Studiengebühren in Tschechien: Studenten bereit zu protestieren
Bisher gibt es an tschechischen Hochschulen keine Studiengebühren. Im Koalitionsvertrag der Mitte-Rechts-Koalition aus Bürgerdemokraten (ODS) und den Parteien Top 09 und Öffentliche Angelegenheiten (VV) sind sie aber vorgesehen. Eingeführt werden sollen sie zu Beginn des Jahres 2013. Nun beginnen sich die Studenten zu wehren. Vereinzelte Demonstrationen und Proteste fanden in den letzten Monaten bereits statt, aber auch konstruktive Diskussionsbeiträge kommen aus den Hochschulen.
Melonen gegen Studiengebühren: Am 19. Januar äußerten die Studenten ihren Unmut und warfen Wassermelonen vom Balkon der Juristischen Fakultät der Prager Karlsuniversität. Es war der Auftakt zu einer Diskussion, die in Deutschland bereits vor einiger Zeit begann und dort eigentlich auch schon wieder zu den Akten gelegt wurde. Es geht um eine Hochschulreform. Bachelor und Masterstudiengänge gibt es im tschechischen Hochschulsystem schon lange. Nun sollen Studiengebühren eingeführt werden – und das erweckt naturgemäß Proteste bei den Studenten. Milan Rudik von der Studentenkammer des Senats der Universität in Ústí nad Labem / Aussig erklärt, wie das System funktionieren soll:
„Es ist so, dass der Student sich zu Beginn seines Studiums verschulden muss. Der Staat verschiebt allerdings die Schulden, er garantiert der Universität die Studiengebühren und für den Student fallen keine Zinsen an. Ich gebe mal ein Beispiel: Wenn die Studiengebühren 10.000 Kronen pro Semester betragen, dann schließt ein Student zu Beginn seines Studiums mit der Universität einen Vertrag, der Staat gibt der Universität dann für diesen Studenten das Geld und der Student schuldet diese Summe dann dem Staat.“ Eine einheitliche Regelung, wie die Gebühren erhoben werden sollen, scheint aber noch nicht gefunden. Petr Konvalinka, der Vorsitzende des akademischen Senats der Prager technischen Universität, erklärt die Kreditvergabe ein wenig anders und betont, was ihn daran stört:„Was mich stört, ist der Entwurf zur finanziellen Hilfe der Studenten. Er wird den Banken Zehntausende von Kunden bringen. Die Studenten werden Kredite für die Studiengebühren aufnehmen, und der Staat wird aus öffentlichen Mitteln dafür die Zinsen zahlen. Diese Mittel hätten sonst die staatlichen Hochschulen erhalten können“
Die endgültige Höhe der Studiengebühren steht noch nicht fest – einen Rahmen hat die Regierung aber in ihrem Koalitionsvertrag bereits fixiert. So soll die Obergrenze 10.000 Kronen, umgerechnet 400 Euro pro Semester betragen. Das ist natürlich eine hohe Summe für Tschechien. Immerhin beträgt der Durchschnittsverdienst in Prag 25.000 Kronen monatlich brutto, was etwa 800 Euro netto entspricht. Eine ziemlich hohe Belastung also für eine tschechische Familie und natürlich auch für Studenten, die selber für ihren Lebensunterhalt sorgen müssen, wie Milan Rudik schildert:
„Das bedeutet, dass solch ein Student genötigt sein wird, mit verschiedenen Aushilfsjobs Geld zu verdienen. In dem Moment aber, in dem er in der Nacht oder am Nachmittag Geld verdienen muss, ist es klar, dass er deswegen das Studium vernachlässigen wird und dass der Abschluss dadurch schlechter sein wird. Das bedeutet, dass die Studenten, die arbeiten müssen, weil die Familien sie nicht unterstützen können, keine hohen Studiengebühren bezahlen und gleichzeitig studieren können. Das ist unrealistisch.“Dabei sind die Studenten, zumindest in Ústí nad Labem, nicht generell gegen Studiengebühren. Sie sollten sich allerdings in einem vernünftigen Rahmen bewegen, wie Rudik erklärt:
