Traditionsclub Bohemians Prag in Konkurs - Fans starten einzigartige Rettungsaktion

Foto: CTK
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Im heutigen Sportreport stellt Ihnen Lothar Martin einen traditionellen Prager Fußballverein vor, der anstatt einer geplanten Hundertjahrfeier derzeit mit existenziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hat.

Der Fußball, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in England groß und populär geworden, erlebte in der Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auch in Mitteleuropa seine erste Blütezeit. Unzählige Clubs entstanden in Deutschland, Österreich-Ungarn, aber auch in Böhmen und Mähren, die in den zurückliegenden Jahren oder gerade in diesen Tagen auf ihren 100. Geburtstag zurückblicken können. Dieses runde Jubiläum wollte in diesem Jahr in Prag auch ein sehr beliebter tschechischer Club begehen, der seit Februar jedoch eher seinem Untergang entgegensieht als einer großen Jubelfeier. Es handelt sich um den FC Bohemians Prag, den rund 40 Millionen Kronen Schulden drücken und der deshalb Konkurs anmelden musste. Auch vom Böhmisch-Mährischen Fußballverband (CMFS) wurde ihm keine Gnadenfrist mehr gewährt. Den Grün-Weißen aus dem zehnten Prager Stadtbezirk, die im vergangenen Herbst noch in der zweithöchsten Spielklasse des Landes kickten, wurde vielmehr noch vor Beginn der Rückrunde die Lizenz entzogen. Das bedeutet, dass Bohemians zurzeit in keiner Liga spielt, und die letzten Getreuen des Vereins müssen bis zum Beginn der nächsten Saison zusehen, dass sie genügend finanzielle Mittel auftreiben, um mit dem ersten Männerteam eventuell in der dritten Liga wieder in den Punktspielbetrieb einzusteigen.
Bohemians-Stadion in Vrsovice | Foto: Kristýna Maková,  Radio Prague International
Ein schwieriges Unterfangen, dem sich jedoch unzählige treue Fans in Nachahmung der Anhänger des FC St. Pauli stellen und die bei ihren Initiativen nahezu nichts unversucht lassen. Doch wie konnte es überhaupt zu einem solchen Absturz des Traditionsclubs kommen? Die Misswirtschaft zieht sich leider schon seit 1987 wie ein roter Faden durch den Verein, egal ob die Funktionäre oder Präsidenten nun Obzina, Lacina, Svarc oder Vejsada hießen. Doch gerade der Letztgenannte, ein ehemaliger Ringer und Imbissverkäufer, wird jetzt dafür verantwortlich gemacht, den Verein vollends in den Ruin geführt zu haben. Deshalb wollte auch der populärste Vertreter der Bohemians-Ära, der Ex-Nationalspieler und Europameister von 1976 Antonin Panenka, partout nicht dessen Namen in den Mund nehmen, als wir das tschechische Fußballidol zunächst danach befragten, ob er sich vorstellen könne, dass es irgendwann einmal hier in Prag auch eine Feier zum 200. Geburtstag von Bohemians Prag geben werde:

"Nun, mir fällt es sehr schwer, darüber zu sprechen, denn Bohemians war und ist mein sportliches Leben. Ich bin bei diesem Verein mehr als 43 Jahre, die meiste Zeit als Spieler und die letzten 12 Jahre als Trainer, Co-Trainer und Funktionär. Ich habe es niemals für möglich gehalten, dass ein solch schöner und familiärer Verein in nur einem Jahr auf seinen Untergang zusteuert. Das habe ich niemals erwartet. Natürlich gab es auch bei Bohemians immer wieder Probleme mit der Finanzierung, so dass der Verein Ende 2003 ca. 20 Millionen Kronen Schulden hatte. Vor knapp anderthalb Jahren aber kommt ein Mann (Michal Vejsada, Anm. des Autors) in den Verein und wird innerhalb kurzer Zeit sein 100-prozentiger Aktionär. Ich weiß nicht, wie so etwas möglich ist. Nach dem einen Jahr aber, in dem er an der Führungsspitze von Bohemians steht, hat der Verein 40 Millionen Kronen Schulden. Er hat viele Spieler verkauft, andererseits aber weder einen Sponsor noch einen Investor gebracht. Überhaupt nichts. Nach sieben Monaten seiner Amtszeit erhalten die Spieler kein Monatsgehalt. Wer will mit solch einem Mann zusammenarbeiten? Auch von den anderen Vereinen wollte niemand helfen. Ich war zu seiner Amtszeit in der Marketingabteilung und habe mit vielen Firmen gesprochen, doch die sagten ständig: ´Solange dieser Mann an der Spitze des Vereins steht, gibt es mit uns keine Kooperation!"

