Streit um Ernennung des neuen Umweltministers: Regierung umgeht Veto von Zeman mit Finte
In seinen zwei Amtszeiten hat sich Präsident Miloš Zeman mehrfach gegen die Ernennung von Ministern gestellt. Bisher ist nicht eindeutig klar, wie weit der Staatspräsident in Tschechien in solchen Fällen gehen darf – ob er also auch dann noch ein Veto gegen einen Ministerkandidaten einlegen darf, wenn der Premier auf der Ernennung beharrt. Der wohl letzte Fall in Zemans Wirken auf der Prager Burg betrifft das Umweltministerium.
Die tschechische Umweltministerin Anna Hubáčková (Christdemokraten) trat zu Ende Oktober vergangenen Jahres zurück. Gesundheitliche Gründe nannte sie für diesen Schritt. Seitdem hat das Ressort einen vorübergehenden Chef: Vizepremier und Arbeits- und Sozialminister Marian Jurečka (Christdemokraten). Zu Anfang dieses Jahres sollte nun endlich der eigentliche Nachfolger ernannt werden. Jurečka als Vorsitzender der Christdemokraten wünscht sich seinen 38-jährigen Parteikollegen Petr Hladík auf dem Posten. Dieser war als stellvertretender Oberbürgermeister von Brno / Brünn für Umweltthemen zuständig. Das Problem bisher: Rund um den Magistrat der südböhmischen Stadt ermittelt die Polizei wegen möglicher Korruption bei der Privatisierung städtischer Wohnungen.
Am Mittwoch vergangener Woche traf sich der scheidende Staatspräsident Miloš Zeman mit Hladík. Doch Zeman will den neuen Umweltminister nicht ernennen.
„Die polizeilichen Ermittlungen, die auch Herrn Hladík betreffen, werden sicher noch einige Monate andauern. Ich denke, in dieser Zeit wäre es wirklich nicht so gut, wenn die Sache abgeschlossen würde, indem er etwas unüberlegt zum Minister ernannt wird“, so der Staatspräsident.
Ein weiterer Kritikpunkt von Zeman an Hladík betrifft dessen fachliche Kompetenzen. Laut dem Staatspräsidenten reichen diese nicht aus, um das Ministerium zu führen. Dagegen verwahrt sich allerdings der Kritisierte:
„Mir kommt es etwas lächerlich vor, dass mir Präsident Zeman vorhält, nicht genügend Fachveröffentlichungen zum Thema Umwelt geschrieben zu haben. Ich bin kein Wissenschaftler, Dozent oder Professor. Sondern ich bin ein Manager, der sich aktiv mit dem Umweltschutz beschäftigt. Dabei halte ich es für grundlegend wichtig, dass mir eine ganze Reihe Experten nach dem Treffen mit dem Präsidenten öffentlich Unterstützung ausgedrückt und meine Kompetenzen in dem Bereich betont hat. Und darüber bin ich froh.“
Verfassungsrechtler kontra Staatspräsident
Gerade wegen der Fachkenntnisse beharrt Parteichef Jurečka auf Petr Hladík als neuem Umweltminister. Hinzukommt, was im Fall rund um die städtischen Wohnungen in Brünn bisher geschehen oder nicht geschehen ist. Rund zweieinhalb Monate wurde der Verlauf der Ermittlungen abgewartet. Und wie Hladík vor kurzem sagte, haben die zuständigen Behörden gegen ihn keine Ermittlungen eingeleitet, geschweige denn Anklage erhoben. Deswegen hat Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) vor kurzem der Ernennung zugestimmt und diese vom Präsidenten gefordert.
Dass Zeman dem Wunsch des Regierungschefs aber nicht nachkommen will, halten einige Verfassungsrechtler für falsch. So auch Jan Kysela von der Prager Karlsuniversität:
„Meiner Auffassung nach darf Zeman nur dann so vorgehen, wenn eine rechtliche Hürde für die Ernennung besteht. Ein typischer Fall wäre, wenn der Kandidat für den Ministerposten rechtskräftig verurteilt wurde und das Urteil ein Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter beinhalten würde. Eventuell könnte auch eine rechtliche Hürde bestehen, wenn der Kandidat in einem unlösbaren Interessenskonflikt stünde. Denn die tschechische Verfassung verbietet Regierungsmitgliedern, solche Tätigkeiten zu übernehmen, die der Ausübung ihrer Funktion entgegenstehen. Außer in den geschilderten Fällen ist es meiner Meinung nach aber die Sache des Premiers, wen er in sein Kabinett aufnimmt.“
Die entsprechenden Passagen in der tschechischen Verfassung finden sich im Übrigen in den Artikeln 68 und 70.
