussen, weil die Slowakei durch die Vermittlung der NATO zum ersten Mal gute Sicherheitsgarantien besitzen wird. Aus dieser Sicht wären die Vorstellungen in die Tat umgesetzt, die die Slowakische Republik seit ihrer Entstehung hatte, die jedoch unter der Meciar-Regierung nicht verwirklicht werden konnten."

Wenn die Slowakei also durch ihre künftige NATO-Mitgliedschaft dieselben Sicherheitsgarantien wie Tschechien gewinnt, könnten davon auch die gegenseitigen Beziehungen zwischen den beiden Ländern profitieren. Dazu noch einmal Matus Korba:

"Ich glaube, dass die Kontinuität der tschechisch-slowakischen Beziehungen beibehalten wird - vor allem nicht nur im Rahmen der politischen Zusammenarbeit, sondern auch bei der Zusammenarbeit im Sicherheits- und Militärbereich. Denn die Tschechische Republik begann 1998, als es in der Slowakei zum Regierungswechsel kam, mit der Slowakei in diesem Bereich sehr intensiv zusammenzuarbeiten. Schon damals wurde eine feste Grundlage für die Kooperation geschaffen, deren Resultate bislang der Einsatz einer gemeinsamen tschechisch-slowakischen Brigade im Rahmen der KFOR-Truppen im Kosovo oder die Errichtung einer internationalen tschechisch-slowakisch-polnischen Brigade sind, deren Führung in Topolcany in der Slowakei ihren Sitz hat."

Soweit Matus Korba vom Institut für internationale Beziehungen in Prag.