"In Tschechien besser bekannt" - Historikerin Hannig über Thronfolger Franz Ferdinand
In Kürze jährt sich das Attentat von Sarajevo zum 100. Mal. Dabei kam das österreichische Thronfolgerpaar Franz Ferdinand und seine Frau Sophie um, der Mord löste den Ersten Weltkrieg aus. Mit Franz Ferdinands Rolle in der Politik und Diplomatie befasst sich die deutsche Historikerin Alma Hannig in ihrem Buch über den Thronfolger. Sie schildert den Lebensweg des Erzherzogs und porträtiert ihn sowohl als glücklichen Familienvater als auch als Machtpolitiker. Hannig hat das Buch diese Woche im Österreichischen Kulturforum in Prag vorgestellt.
„Ja, ich habe auch den Eindruck, dass er hierzulande etwas bekannter und präsenter ist. Dazu leistet das Schloss Konopiště / Konopischt einen großen Beitrag und auch das Interesse der Menschen ist viel größer. In Österreich oder in anderen Staaten verbinden alle seinen Namen nur mit dem Attentat, aber an seiner Person wird nicht so viel Interesse gezeigt. Es sei denn, man spricht ein bisschen über die Jagd, da kann jeder mal mitreden. Aber ansonsten interessieren sich eigentlich nicht so viele Menschen für ihn als Person oder für das, wofür er stand. Ganz im Gegensatz zu hier: Aus Prag oder von Kollegen, die ich aus anderen Städten kenne, habe ich erfahren, dass der einstige Thronfolger ein Thema ist, für das sich die Menschen wirklich interessieren.“
Franz Ferdinand war aber auch zu Lebzeiten wenig präsent und verhältnismäßig unbekannt. Wie kommt das bei einem Thronfolger?„Dies hat verschiedene Gründe. Er ist zu einer sehr ungünstigen Zeit Thronfolger geworden. Als Kronprinz Rudolf Selbstmord begangen hat, ist Franz Ferdinand sein Nachfolger geworden. Da konnte man ihn nicht so feierlich mit vielen Presseartikeln vorstellen, wie man das ansonsten bei einem Thronfolger gemacht hat. Es war einfach eine sehr unschöne Situation. Nach seiner Heirat mit Sophie Chotek hat sich Franz Ferdinand zudem sehr stark zurückgezogen, er war kaum noch in Wien anzutreffen. Und wer nicht in Wien weilte, war auch nicht bekannt und kaum präsent.“
Auf den Fotos, die man von ihm kennt, sieht er meistens sehr steif und streng aus. Aber auf dem Umschlag Ihres Buchs findet man ein sehr lustiges Foto von ihm. War er wirklich ein witziger, lustiger Mensch?
„Ja, er war ein sehr humorvoller Mensch, der auch im Umgang mit seinen Freunden und zum Teil mit seinen Bediensteten sehr witzig war. Aber bei öffentlichen Veranstaltungen hat er das Bild abgegeben, das Sie gerade geschildert haben. Alle offiziellen Fotos sind so. Doch die meisten Fotografien, die ich kenne, stammen aus dem privaten Besitz. Und da sieht man einen unglaublich gut gelaunten Menschen, der immer in Zivil gekleidet unterwegs war und mit vielen Menschen auch sehr viel Spaß hatte. Mit seinen Freunden sieht man ihn immer lachend und gut gelaunt bei ganz verschiedenen Anlässen. Die Außendarstellung für die Öffentlichkeit sah also ganz anders aus. Da ist eine große Diskrepanz.“Im Zusammenhang mit dem bevorstehenden 100. Jahrestag des Attentats von Sarajevo werden hierzulande viele Veranstaltungen organisiert. Manchmal wird dabei die Frage gestellt, was wäre, wenn es nicht zu dem Attentat gekommen wäre. Hatte Franz Ferdinand damals die Vorstellung von einer Reform?„Er hatte unterschiedliche Vorstellungen. Er hat sie aber stark von den äußeren Umständen abhängig gemacht, weil die Habsburger Monarchie in einer sehr ungünstigen Situation war. Da sie gerade in der letzten Phase sehr instabil war, kann man auch kein konkretes Programm finden. Aber man findet viele Hinweise darüber, was er für unpassend hielt. Eine Gleichberechtigung der Völker sollte es seinen Vorstellungen zufolge schon geben, aber keine Beteiligung an der Macht.“
Wo haben Sie nach Unterlagen für das Buch gesucht? Haben Sie bei Ihren Forschungen etwas völlig Neues entdeckt?„Ja, ich habe viele neue Quellen gefunden. Einige Nachlässe habe ich in Brno / Brünn entdeckt. Vieles davon habe ich in privaten Archiven gefunden, es handelte sich um Nachlässe von Franz Ferdinands Freunden, von seinen Diplomaten, die er eingesetzt hat. In diesen privaten Archiven habe ich tatsächlich auch völlig neue Quellen gefunden, die das Erscheinungsbild von Franz Ferdinand schon deutlich verändern.“
Gibt es Interesse an einer Übersetzung des Buchs in Tschechische?
„Ich hoffe schon. Es war zumindest ein Gesprächsthema mit meinem österreichischen Verlag. Mich würde es sehr freuen, wenn das Buch ins Tschechische übersetzt würde.“