So bleibt der Rundfunk unabhängig

Milan Pokorný (Foto: Rostislav Duršpek, Archiv des Tschechischen Rundfunks)
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Viele Medien in Europa lassen ihre Hörer, Leser und Zuschauer nicht mehr kommentieren. Damit will man Hasskommentare und die Verbreitung von Falschinformationen verhindern. Beim Tschechischen Rundfunk ist das auch so, direkt kommentieren konnte man die Arbeit der Radiojournalisten nie. Dafür gibt es im Prager Funkhaus Milan Pokorný, er ist der Ombudsmann des Rundfunks. Er erklärt, wie der Rundfunk seine Unabhängigkeit wahrt.

Milan Pokorný  (Foto: Rostislav Duršpek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Milan Pokorný ist ein Rozhlasák, wie die Angestellten des Tschechischen Rundfunks liebevoll genannt werden, aus Leidenschaft. Eigentlich hat er fast sein ganzes Leben im Funkhaus im Prager Stadtteil Vinohrady verbracht. Deswegen wird er nicht müde zu betonen, was die Tschechen an ihrem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eigentlich haben:

„Das Wichtigste ist, dass sich der Rundfunk nach der Wende vom staatlichen zum öffentlich-rechtlichen Medium gewandelt hat. Das ist eine Sache, deren Bedeutung wir uns oft nicht bewusst werden. Wir machen jeden Tag das Radio an und merken meist gar nicht, welchen Wert der Rundfunk eigentlich hat. Mit dem Übergang vom Staatssender zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurden gewisse Mechanismen geschaffen. Mit ihnen wird eine direkte Einflussnahme auf die Journalisten des Senders verhindert. Der Staat finanziert den Rundfunk nicht, er erstellt nur gewisse Richtlinien. Deren Einhaltung beobachtet der Rundfunkrat.“

Rundfunkrat 2011  (Foto: Khalil Baalbaki,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Gerade der Rundfunkrat, eine Institution aus neun Köpfen aus Journalismus, Gesellschaft und Politik, soll die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Mediums garantieren. Das sind im Vergleich beispielsweise zum Bayerischen Rundfunk wenig, dort wachen insgesamt 50 Rundfunkräte über das Programm.

Milan Pokorný erklärt jedoch, dass politische Einflussnahme durch die Zusammensetzung und das enge Korsett an Regeln für den Rundfunkrat eigentlich ausgeschlossen seien. Außerdem gebe es noch die Ethik-Kommission des Rundfunks, erläutert Pokorný. Die achte darauf, dass beispielsweise kein Redakteur wegen seiner persönlichen politischen Einstellung entlassen werde.

Dennoch erhält der Ombudsmann, der unter anderem für die Kommunikation mit dem Publikum zuständig ist, viele Briefe von Hörern, die an der Neutralität des Rundfunks zweifeln. Das sei eine Sache der Perspektive, findet Pokorný:

Foto: Khalil Baalbaki,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Oft wenden sich erzürnte Hörer mit dem Vorwurf an mich, dass der Rundfunk nicht die Wahrheit sagen und die Öffentlichkeit manipulieren würde. Wenn ich aber die kritisierten Beiträge noch einmal lese und analysiere, stelle ich fest, dass das Problem eigentlich ganz woanders liegt. Die Hörer haben eine starke eigene Meinung und eine ganz andere Werte-Skala. Wenn diese nicht mit der in einem bestimmten Radiobeitrag in Einklang steht, dann sagt der Rundfunk ihrer Ansicht nach automatisch die Unwahrheit.“

Laut Pokorný muss man zwischen publizistischen Inhalten, also beispielsweise Kommentaren, und Berichterstattung unterscheiden. Erstere ist immer subjektiv und wird meist im Anschluss durch eine Gegenmeinung relativiert. Die Berichterstattung ist laut Pokorný immer objektiv. Den Rundfunk selbst stellt sich der Ombudsmann wiederum als neutralen Raum und als eine Art Meinungs-Arena vor:

Zum 95. Geburtstag des Rundfunks war Milan Pokorný außerdem als Herausgeber tätig. Er hat zahlreiche literarische Texte gesammelt, die die Geschichte und die Bedeutung des Tschechischen Rundfunks illustrieren sollen.

„Ich habe mal einem Hörer, der sich über die Parteilichkeit und fehlende Unabhängigkeit des Tschechischen Rundfunks beschwer hat, Folgendes geschrieben: Ich stelle mir die Gesellschaft als eine Stadt vor, in der es zahlreiche Klubs, Restaurants und Sträßchen gibt. Dort treffen sich immer Leute mit einer ganz bestimmten Meinung und bestärken sich in ihren Ansichten. Sie wissen, dass sie dort unter Gleichgesinnten sind. Dann gibt es aber noch einen zentralen Marktplatz, wo sich dann alle treffen. Die Menschen debattieren dort und sagen vielleicht auch das eine oder andere Mal, dass die anderen Recht haben könnten. Da muss es natürlich immer jemanden geben, der das Ganze moderiert und verhindert, dass die Anwesenden zu Stöcken greifen und sich gegenseitig totschlagen. Den Rundfunk sehe ich als diesen Dorfplatz der Meinungen.“