In jedem Fall berufen sich Premier Fiala, Parteichef Jurečka und Ministerkandidat Hladík auf eine Auslegung der Verfassung, wie sie unter anderem eben der Jurist Jan Kysela in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erläutert hat. Deswegen sagte Regierungssprecher Václav Smolka:
„Die Christdemokraten haben die Nominierung von Petr Hladík für den Posten des Umweltministers bestätigt. Deswegen beharrt auch Premier Fiala auf dem Vorschlag, den er dem Staatspräsidenten vergangene Woche unterbreitet hat. Der Regierungsvorsitzende erwartet nach der Ablehnung, dass sich das Problem in wenigen Wochen von alleine löst.“
Bei dem, was der Sprecher hier etwas verklausuliert ausgedrückt hat, geht es um eine einfache Tatsache: Die Amtszeit von Staatspräsident Zeman endet Anfang März. Jetzt am Wochenende findet die erste Runde der Präsidentschaftswahlen statt. Sollte kein Kandidat schon dabei die absolute Mehrheit erreichen, folgt zwei Wochen später eine Stichwahl der beiden stimmstärksten Kandidaten. Und Premier Fiala erwartet ganz offensichtlich, dass ein der Regierung wohlgesonnener Bewerber das Rennen macht. Auch Jurečka setzt auf das Ende von Zemans Amtszeit…
„Es besteht kein Grund für Zemans Vorgehen. Würde das Mandat des Präsidenten noch ein halbes Jahr oder länger andauern, wäre ganz klar eine Kompetenzklage angemessen“, so der Christdemokraten-Chef.
Das heißt, dann würde die Regierung vors Verfassungsgericht ziehen und dieses um eine Klärung der Kompetenzen bitten.
Ressortleitung durch Stellvertreter
Nun harrt man lieber der Lösung durch einen neuen Staatspräsidenten. Trotzdem haben die Christdemokraten noch zu einem Trick gegriffen: Petr Hladík wurde bereits am Montag zum stellvertretenden tschechischen Umweltminister ernannt. Damit erhält er beinahe die Kompetenzen eines Ministers, wie der frischgebackene Vize selbst in einem Rundfunkgespräch erläuterte:
„Dem Gesetz nach kann der Minister die Führungskompetenzen im Ressort seinem Stellvertreter übergeben, das ist eine gängige Sache. Dabei gibt es nur zwei Ausnahmen: die Vorlage von Gesetzentwürfen und Personalangelegenheiten. Mit Vizepremier Jurečka habe ich abgesprochen, dass wir genau so vorgehen werden. Ich werde also das Umweltministerium in unterschiedlichen Verhandlungen repräsentieren: bei den Sitzungen des Abgeordnetenhauses sowie des Senats und in den jeweiligen Ausschüssen beider Parlamentskammern. Zudem vertrete ich das Ressort nach außen.“
Grund für diesen Trick ist der Umstand, dass die Christdemokraten dem Umweltministerium eine grundlegende Bedeutung für die Zukunft Tschechiens beimessen. Oder wie Hladík sagt:
„Wir haben nur diese eine Natur und müssen sie unseren Kindern und allen weiteren Generationen in einem guten Zustand übergeben. Derzeit hat das Ministerium eine ganze Reihe an Aufgaben, die es aktiv angehen und aktuell lösen muss. Dazu gehören besonders alle Angelegenheiten rund um die Hilfen in der Energiekrise, die Energieeinsparungen und der Ausbau der erneuerbaren Energien.“
Als weitere Aufgaben nennt der neue Vizeminister die Verankerung des Gewässerschutzes in der tschechischen Verfassung oder Maßnahmen gegen die Bodenerosion. Doch eine Frage bleibt: Wie sieht eigentlich das Verfassungsgericht die Kompetenzen des Präsidenten bei der Ernennung von Ministern? Muss er dem Willen des Premiers nachkommen, oder kann er vollkommen eigenständig entscheiden, sofern er dies begründet?