Temelin

AKW Temelin

Knapp zwei Monate nach dem Gipfeltreffen der Ministerpräsidenten Tschechiens und Österreichs, Milos Zeman und Wolfgang Schüssel, mit dem EU-Kommissar Günter Verheugen im österreichischen Melk, steht das südböhmische Atomkraftwerk Temelin erneut ganz oben auf der Tagesordnung. Nach der im Dezember getroffenen Vereinbarung haben am Freitag Energieexperten aus Tschechien, Österreich und der EU in Wien ihre Gespräche aufgenommen mit dem Ziel, dass die österreichische Seite all ihre Bedenken und Vorbehalte gegen die Sicherheit des AKW zur Sprache bringt. Diesem Treffen folgt alsbald ein zweites Treffen in Prag, bei dem die tschechische Seite die entsprechenden Antworten auf die vom Nachbarland aufgeworfenen Fragen präsentieren soll. Dem Treffen von Wien war allerdings der ungeplante Stopp des Probebetriebs im ersten Reaktorblock vorausgegangen, der erneut für Diskussionsstoff gesorgt hat. Welchen, dazu mehr von Lothar Martin.

Ein Defekt im AKW Temelin löst immer wieder Ängste und wilde Spekulationen unter den ablehnend zur Atomenergie stehenden Menschen aus. Angesichts der Katastrophe 1986 in Tschernobyl ist dies durchaus verständlich. Die tschechischen Betreiber von Temelin aber stehen mehr denn je bei jeder noch so kleinen Panne unter Erklärungszwang. Es ist ein Klima entstanden, was insbesondere das tschechisch-österreichische Verhältnis bis über das normale Maß hinaus angespannt hat. Letzter Grund, warum der umstrittene Atommeiler unlängst abgeschaltet wurde, waren Vibrationen in der Dampfrohrzuleitung zur energieerzeugenden Turbine. Ein Fakt, der den Probebetrieb als solches beeinflusste, die unmittelbare Sicherheit im Reaktorblock selbst aber nicht. Tschernobyl hat jedoch gezeigt, dass man jeder Instabilität im System, und sei sie noch so gerinfügig, nachgehen muss.

Zur Klärung der Ursache für die Vibrationen in der Dampfrohrzuleitung wurde die Firma Skoda Praha mit der Reparatur des defekten Teils beauftragt. Dem Tschechischen Rundfunk sagte der Mitarbeiter der Firma, Frantisek Horky, zu den durchgeführten Arbeiten folgendes: "Nach der Feststellung eines Risses in der Rohrleitung haben wir das defekte Teilstück herausgesägt und an die Techniker der Firma Skoda Energo in Plzen/Pilsen übergeben, die die Ursache für den Defekt feststellen sollen. Die Ergebnisse dieser Kontrollen liegen uns noch nicht vor, so dass wir noch nicht sagen können, wie es zu dem Defekt gekommen ist."

Wie der Sprecher des Unternehmens Skoda Praha Milan Kuchta am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur CTK mitteilte, ließen die vorläufigen Kontrollergebnisse jedoch darauf schließen, dass es sich bei dem Defekt um einen Produktionsfehler handelt, der vor rund zehn Jahren beim Walzen der Rohrleitungen entstanden ist. Auch der tschechische Fernsehsender Nova verwies in diesem Zusammenhang in einem Bericht darauf, dass im AKW schon einige Jahre alte Steuerungseinrichtungen eingebaut sind, die die Ursache für gewisse Probleme sein könnten. Eine Aussage, die der Sprecher der Skoda holding AG Plzen, Karel Samec, jedoch ein wenig relativiert, indem er festhielt, dass alle im Kraftwerk verwendeten Einrichtungen eine Betriebsdauer von 30 bis 40 Jahren aufweisen und daher nicht so schnell veraltet sein können. Ferner erklärte Samec: "Die gleichen Schwierigkeiten wären entstanden, wenn diese Turbine schon vor acht Jahren angelaufen wäre. Ich muss dazu bemerken, dass es sich um völlig normale Anlaufschwierigkeiten handelt, die typisch sowohl für alle klassischen als auch kernkraftbetriebenen Kraftwerke in der Welt sind. Dies haben uns vor Ort auch die Fachleute bestätigt, die wir konsultiert haben zu der Frage, wie die entstandenen Defekte zu beseitigen sind."

Bleibt die Frage, inwieweit sich die österreichische Seite mit diesen und anderen Argumenten der tschechische Betreiber von Temelin zufrieden gibt. Das Wichtigste aber ist, dass zum Streitfall Temelin endlich ein auf Sach- und Fachfragen bezogener Dialog zustande gekommen ist.