Tschechien: Eishockey auf dem Weg zur Pool-Position - Fußball kurz vor dem Abgrund

Fußball und Eishockey, die beiden in Tschechien populärsten Sportarten, stehen gerade in den zurückliegenden Wochen wieder auf dem Prüfstand. Denn das Mannschaftsspiel der Kufenflitzer und Puckjäger ist hierzulande gerade dabei, den Ball tretenden Kickern fürs erste den Rang abzulaufen, sprich: sich zur Publikumssportart Nr. 1 zu mausern. Wenn man sich nur die internationalen Erfolge zu Rate zieht, dann ist das Eishockey schon längst die Nr. 1 unter den tschechischen Sportarten. Doch dem hält man nicht ganz zu Unrecht entgegen, dass sich die Weltelite in dieser Sportart nur auf einige wenige Länder konzentriert, während Fußball weltweit auf einem mehr oder minder hohen Niveau gespielt wird. Deshalb habe der dritte Platz der Fußballer bei der Europameisterschaft in Portugal mithin den gleichen Stellenwert wie ein WM-Titel der Eishockeyspieler, heißt es.

Aber im sportlichen Alltag sieht es mittlerweile anders aus. Während man in der obersten Spielklasse des tschechischen Fußballs, der so genannten Gambrinus-Liga, noch voll und ganz in den Ermittlungen zur Aufdeckung des bisher größten Korruptionsskandals steckt, verzeichnet die Tipsport-Extraliga - so die Bezeichnung für die hiesige Eliteliga im Eishockey - einen regelrechten Zuschauerboom. Der Grund für die gestiegene Nachfrage in dieser Sportart liegt auf der Hand: Der Tarifstreit in der anerkannt weltbesten Eishockeyliga, der von den USA und Kanada ausgerichteten National Hockey League, kurz: NHL. Da sich die Besitzer der NHL-Clubs und die Spielergewerkschaft NHLPA nach Ablauf des zehnjährigen Tarifvertrages im September dieses Jahres noch auf keinen neuen Vertrag einigen konnten, finden in dieser Liga derzeit keine Spiele statt und eine Großzahl von NHL-Cracks schwingt daher gegenwärtig in europäischen Teams die Eishockeykelle. Ein Umstand, der insbesondere der Tipsport-Extraliga zu Gute kam, denn in ihren 14 Clubs jagen momentan nicht weniger als 50 Tschechen und Slowaken der Scheibe nach, die ansonsten in Übersee ihr Geld verdienen. Darunter absolute Spitzenstars wie Jaromír Jágr, Milan Hejduk oder Petr Nedved, die mit ihrem Können die Fans elektrisieren und in die Arenen locken. Schon nach nur wenigen Spieltagen war der Zuschauerschnitt in der Extraliga von 4145 Besuchern pro Spiel im vergangenen Jahr auf rund 5500 Besucher je Begegnung in dieser Saison gestiegen. Auch das am vergangenen Sonntag stattgefundene Hauptstadtderby zwischen Sparta und Slavia Prag war wieder ein Zuschauermagnet. Nach dieser Partie, die mit 4:2 von den Spartanern gewonnen wurde, hatte ich Gelegenheit, mit dem Torwart des HC Sparta, Petr Bríza, über die Entwicklung in der Extraliga zu sprechen:

Herr Bríza, Sie haben in Ihrer Karriere schon so viel erlebt, Sie haben u. a. in Finnland und in Deutschland gespielt. Wo reiht sich da bei Ihnen die laufende Saison ein, wo eine so große Ansammlung von NHL-Cracks hier in Tschechien spielt? Ist diese Saison vielleicht gar noch ein Karriere-Höhepunkt für Sie?

Bríza: "Nun, ein Höhepunkt sicherlich nicht. Klar, es sind jetzt rund 50 NHL-Spieler hier in der tschechischen Extraliga, und es hat sich bestätigt, dass zehn bis zwanzig von ihnen absolute Superstars und daher auch in Übersee sehr anerkannt sind. Die Anderen aus der NHL sind auch sehr gute Spieler, aber nicht wenige von ihnen haben vielleicht ein paar Probleme mit dem europäischen Eishockeystil. Von ihrem Spielertyp her sind sie wohl eher in der NHL zu Hause. Ich denke nicht, dass die Extraliga auf einmal super, super ist, und dass dann, wenn die NHL-Cracks wieder abwandern, die tschechische Liga scheinbar wieder droht, zweitklassig zu werden. Die NHL-Cracks haben bestimmt sehr viel Positives gebracht, vor allem haben sie das Interesse der Medien geweckt. Die anderen Spieler lernen auch von ihnen, und ich denke, der gute Punkt ist der, dass man sehen kann, wie gerade diese Spieler einen Fehler eiskalt bestrafen können. Was sie dabei zum Teil leisten, ist beispielhaft, denn die NHL-Spieler warten mithin solange, bis man den Fehler macht, und dann können sie ihn gnadenlos ausnutzen. Und das ist das, was die Anderen auch lernen können."

Ich merke schon, Sie relativieren die Meinung unzähliger Experten ein wenig, die eben gerade davon sprachen, wie toll und super die Liga derzeit ist. Sind es daher für Sie solche Dinge wie das gestiegene Zuschauer- und Medieninteresse, nach denen die Behauptung aufgestellt wird, dass die Liga an Popularität gewonnen hat?

