Tanzstunden für Nachbarn
Es war ein bisschen wie bei der ersten Tanzstunde. Zunächst standen beide Seiten etwas verlegen herum, und keiner wusste so recht, wie er sich verhalten sollte. Doch dann ging man aufeinander zu, man lernte zu tanzen, und oft entstanden fruchtbare Beziehungen, die bis heute andauern. Etwa so beschrieb am Donnerstag der ehemalige tschechische Vizeminister für Bildung, Libor Pátý, wie es damals war, als tschechische und österreichische Ministerien Anfang der Neunziger erste partnerschaftliche Gehversuche machten.
Doch gab es nach dem Fall des Eisernen Vorhangs unter den Einflussreichen auf beiden Seiten nicht nur die Tanzschüler. Es gab auch die Verweigerer, die Ängstlichen, die lieber gar nicht erst hingingen zum Tanz. Und es gab die halbstarken Aufwiegler, die, die immer schon wussten, wie die anderen sind, und auf Stunk aus waren, um damit die Ängstlichen zu beeindrucken.
Die Entwicklung der nachbarschaftlichen Beziehungen in den letzten 15 Jahren lässt keinen Zweifel: Die Tanzschüler waren überaus erfolgreich. Doch man erlebt immer wieder Rückschläge. So wie vorige Woche, als ich in einer Prager Straßenbahn eine deutsche Schülergruppe belauscht habe. Die etwa 17-Jährigen beklagten sich ausgiebig darüber, dass sie der erste Jahrgang sind, der gleich zwei Klassenfahrten ins Ausland machen muss. Ich habe drei Haltestellen benötigt, um zu begreifen, dass ich mich nicht verhört hatte. Zuerst nach Wien, Paris oder Warschau, und dann auch noch nach Prag? Eine Zumutung!
Zum Trost könnte man einwenden, dass diese Ignoranz vermutlich nicht das Verdienst der Halbstarken ist. Tanzschule ist in einem gewissen Alter offenbar einfach nicht besonders angesagt.