„So etwas hat es noch nie gegeben“ – Sozialdemokraten boykottieren die größten Printmedien

Jiří Paroubek (Foto: ČTK)

„Diese rechten Medien rufen eine Atmosphäre der Konfrontation und des Hasses in der Gesellschaft hervor“, sagte am Donnerstag Sozialdemokraten-Chef Paroubek und kündigte an, künftig auf keine Anfragen dieser Printmedien mehr zu reagieren. Es geht um die Mladá fronta Dnes, die Lidové noviny, die Hospodářské noviny sowie die Zeitschriften Reflex und Respekt. Die Sozialdemokraten boykottieren damit drei Wochen vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus die wichtigsten und größten Zeitungen und Zeitschriften des Landes. Was das bedeutet, darüber sprach Christian Rühmkorf mit dem Politologen Robert Schuster.

Jiří Paroubek zeigt Journalisten den ausgebrannten ČSSD-Wahlstand  (Foto: ČTK)
Robert, Sozialdemokraten-Chef Jiří Paroubek hat am Donnerstag die Zusammenarbeit mit den größten Zeitungen und Zeitschriften dieses Landes aufgekündigt. Hat es so etwas schon mal in der politisch-medialen Geschichte dieses Landes gegeben?

„Soviel ich weiß, hat es so etwas noch nie gegeben. Und da muss man auch bedenken, dass es vor Jiří Paroubek schon andere Politiker gab, wie zum Beispiel Miloš Zeman, die noch ein weitaus gespannteres Verhältnis zur Medienwelt und zu den Journalisten ganz allgemein hatten - und pflegten. Das muss man ja auch sagen. Aber das ist sicherlich etwas Neues. Denn: Wenn man sich die Zeitungen ansieht, die Jiří Paroubek jetzt boykottieren will - das sind praktisch alle Zeitungen mit Ausnahme der Právo. Das ist eine linksliberale oder linksorientierte Zeitung, die man eigentlich als Stammzeitung von Paroubek bezeichnen kann. Und alle anderen will er einfach boykottieren.“

Nach Angaben der Zeitung Lidové noviny boykottiert Paroubek damit den Kontakt zu 1,7 Millionen Lesern beziehungsweise Wählern. Welche Auswirkungen könnte diese Entscheidung für die Sozialdemokraten – und etwas pathetisch gefragt – für die Demokratie haben?

ČSSD-Wahlkandidat Jeroným Tejc und Innenminister Martin Pecina  (hinten)  (Foto: ČTK)
„Für die unmittelbare Wahlentscheidung wohl wenig. Denn man kann davon ausgehen, dass tatsächlich die meisten Leser dieser Zeitungen eher nicht sozialdemokratisch wählen werden. Wenn sie noch nicht entschlossen waren, dann wird das jetzt vielleicht ein gewisser Anstoß sein, eben gerade nicht sozialdemokratisch zu wählen. Aber das ist ja auch ein traditioneller Fehler in der tschechischen Politik, dass man oft Entscheidungen trifft und sich der Tragweite nicht bewusst ist. Und wenn man potenzieller Premier ist – und Jiří Paroubek ist ja gemäß den Umfragen relativ nah an diesem Ziel - dann muss man bedenken, dass man als Premier ja auch seine Botschaften irgendwie über die Medien ans Volk bringen will, bringen muss. Und wenn man dann auf einmal mit einem Boykott reagiert, kann es leicht passieren, dass man mit einem Gegenboykott konfrontiert wird. Und das ist natürlich etwas, was sich jeder Politiker gut überlegen muss.“

Ist denn etwas dran, an dem, was Paroubek den genannten Zeitungen vorwirft. Sind sie alle mitte-rechtslastig und betreiben eine Kampagne gegen die Sozialdemokraten?

ČSSD-Pressekonferenz  (Foto: ČTK)
„Rechtslastig würde ich nicht unbedingt sagen. Denn es kann sich keine Tageszeitung in Tschechien erlauben, einen eindeutig ideologisch gefärbten Ton zu spielen. Das geht einfach nicht, dazu ist die Leserschaft zu heterogen. Und vor allen Dingen wollen das die Leser auch nicht. Es geht eigentlich eher um Folgendes: Was Paroubek den Zeitungen vorwirft, ist, dass diese Zeitungen im Großen und Ganzen die Reformen der Vorgängerregierung, die ja bürgerlich war, unterstützt haben. Das sind die ganzen Reformen im Gesundheitswesen – Stichwort Ambulanzgebühr – oder auch die Flat-Tax, also die Vereinfachung des Steuersystems mit einem einheitlichen Steuersatz. Das ist all das, was von Paroubek in der Vergangenheit massiv bekämpft wurde und was er auch rückgängig machen will. Und da hat er vielleicht gewisse Ängste, dass ihm dann als künftigem Regierungschef publizistischer Gegenwind entgegen kommt. Ich würde sagen, es ist eher dieser Hintergedanke dabei, und von irgendwelcher Rechtslastigkeit oder Apriori-Gegnerschaft zu den Sozialdemokraten würde ich nicht sprechen.“