Unternehmerischen Planungen zufolge ist es nicht auszuschließen, dass auf dem heutigen Stadiongrund demnächst bald ein großer Supermarkt stehen könnte. Was er davon halte, wollten wir von Panenka wissen:

"Das ist für mich auch so eine bedrückende Sache, denn unser Verein besteht nur noch aus seinen Jugendmannschaften und dem ersten Männerteam, und das ist alles. Die Lizenz zum Punktspielbetrieb wurde uns vor kurzem entzogen, was uns noch bleibt, sind das Logo und der Name. Aber zum Beispiel das Stadion gehört schon wieder anderen Leuten (der Gesellschaft Bohemians Real, Anm. des Autors). Und das war schon wieder das nächste Problem, denn viele Firmen wollten mitarbeiten oder Geld investieren, aber sie sagten auch: Es ist schwer etwas zu machen, wenn dieser Verein kein Stadion und damit kein eigenes Zuhause hat, wenn er quasi nichts als Gegenwert besitzt."

Foto: CTK
Eine ziemlich niederschmetternde Bestandsaufnahme für den Club, der 1983 tschechoslowakischer Meister war und in jenem Jahr auch seinen größten internationalen Erfolg feierte: den Einzug ins UEFA-Cup-Halbfinale. Daher stellte sich uns die Frage, was man derzeit überhaupt noch für den Verein tun könne:

"Wir haben ziemlich viel getan. Ich weiß davon, dass es wenigstens zwei, drei Gruppen gibt, die alles daransetzen, Bohemians zu retten. Wir haben zum Beispiel mit einer Firma gesprochen, die sagte: ´Ja, wir geben 15 Millionen Kronen, aber wir wollen, dass Sie, Herr Panenka, sowie einige andere Leute wieder für Bohemians arbeiten (Panenka war zuvor von Präsident Vejsada geschasst worden, Anm. des Autors). Einen Tag später aber hat in der Zeitung gestanden, dass Bohemians Logo und Name an einen anderen Verein verkauft hat. Daraufhin hat mich der Chef dieser Firma angerufen und gesagt: ´Wir nehmen Abstand von diesem Projekt, denn wir werden keinen Verein ohne Namen und ohne Logo kaufen´. Da hatte wieder dieser andere Mann (der Clubchef, Anm. des Autors) seine Hand im Spiel. Aber wir haben längst noch nicht aufgegeben. Es sind wieder zwei Gruppen, die etwas unternehmen wollen, eine davon sind die ganz normalen Fans. Sie wollen helfen so gut es geht, und sie wollen vor allem mit Herz helfen, das ist wichtig."

In wirklich beeindruckender Art und Weise haben die treuen Fans von Bohemians Prag auch dank ihrer eigens dafür gegründeten Vereinigung "Druzstvo fanousku Bohemians!" (kurz: DfB oder dt.: Genossenschaft der Bohemians-Fans) bisher 2,5 Millionen Kronen gesammelt, mit denen sie den allernotwendigsten Zahlungen zum Erhalt des Clubs und für dessen Spielberechtigung in der 3. Liga nachkommen wollen. Dafür laufen derzeit auch Erfolg versprechende Gespräche mit den Gläubigern zur Stundung der Schulden und mit den Verbandsoberen zur Verringerung der mit dem Lizenzentzug verbundenen Verbandsstrafe. Und dafür können auch wir nur die Daumen drücken. Wenn Sie aber mehr erfahren wollen, dann können Sie sich jederzeit aktuell auf den Internetseiten www.fc-bohemians.czüber das Wohl und Wehe des Clubs informieren.