Tschechien befürchtet Nachteile am europäischen Zuckermarkt

Bisweilen verfolgt die Europäische Kommission andere Interessen als die einzelnen EU-Mitgliedsländer. Diese einfache Erkenntnis gilt seit dem 1. Mai auch für die neuen Staaten der Europäischen Union, darunter die Tschechische Republik. Jüngstes Beispiel: Die neuen Brüsseler Pläne zur Reform des Zuckermarktes in der EU stoßen in Prag auf wenig Gegenliebe. Mehr von Gerald Schubert:

Eine Senkung der garantierten Einkaufspreise am EU-Binnenmarkt, und zwar um mehr als 30 Prozent für Zucker und um knapp 40 Prozent für Zuckerrüben. So sieht es der Reformplan vor, den die Europäische Kommission vergangene Woche präsentiert hat. Außerdem will Brüssel die Produktionsquoten, die den einzelnen Mitgliedstaaten zugeteilt werden, schrittweise um 16 Prozent senken. Auf dem Brüsseler Treffen der EU-Landwirtschaftsminister am Montag hat der tschechische Ressortchef Jaroslav Palas ablehnend auf das Kommissionspapier reagiert. Grund: Die Reform sei nicht objektiv und würde die neuen Mitgliedsländer benachteiligen, so Palas. Und Ministeriumssprecher Martin Severa fügt hinzu:

"Wir halten diese Maßnahmen für diskriminierend und werden versuchen, eine für die Tschechische Republik ungünstige Situation zu verhindern."

Eine solche "ungünstige Situation", so sind sich die meisten Betroffenen einig, würde in Tschechien vor allem durch die Senkung der Produktionsquoten eintreten. Oldrich Reinberger, Generaldirektor der Zuckerfabrik TTD im mittelböhmischen Dobrovice:

"Wir können die verordnete Senkung der Zuckerproduktion und des Zuckerrübenanbaus in Tschechien nicht akzeptieren. Während der liberalen Entwicklung in den letzten dreizehn Jahren haben wir viel Geld investiert und haben heute eine sehr moderne Zuckerproduktion. Auch die Erträge im Rübenanbau sind meiner Meinung nach hervorragend. Und nun soll uns zum Lohn dafür die Produktion gekürzt werden."

So die Befürchtungen aus der tschechischen Zuckerindustrie. Landwirtschaftsminister Palas meinte sogar: Tschechien und die übrigen EU-Neulinge würden durch den Plan der Kommission zum selbst nicht mehr konkurrenzfähigen Absatzmarkt für die Überproduktion aus den alten Mitgliedsländern. Für Landwirtschaftskommissar Franz Fischler jedoch sollte die Reform so schnell wie möglich kommen. In der EU nämlich zahlen die Konsumenten immer noch zu hohe Zuckerpreise, die Abschirmung des Sektors gegenüber billigeren Zuckerproduzenten außerhalb der EU soll daher langfristig aufgehoben werden.

Ob nun Tschechien einverstanden ist oder nicht: Als vollwertiges EU-Mitglied ist das Land in alle Entscheidungen eingebunden. Und so schnell mahlen die Brüsseler Mühlen ohnehin nicht: Die nächste Verhandlungsrunde der EU-Landwirtschaftsminister zur Reform des Zuckermarktes wurde auf Oktober angesetzt.