„Selbstverständlich sind wir uns bewusst, dass die Universitäten unterfinanziert sind. Und im Mittelpunkt der Bemühungen um mehr Geld stehen die Studiengebühren. Allgemein lässt sich sagen, was ich von Studenten von der Universität Ústí, aber auch von anderen Universitäten gehört habe, dass die Studenten bereit sind, Studiengebühren zu bezahlen. Aber in einer vernünftigen Höhe. Diese bewegt sich für uns derzeit um 5000 Kronen herum.“Die Studenten sind also durchaus bereit, einen Beitrag zu leisten. Allerdings nur, wenn gleichzeitig auch Unterstützung für Studenten angeboten werde, so Rudik weiter:
„Das beutet, es sollte ein System ausgearbeitet werden, um die Studenten verhältnismäßig gut finanziell zu unterstützen. Und dabei denke ich nicht daran, dass der Staat etwas bezahlt, was dann anschließend zurückgezahlt werden muss. Es sollte in Form verschiedener Stipendien geschehen, die allen Studenten offen stehen.“Die Diskussion in Deutschland verlief ähnlich: Den Landesregierungen wurde erlaubt, Studiengebühren in Höhe von bis zu 500 Euro zu erheben. Gleichzeitig sollte ein Stipendiensystem eingeführt werden, um Studenten zu unterstützen, die zwar keine finanziellen Mittel haben, aber deren Noten gut genug für ein Studium seien. Durch die Gebühren sollte die Qualität des Studiums verbessert werden. Wirklich von Erfolg gekrönt war dieser Plan allerdings nicht. Die Bundesbildungsministerin musste erst vor kurzem zugeben, dass sich die Qualität der Hochschulausbildung nicht verbessert habe und das Stipendiensystem steckt noch immer in den Kinderschuhen. Daher haben in Deutschland auch bereits, bis auf Bayern und Niedersachsen, alle Bundesländer die Gebühren wieder abgeschafft. Der tschechische Bildungsminister Josef Dobeš aber zeigt sich davon unbeeindruckt. Er hält an seiner Überzeugung fest:
„Es ist nicht sozial, dass wir eine kostenlose Hochschulbildung haben. Eine Verkäuferin an der Supermarktkasse zahlt mit ihren Steuern einem Studenten sein siebenjähriges Studium, dass ist asozial. Und einem sozial schwachen Studenten steht heute keine finanzielle Unterstützung zur Verfügung; Seine Familie muss Lebensunterhaltskosten von 8000 Kronen monatlich für ihn aufbringen, um ihm das Studium zu ermöglichen. Wir sagen also, es muss zuerst eine ausreichende finanzielle Hilfe für Studenten vorbereitet werden und dann können ein Jahr später Studiengebühren eingeführt werden.“ Wie in Deutschland sind auch in Tschechien die Pläne, Gebühren zu erheben wesentlich konkreter als die Pläne, Stipendien für bedürftige Studenten zur Verfügung zu stellen. Klar ist bisher auch noch nicht, ob die Gebühren auch für ausländische Gaststudenten gelten werden und ob es weitere Ausnahmeregelungen geben wird. Milan Rudik betont aber noch einmal, dass eines bei einer Studiengebühr sicher sein wird:„In dem Moment, in dem man auf die Universität kommt, verschuldet man sich. Wenn die Studiengebühren bei 10.000 Kronen liegen und man beendet das Studium mit dem Bachelorabschluss nach drei Jahren hat man Schulden in Höhe von 60.000 Kronen. Man beendet die Universität mit Schulden und man beginnt sein neues Leben mit Schulden, mit relativ hohen Schulden.“
Und Miroslav Jašurek, Vorsitzender der Studentenkammer des Hochschulrats ergänzt:„Es hat sich gezeigt, dass dieses kreditfinanzierte System nicht besonders gut funktioniert. Das lässt sich an den Erfahrungen im Ausland erkennen, wenn es zu einigen grundlegenden Änderungen in der ökonomischen Situation kommt, wie zum Beispiel der gegenwärtigen Wirtschaftskrise. Die Menschen sind dann nicht mehr in der Lage, die Kredite zu bedienen, weil es für sie eine große Belastung darstellt.“
Die heiße Phase der Auseinandersetzung steht aber noch bevor: Sollte das Ministerium beziehungsweise die Regierung nicht zu Verhandlungen bereit sein, haben Studenten und Wissenschaftler mit weiteren Protesten gedroht bis hin zu Streiks. Einen Termin haben sie auch schon festgelegt: Ende Februar soll es losgehen.