Tschechien: Debatte "weniger Freiheit für mehr Sicherheit" ist angelaufen

Das Gebäude des zivilen Geheimdienstes BIS in Prag

Die am vergangenen Freitag vom tschechischen Abgeordnetenhaus in Prag verabschiedete Gesetzesnovelle, der zufolge der Polizei und den Geheimdiensten des Landes größere Kompetenzen eingeräumt werden sollen, hat eine rege Debatte in der politischen Landschaft ausgelöst, und zwar darüber, inwieweit erhöhte Befugnisse dieser Organe die Rechte und persönlichen Freiheiten der Bürger einschränken könnten. Andererseits zeigen erste Studien, dass insbesondere die zivilen Geheimdienste zum Handeln gezwungen sind. Mehr zu diesem Thema von Lothar Martin.

Präsident Václav Havel hatte es auf den Punkt gebracht, als er sagte, dass sich in der geheimdienstlichen Tätigkeit etwas ändern müsse. Doch über das "Wie" dieser Änderungen wird zur Zeit trefflich - quer durch alle Parteien und politischen Entscheidungsträger - debattiert und gestritten. Der Chef des zivilen Nachrichtendienstes BIS, Jirí Ruzek, ist sich deshalb auch sicher, dass die ersten Meinungsäußerungen zu diesem Thema noch in eine ernsthafte Debatte münden werden: "Es wird alles auf eine tiefgreifende und fachlich kompetente Debatte hinaus laufen, die klare Aussagen darüber treffen muss, in welchen Bereichen die geheimdienstliche Tätigkeit beschränkt sein wird und welche Mittel ihr demgegenüber an die Hand gegeben werden. Denn die andere Seite ist natürlich bestrebt, die Bürgerrechte und die persönlichen Freiheiten zu schützen."

Zur anderen Seite, wie sie Ruzek nennt, gehören vor allem die Politiker des bürgerlichen Lagers, allen voran die Vertreter der größten Oppositionspartei des Landes, der Demokratischen Bürgerpartei (ODS). Einige ODS-Abgeordnete warnen insbesondere vor dem Missbrauch bei der möglichen Erweiterung der Kompetenzen für Polizei und Geheimdienste. Der Abgeordnetenchef des Ausschusses für Verteidigung und Sicherheit, Petr Necas (ODS), tritt daher für eine beschränkte Erweiterung dieser Kompetenzen ein: "Im Sinne einer personellen und materiell verbesserten Aufstockung der Ausstattung, die zu einem größeren Ausmaß der Geheimdiensttätigkeit in Tschechien und möglicherweise auch auf anderen Territorien dieser Welt beitragen sollte, sage ich ganz sicher ja. Aber wenn Sie mich fragen, ob diese Kompetenzen zum Beispiel auch den erleichterten Zugang zum Abhören von Telefonaten oder anderen Eingriffen in die persönlichen Freiheiten zur Folge haben sollten, dann warne ich sehr davor, dass die gegenwärtige Situation zu solchen oder ähnlichen Schritten missbraucht wird."

Wo beginnen sie also, die angestrebten neuen Vollmachten für Polizei und Geheimdienst, und wo hören Sie auf. Diese Debatte wird die Politiker womöglich noch bis zum Jahresende vereinnahmen. Die Bevölkerung hat sich unterdessen in einer Blitzumfrage bereits geäußert. Nach den in der Mittwochausgabe der Tageszeitung "Lidové noviny" veröffentlichten Angaben sind 83,2 Prozent der Bürger einverstanden mit der Erweiterung der Kompetenzen für Polizei und Geheimdienst - selbst bei einer Einschränkung der Bürgerrechte, falls dies mehr Sicherheit vor eventuellen terroristischen Angriffen verspricht.

Dass die tschechischen Geheimdienste ihren Wirkungsgrad ganz sicher erhöhen müssen, belegt der letzte Bericht des zivilen Nachrichtendienstes BIS. Danach nutzen Terroristen und deren "Verbindungsleute" die Tschechische Republik wegen ihrer günstigen Lage im Herzen Europas als Hinterland für die Planung ihrer Operationen. Als typischer Beleg für das Versagen der hiesigen Geheimdienste in der Vergangenheit wird dabei der Kauf von neun tschechischen Hotels durch die maltesisch-libysche Hotelkette Corinthia angeführt, zu der es im Februar 1998 gekommen ist. Solche und ähnliche Transaktionen sollen in Zukunft verhindert werden.