Tschechien baut teure Straßen und Brücken – Brüssel will das nicht mehr mitfinanzieren
Die Europäische Union will nicht länger tatenlos zuschauen, wie in Tschechien die vermutlich teuersten Straßen des Kontinents und andere überteuerte Verkehrsbauten entstehen. Projekte, die mit Hilfe von EU-Geldern finanziert werden. Eine Überprüfung des Europäischen Rechnungshofes beim Verkehrsministerium in Prag hat unlängst enthüllt, dass es angeblich acht Großaufträge in einem Gesamtwert von umgerechnet 165 Millionen Euro gibt, die sehr merkwürdig sind. Das Verkehrsministerium hat deshalb eiligst in Brüssel die Förderanträge für alle Verkehrsbauten zurückgezogen, um sie selbst noch einmal zu überprüfen.
Vladan Brož von der nichtstaatlichen Organisation Transparency International vermutet dahinter jedoch ganz andere Beweggründe:
„Den konkreten Grund, warum die Anträge zurückgezogen wurden, kenne ich nicht. Nichtsdestotrotz könnte die Maßnahme davon zeugen, dass man Kenntnis über Unregelmäßigkeiten hat. Es sind in erster Linie Unregelmäßigkeiten, die besagen, dass die Auswahlverfahren nicht standardgemäß abgelaufen sind.“
Die von Transparency International und anderen Organisationen oft genug kritisierten Praktiken bei der Vergabe öffentlicher Aufträge könnten der Tschechischen Republik also nun zum Verhängnis werden. Petr Holub, Redakteur des Internetservers aktuálně.cz, weiß auch warum es gerade jetzt zu dieser Drucksituation gekommen ist:
„Der Grund liegt ganz einfach darin, dass der Europäische Rechnungshof eingegriffen hat. Ansonsten ist es doch so: Das Abschöpfen der europäischen Gelder haben bei uns die Ministerien und in Brüssel die Europäische Kommission zu kontrollieren. Beide Institutionen haben jedoch ein Interesse daran, dass die Gelder wirklich genutzt werden. Sollte es dabei ein Problem geben, wird nachgebessert und alles ist okay. Der Europäische Rechnungshof indes sucht nach Fehlern und fordert deren Beseitigung, unabhängig davon, ob die EU-Gelder geschöpft werden oder nicht. Deshalb ist die Förderung durch EU-Gelder derzeit ernsthaft gefährdet.“
Das Verkehrsministerium steht also unter Druck. Noch weiß dort niemand, wann man die überprüften Förderanträge erneut in Brüssel einreichen wird. Verkehrsminister Radek Šmerda will es bis zum Jahresende schaffen. Die Europäische Union indes erwartet eine Erklärung schon weitaus früher – bis zu den Sommerferien. Und was passiert, wenn Brüssel die Zuschüsse nicht bewilligt? Ist der tschechische Staat trotzdem selbst in der Lage, den Ausbau der Infrastruktur zügig fortzusetzen? Dazu erklärte der sozialdemokratische Abgeordnete und frühere Wirtschaftsminister Milan Urban:„Das wird nicht klappen. Nur, wenn der staatliche Verkehrinfrastrukturfonds im kommenden Haushaltsjahr um mindestens zehn Milliarden Kronen erhöht wird.“
Die von der jetzigen Mitte-Rechts-Regierung angestrebte Politik der Haushaltskonsolidierung steht also ein weiteres Mal auf dem Prüfstand.