Bríza: "Ja, sicherlich. Es ist jetzt ganz sicher die Frage vom tschechischen Eishockeyverband, von den Medien und von allen, die für den Eishockeysport arbeiten, dass sie versuchen, das Interesse am Eishockey bei den Sponsoren, beim Fernsehen und bei den Zuschauern hochzuhalten, auch für den Fall, dass die NHL-Spieler noch in dieser Saison wieder nach Übersee zurück müssen. Sie müssen ganz einfach dafür sorgen, dass das Eishockey von der jetzigen Situation langfristig profitieren kann. Ich denke, dass sich die Nachfrage nach Eishockey jetzt auch in den anderen großen Ligen in Europa erhöht hat, doch wir sind ein Land mit einer großen Eishockeytradition, und daher ist dieser Boom für uns sehr wichtig. Ganz besonders in dieser Zeit, wo der Fußballsport hierzulande unter einer großen Korruptionsaffäre leidet, da die gute Chance besteht, die Pool-Position unter den attraktivsten Sportarten im Lande zu erobern."

Hat sich für Sie mit dem Zustrom der NHL-Cracks etwas geändert? Sind die Spiele schneller geworden? Oder gibt es unter diesen Spielen Akteure mit besonderen Fähigkeiten, auf die man sich als Torwart erst einstellen muss?

Bríza: "Ich denke nicht, dass die Spiele generell schneller geworden sind. Wie ich schon gesagt habe, der größte Unterschied zu dem Können der eigentlichen Extraligaspieler ist der, dass nicht wenige der NHL-Cracks auf kleinster Fläche, sagen wir auf ein paar Quadratmetern zaubern können, und dass sie den kleinsten Fehler - zum Beispiel wenn man den Puck in der Ecke verliert - gnadenlos ausnutzen können. Sie können das Spiel lesen und sind selbstverständlich sehr gefährlich, wenn ihre Mannschaft eine Überzahl hat. Zudem kann man generell sagen, dass die Liga ausgeglichener geworden ist, da jede Mannschaft im Prinzip eine starke Reihe dazubekommen hat - also drei bis fünf NHL-Spieler, und das ist schon zu spüren."

Würden Sie sich wünschen, dass die laufende Ligasaison so zu Ende gespielt wird, wie sie angefangen hat, d. h. mit allen Spielern aus der NHL? Oder wäre Ihnen das egal, wenn die NHL-Cracks mitten in der Saison wieder zurück müssten?

Bríza: "Das ist mir egal. Ich denke, das ist einfach die Situation, wie sie jetzt ist. Und was dann kommt, ob die NHL im Januar 2005 vielleicht doch noch beginnt und die Spieler wieder nach Übersee abwandern - man muss es so nehmen, wie es einem das Leben bringt."


Im tschechischen Clubfußball hingegen sieht es düster aus. Einzig und allein Rekordmeister Sparta Prag ist in den europäischen Wettbewerben noch vertreten, und die Hauptstädter sind auch in der heimischen Liga als einzige Mannschaft noch ungeschlagen. Nachdem sich die Prager jedoch nur mit viel Kampf und Krampf die Teilnahme in der Champions League gesichert hatten, sind sie in diesem Wettbewerb noch ohne Sieg. Das 0:0 gegen das englische Topteam Manchester United war andererseits schon mal ein Silberstreif am Horizont. Und wie stuft Sparta-Trainer Frantisek Straka die Entwicklung seiner Mannschaft ein? Ich habe ihn nach dem ManU-Spiel dazu befragt:

Herr Straka, Sie haben gesagt, Sie sind stolz auf Ihre Mannschaft, nur das Ergebnis stimmte nicht. Aber wenn man das vergleicht mit den vorangegangenen Champions League-Spielen, wären mit der heutigen Leistung auch Punktgewinne gegen die anderen Gruppengegner möglich gewesen?

Straka: "Ach, das sind verschiedene Spiele. Olympique Lyon hat bei uns phantastisch gespielt, wir aber mit einem anderen System, was nicht so aufgegangen ist. Und heute, das war auch ein Spiel, wo ich nicht so zufrieden bin. Denn wir haben uns toll präsentiert, doch schade, leider haben wir keine unserer drei, vier hochkarätigen Chancen genutzt. Zudem hat der Schiedsrichter das Spiel leider ein wenig zu unseren Ungunsten beeinflusst, egal ob nun bewusst oder unbewusst. Denn im Spiel gab es zwei strittige Situationen, nach denen wir einen Elfmeter absolut hätten kriegen müssen! Daher bin ich enttäuscht, denn wir hätten heute unbedingt ein Tor schießen müssen!"

Herr Straka, wir beide wissen ja, wie sich Sparta in der Champions-League-Qualifikation gegen Nikosia und Ferencvaros Budapest gequält hat. Sind Sie daher mit der Entwicklung der Mannschaft zufrieden, wie sie sich jetzt reinhaut in diese Spiele?

Straka: "In jedem Fall. Wenn man bedenkt, dass ich den Spielerkader erst 14 Tage vor dem Beginn der Qualifikation zur Champions League unter meine Fittiche bekommen habe, dann ist eine Folge davon auch, dass man nicht so eingespielt ist und dass wir anfangs daher solche Probleme hatten. Jetzt aber hat sich alles stabilisiert, vor allem meine Abwehr, das war sehr wichtig, und letztlich hat die Mannschaft auch entscheidende Tore geschossen. Wir haben uns in jedem Falle gesteigert, jeder weiß, was er spielen muss, und es sieht zurzeit nicht schlecht aus. Doch wir müssen weiter hart arbeiten. Nur: Wenn die Mannschaft weiter so spielen wird und die Spieler sich so präsentieren wie heute, dann wartet wahrscheinlich in der Winterpause infolge von Spielerverkäufen wieder so eine große Arbeit für mich, und das möchte ich lieber nicht kommentieren."