Statistische Analyse: Tschechien ist von griechischen Verhältnissen weit entfernt
Das tschechische Statistikamt (ČSÚ) hat vor knapp einer Woche eine umfangreiche Analyse vorgelegt zu der Frage: Wie hat sich die hiesige Wirtschaft in den vergangenen fünf Jahren im Vergleich zu den anderen EU-Staaten entwickelt? Auf diese Analyse war man auch deshalb sehr gespannt, weil die Konservativen in der tschechischen Politik schon im Wahljahr 2010 die Alarmglocken schrillen ließen mit der Aufforderung, man müsse alles tun, um in Tschechien „griechische Verhältnisse“ zu verhindern. Dieser Aufschrei zeigte Wirkung, denn er hat den Bürgerdemokraten (ODS) wie auch der Partei Top 09 zu einem guten Wahlergebnis verholfen. Doch drohte oder droht solch ein Absturz überhaupt?
Ergänzend dazu erläutert Dubská zudem, woran das liegt:
„Wenn wir uns das Tempo der Annäherung, also die reale Konvergenz anschauen, dann gilt festzuhalten: Ohne Prag hätten wir schon früher auf der Stelle getreten. Denn im übrigen Teil Tschechiens ging die Entwicklung kaum voran. Die Regionen blieben in den gesamten letzten 15 Jahren in stets gleichem Maße hinter dem Durchschnitt der Europäischen Union zurück. Ihre Leistungskraft liegt bei zirka zwei Dritteln des EU-Durchschnitts.“
Vor Journalisten erklärt Drahomíra Dubská dann auch, weshalb die Aufholjagd der Tschechischen Republik ab dem Jahr 2009 erlahmt ist:„Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Absturz des Bruttoinlandsproduktes im Krisenjahr 2009 in Tschechien tiefer war als im EU-Durchschnitt. Aber auch die wirtschaftliche Entwicklung Tschechiens nach der Krise war bei weitem nicht so erfolgreich wie der Aufwärtsschwung während der starken Konjunktur vor der Krise. Da hatte die tschechische Wirtschaft noch kräftig zugelegt.“
Dennoch, zu Panikmache oder gar Ängsten vor einem Absturz à la Griechenland bestehe in Tschechien überhaupt kein Anlass. Schließlich sei es hierzulande auch in den letzten Jahren weiter aufwärts gegangen, man müsse das Ganze aber in der Relation sehen, so Dubská:
„Selbstverständlich ist das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung in den vergangenen 15 Jahren sehr gewachsen, und zwar von 148.000 Kronen im Jahr 1995 auf 360.000 Kronen im Jahr 2010. Aber natürlich hat auch Europa in diesem Zeitraum zugelegt, und das in etwa gleichem Maße. Und so ist es auch zu erklären, dass Tschechien mit Ausnahme der Hauptstadt Prag in den zurückliegenden 15 Jahren fast nicht näher an den Leistungsdurchschnitt der EU herangerückt ist.“Das Bruttoinlandsprodukt von 360.000 Kronen pro Kopf der Bevölkerung im Jahr 2010 sind umgerechnet übrigens zirka 14.100 Euro.
Es gibt aber auch Bereiche oder Kennzahlen, bei denen die Tschechische Republik gut bis sehr gut dasteht. Allen voran gehört dazu die Gesamtverschuldung, und zwar nicht nur im öffentlichen, sondern auch im privaten Sektor:
„Wenn wir alle Schulden zusammenrechnen, also die Schulden des Staates, von Privatpersonen und Firmen, dann ist die Tschechische Republik das Land mit den zweitwenigsten Schulden in der Europäischen Union. Die gesamte Schuldenlast liegt etwa bei 110 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.“
Zum Vergleich: Selbst Länder wie Deutschland und Luxemburg, die von 2003 bis 2010 als einzige in Europa Schulden im Privatsektor abgebaut haben, sind höher verschuldet als die Tschechische Republik. Noch besser als Tschechien steht lediglich Rumänien mit 107 Prozent des Bruttoinlandsproduktes dar. Negativer Spitzenreiter hingegen ist Irland, wo sich die Gesamtverschuldung derzeit auf knapp 400 Prozent des Bruttoinlandsproduktes beläuft.
Trotz des insgesamt positiven Ergebnisses, das die Analyse hervorgebracht hat, hebt Dubská aber auch an der einen oder anderen Stelle warnend den Zeigefinger. Vor allem wies sie darauf hin, dass es für den Staat immer schwieriger wird, das Defizit der öffentlichen Finanzen im Rahmen zu halten, sollte es besonders im sozialen Bereich zu keinen Veränderungen kommen:„Wir gehören zu den Ländern in Europa, deren Bevölkerung am schnellsten altert. Das stellt uns vor höhere Anforderungen, was die Auszahlung von Renten und die Zuzahlung bei Gesundheitsleistungen betrifft. Mittelfristig, aber besonders langfristig ist das kein Pappenstiel. Daher sind entsprechende Reformen unbedingt notwendig.“
Die Krankenkassen- und Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber, also die Lohnnebenkosten, sind ein weiteres Problem. Sie würden wesentlich dazu beitragen, dass die Löhne in Tschechien für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes eher ein Hemmnis sind, so Dubská:
„Die Arbeit in der Tschechischen Republik hat sich in den zurückliegenden 15 Jahren im Vergleich zu allen EU-Ländern am meisten verteuert. Die Verteuerung liegt eindeutig über dem EU-Durchschnitt. Damit ist auch klar, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit der Tschechischen Republik hinsichtlich der Preise und Kosten verschlechtert hat. Im Verlauf der letzten 15 Jahre hat Tschechien gerade bezüglich der Arbeitskosten den meisten Boden unter den EU-Ländern mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit verloren.“Drahomíra Dubská weiß andererseits aber auch einen positiven Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes hervorzuheben:
„Wenn wir von der Wettbewerbsfähigkeit sprechen, dann muss ich sagen: Wir haben meiner Meinung nach einen ausgezeichneten Außenhandel. Die tschechischen Exporteure sind sehr flexibel, und sie werden auch staatlich wie institutionell sehr gut unterstützt. Das ist lobenswert und gut, aber es gilt gleichermaßen festzuhalten: Es gibt Länder, die auf diesem Gebiet noch besser sind. Daraus ergibt sich, dass der Anteil, den Tschechien am Welthandel hat, zurückgeht. Das Volumen des tschechischen Außenhandels nimmt weiter zu, das ist positiv, doch die Zuwächse werden in etwa seit 2003 von Jahr zu Jahr geringer.“
Womit abschließend noch einmal belegt wurde: Die Kennzahlen der tschechischen Wirtschaft sind immer in den jeweiligen Relationen zu betrachten, um sie möglichst objektiv einstufen zu können. Im zentralen Punkt der Analyse allerdings kommt Drahomíra Dubská zu einer eindeutigen Feststellung:
„Nach dem aktuellen Stand der Dinge waren und sind wir nicht auf dem griechischen Weg.“