Trennungen, Sex und Präsidenten - wir stopfen das Sommerloch
Es ist Sommer - und heiß. Das macht auch den Medien zu schaffen. Sie suchen zur Sauren-Gurken-Zeit händeringend nach Themen, mit denen sie ihre Zeilen füllen können. Bei tschechischen Zeitungen ist da vor allem die Umfrage beliebt. Wonach? Das ist nicht schwer und schon gar nicht entscheidend - solange es noch Politiker gibt, die sich von ihren Ehefrauen trennen und Präsidenten, die wieder gewählt und solche, die es erst werden wollen.
Vor einer Woche hatte die rechtsliberale "Lidove Noviny" die Ergebnisse einer in Auftrag gegebenen Umfrage zu den Trennungen von Jiri Paroubek und Mirek Topolanek veröffentlicht. Und zwar im Leitartikel mit dem Titel: "Trennungen? Paroubek ist besser". Gefragt wurde das Volk unter anderem:
"Halten Sie es für wichtig, dass Politiker ein ordentliches Familienleben führen?"
"Macht es Ihnen etwas aus, dass Jiri Paroubek sich eine neue Frau gesucht hat?"
"Macht es Ihnen etwas aus, dass Mirek Topolanek sich eine neue Frau gesucht hat?"
"Wer hat Ihrer Meinung nach die Trennung besser gemeistert, Topolanek oder Paroubek?"
Zur selben Zeit, als sich die "Lidove Noviny" mit ihrer Umfrage befasst, führt die Zeitung "Mlada Fronta Dnes" ein Exklusiv-Interview mit der neuen Freundin von Jiri Paroubek und schreckt auch nicht vor der Frage zurück:
"Wie kann es sein, dass so eine attraktive junge und fähige Frau wie Sie einen Menschen anziehend findet, der nicht gerade ein Symbol männlicher Schönheit ist?"
Die Antwort von Petra Kovacova: An Männern sei für Sie das Wichtigste der Intellekt. Da sei sie anspruchsvoll. Am meisten sexy sei bei Männern das Gehirn. Das veranlasste die "Mlada Fronta Dnes gleich zu einer Fortsetzung des Themas. Und zwar unter der schlichten wie unglaublichen Fragestellung: "Ist Jiri Paroubek sexy?" Dazu ein mit Pfeilen versehenes Bild von Paroubek, in dem die körperlichen Problemzonen besprochen wurden. Leser des Blattes waren aufgefordert abzustimmen. Das Ergebnis kann hier wohl vernachlässigt werden.
Der Kommentator der Wirtschaftszeitung "Hospodarske Noviny", Milos Cermak, rümpfte die Nase und reagierte am Donnerstag auf die Medialisierung der privaten Ereignisse des CSSD-Chefs. Cermak fühlte sich an einen englischen Ausspruch erinnert. Wenn sich etwas verschlechtert, was ohnehin nicht mehr viel taugt, dann bezeichne man das in England als "new low" - das neue Minimum, der neue Tiefstand. Da sei nämlich die Tageszeitung "Mlada Fronta Dnes" angekommen:
"Genau das passt auf die Art, wie die Zeitung ´Mlada Fronte Dnes´ mit der Eheaffäre von Jiri Paroubek umgeht... Wer möchte das lesen? Interessiert es jemanden, dass die Beseitigung einer großen Warze im Gesicht des ehemaligen Premiers nur ein paar hundert Kronen kosten würde, während das Fettabsaugen bei Männern im Bauchbereich problematisch sei? Muss wegen solch einem dummen Zeug eine Redakteurin Psychologen, Soziologen und plastische Chirurgen abklappern? Bei der ´Mlada Fronta Dnes´ antwortet man auf diese Frage mit ´ja´."Mit diesem Journalismus liege die "Mlada Fronta Dnes" in diesem Falle noch unter dem Niveau der Boulevardzeitung "Blesk", meint Milos Cermak, und unterscheidet zum Schluss seines Kommentars zwischen den wichtigen und den vielleicht interessanten Themen:
"Nichts spricht dagegen, dass sich eine Zeitung vom Wichtigen weg zum Interessanten orientiert. Damit aber verliert sie selbst ihre Wichtigkeit. Sie untergräbt damit das Grundkapital einer seriösen Zeitung: nämlich, dass wichtige und einflussreiche Leute sie ernst nehmen. Das gilt auch für Zeitungen in Tschechien."
Soweit der Kommentar in der "Hospodarske Noviny". Das ehemals offizielle Parteiblatt der Kommunisten, die "Pravo", hat diesem Thema im übrigen keine Zeile gewidmet.
Die "Pravo" befasste sich am Dienstag in einem Kommentar mit dem möglichen Gegenkandidaten zu Vaclav Klaus bei der Präsidentschaftswahl 2008: dem ehemaligen Dissidenten und ersten Außenminister der Nachwende-Tschechoslowakei, Jiri Dienstbier. Der hatte sich am Sonntag im Tschechischen Fernsehen zur bald anstehenden Wahl und zum derzeitigen Präsidenten Vaclav Klaus geäußert. Dieser sei, so Dienstbier, sei ein Alleswisser, der alles zu verstehen glaubt, vom Klima bis zur Architektur und der darüber hinaus noch von der Burg aus schlechte Stimmung verbreite. Der Kommentator der "Pravo", Alexandr Mitofanov, schreibt dazu:
"Schade, dass die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr keine direkten Wahlen sind. Der potentielle Herausforderer von Vaclav Klaus - Jiri Dienstbier - hat im Fernsehen kein Blatt vor den Mund genommen. Dabei war er nicht ordinär, er hat nur gesagt, was nicht nur ein tschechischer Bürger von dem Drittel der Nation denkt, das Vaclav Klaus nicht für einen ausgezeichneten Präsidenten hält."
Ähnlich bewertet den TV-Auftritt Dienstbiers auch Martin Zverina in der Zeitung "Lidove Noviny". Aber er hat auch kritische Anmerkungen:"Jiri Dienstbier hat vielen Mitbürgern aus der Seele gesprochen. Vaclav Klaus geht vielen Leuten gegen den Strich, weil er sich zu Problemen äußert, bei denen er kein Fachmann ist und auch nicht sein kann. Mit diesen Thesen hat Jiri Dienstbier bei Teilen der Wählerschaft gepunktet. Dann stieß er aber mit einer These vor, die wesentlich umstrittener ist. Zum Beispiel, dass das Staatsoberhaupt in Optimismus schwelgen solle. Warum um Gotteswillen? Warum um alles in der Welt sollte der Präsident nichts und niemanden kritisieren dürfen? Darf er sich etwa nicht - in sachlicher Form - gegen etwas aussprechen? Wir wagen zu behaupten, dass ein solcher Präsident der Republik nicht gut tun würde."
Dennoch kommt der Kommentator zu dem Schluss:
"Als möglicher Präsidentschaftskandidat hat Jiri Dienstbier nicht schlecht angefangen. Er hat Klaus´ Schwächen benannt, über die selbst jene nachdenken, die Dienstbier nicht wollen."