Spurensuche: Mit dem Fahrrad durchs Sudetengebiet

Das Sudetengebiet, ein Landstreifen, der im vergangenen Jahrhundert für Unruhe gesorgt hat. In diesen nicht nur böhmischen, sondern auch mährischen und schlesischen Grenzgebieten stieß die Geschichte der Tschechen und Deutschen oft aufeinander. Noch heute findet man dort Spuren der deutschen Besiedlung, aber es ist nur ein Bruchteil, vieles ist verschwunden. Auf Spurensuche begeben sich jeden Sommer junge Leute aus Tschechien und weiteren Ländern, aber nicht zu Fuß.

Das Sudetengebiet und Radfahren, das sind die Themen, über die ich heute sprechen will. Falls Sie sich nicht vorstellen können, wie diese zwei Dinge zusammenpassen, dann bleiben Sie dran. Sie werden das gleich erfahren.

Gast im Studio ist Ondřej Matějka, ein Mitglied der Bürgervereinigung Antikomplex, die sich seit 1998 mit dem Sudetengebiet beschäftigt. Ondřej, worin besteht der Zusammenhang zwischen dem Sudetengebiet und dem Radfahren?

„Das Sudetenland ist eine schöne Landschaft und Radfahren ist eine schöne Gelegenheit oder Methode, um diese schöne Landschaft zu erkunden. Es ist eine gute Mischung, weil das Sudetenland meist gebirgig ist, es lässt sich dort aber Rad fahren. Es gibt dort viele interessante Objekte, die man mit dem Fahrrad sehr schön entdecken kann, weil sie nicht weit auseinander liegen. Unser Ziel ist es, die Spuren der deutschen Vergangenheit im Sudetenland zu erfahren und zu entdecken. Das heißt: verschwundene Ortschaften, Überreste von Häusern, Obstbäume in Wäldern, alte, fast verschwundene Wege in den Feldern. Das alles kann man im Sudetenland finden. Das zieht uns an, dieses Entdecken. Es ist, als ob man dort ein Atlantis hätte, das man selbst und unweit von Prag finden und erleben kann.“

Für wen ist dieses Entdecken auf dem Fahrrad geeignet?

„Geeignet und gedacht ist es eher für junge Leute, die fast keine Erfahrung mit diesem Thema haben und die einfach mit uns mitfahren wollen. In der Tat fahren sowohl Jugendliche, als auch Rentner. Wir hatten ein paar Teilnehmer, die zum Teil 70 Jahre alt waren.“

Sind die Teilnehmer vor allem Tschechen oder Deutsche?

„Es sind hauptsächlich Tschechen, wir haben aber auch immer wieder Deutsche dabei, das sind unsere Freunde, die mitfahren. Meist sind es aber tschechische Studenten.“

Foto: Štěpánka Budková
Seit wann findet diese Aktion statt?

„Seit drei Jahren, diesen Sommer wird es das vierte Mal sein. Normalerweise fahren wir im Spätsommer, Ende August. Diese spätsommerliche Zeit passt sehr schön zu der nostalgischen Atmosphäre der verschwundenen Landschaft.“

Welche Erfahrungen habt Ihr, Ondřej, mit diesem Ausflug gemacht?

„Recht schöne, das ist immer abenteuerlich und unterschiedlich. Wir wählen immer eine andere Region aus, da das Sudetenland sehr groß ist. Wenn man in einer Woche nur eine Region komplett befährt, ist das wiederum nicht so viel. Zu den Highlights der vorletzten Spurensuche gehört sicherlich der Besuch im Uranbergwerk in Joachimsthal. Das ist das letzte noch funktionierende Bergwerk in Tschechien. Es ist erhalten geblieben, weil man von dort Radonwasser für das Radonheilbad in Joachimsthal gewinnt. Es gab auch andere Highlights, im letzten Jahr waren wir im mährischen Schlesien. Das ist wiederum ein Gebiet mit einer faszinierenden Religionsgeschichte, natürlich auch mit einer tragischen Religionsgeschichte. Dort haben sich die Grenzziehungen oft geändert. Es war eine abgelegen Gegend, in der sich konservative katholische Strömungen lange gehalten haben. Deshalb war es auch eine Gegend, in der es im 17. Jahrhundert Hexenprozesse gab.“

Was sagen die Teilnehmer über die Ausflüge? Sind sie begeistert oder enttäuscht von dem, was sie gesehen haben?

„Sie sind meist begeistert. Man kann natürlich nicht nur mit Begeisterung davon sprechen, dass man eine schöne Spur einer schönen verschwundenen Zivilisation gefunden hat. Aber das Abenteuer ist da. Und es ist immer spannend. Zum Beispiel waren wir im letzten Jahr in einem Tal im Reichensteiner Gebirge / Rychlebské hory. Dort gibt es ein verschwundenes Dorf, es sind praktisch nur ein paar Mauerüberreste, aber die wurden neu besiedelt von einer Gruppe alternativ lebender Menschen, die einfach aus der Stadt geflohen sind und dort leben wollen. Einer von ihnen hat dort den gesamten Winter zugebracht. Sie versuchen, einen alten Obstgarten wieder herzurichten und erneut auf den Feldern anzubauen. Sie machen das sehr primitiv, eigenartig. Diese Verbindung von Altem, also von Atlantis, und von neuen Phänomenen ist einfach sehr spannend.“

Im kommenden Sommer werdet Ihr erneut auf Spurensuche gehen. Weißt du schon, wann und wohin Ihr fahrt?

„Der Termin ist vom 16. bis zum 24. August und wir fahren in das Böhmisch-mährisch-österreichische Dreiländereck. Das ist das Gebiet zwischen dem Gratzener Bergland / Novohradské hory, dem Waldviertel in Österreich und Zlabings / Slavonice. Es ist eine reiche Landschaft.“