Tschechien in Europa

Herzlich willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, zu einer weiteren Ausgabe von Eurodomino. Es vergeht kaum ein Tag, an dem sich nicht etwas Neues in den EU-Beitrittsgesprächen ereignen würde. Nach langen Monaten scheint die Sache wirklich ins Rollen zu kommen. Eine der meist diskutierten Fragen ist und bleibt wahrscheinlich die Freizügigkeit der Arbeitskräfte nach dem Beitritt der neuen Länder, mit der wir uns bereits in der letzten Ausgabe von Eurodomino befasst haben. Daran wollen wir nun anknüpfen und Ihnen weitere Aspekte der Thematik präsentieren. Unter anderem werden wir uns mit einer Umfrage befassen, die sich mit diesem Thema auseinandersetzt. Am Mikrophon begrüßen Sie hierzu Olaf Barth und Dagmar Keberlova.

Am vergangenen Montag haben die Außenminister der 15 EU-Staaten in Nizza den EU-Reformvertrag feierlich unterzeichnet, der die EU auf die Ost-Erweiterung vorbereiten soll. Damit ist ein Schritt gemacht worden, der nicht mehr zurückgenommen werden kann. Aber auch in weniger offiziellen Angelegenheiten ist eine Bewegung zu sehen, beispielsweise darin, dass die EU der Tschechischen Republik die erste Sonderregelung zugesagt hat. "Wenn Sonderregelungen angenommen werden, bedeutet es, dass wir begonnen haben, entscheidende Fragen zu lösen," hieß es vergangene Woche in Brüsseler EU-Kreisen.

Zu den härtesten Nüssen gehört die Freizügigkeit der Arbeitskräfte, zu der derzeit von der Europäischen Kommission- wie zu weiteren schwierigen Fragen - vorerst eine Analyse mit einigen Lösungsvarianten ausgearbeitet und erst dann weiter mit den Kandidatenländern verhandelt wird. Die Lösungsvarianten seien sehr unterschiedlich, von einer vollen Liberalisierung bis zu langen Übergangsfristen. Zu dieser Problematik befragten wir auch Rainer Brinkmann, SPD-Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Herr Brinkmann sieht die Übergangsfrist in dieser Frage als eine Notwendigkeit, diese sollte aber nicht allzu lang sein:

Die tschechischen Politiker sind meistens einer anderen Ansicht. So lehnten bei einer öffentlichen Anhörung am vergangenen Dienstag im Europäischen Parlament zwei tschechische Parlamentarier die Übergangsfrist für die Freizügigkeit der Arbeitskräfte aus den neuen Ländern, also auch aus Tschechien, resolut ab. Der ODS-Abgeordnete Petr Necas und der Senator der Viererkoalition Edvard Outrata bezeichneten die vier Freiheiten, also des freien Warenverkehrs, der Dienste, der Arbeitskräfte und des Kapitals, als nicht anzuzweifelnde Pfeiler der EU, von denen man nicht abtreten solle und über die intensiv verhandelt werden müsse.

Und wie sieht die Problematik aus, wenn man sie von der Verhandlungsebene runternimmt und sich unter dem Fußvolk umhört? Mitte Februar wurde zum ersten Mal überhaupt eine Meinungsumfrage zu dieser Thematik durchgeführt. Dabei kam heraus, dass 71 Prozent der Tschechen mit einer Übergangsfrist für die Freizügigkeit der Arbeitskräfte nicht einverstanden ist. 22 Prozent zeigten sich mit dieser Einschränkung einverstanden. Soweit die Ergebnisse der Meinungsumfrage, die von Institut STEM durchgeführt wurde. Wir hörten uns in den Prager Straßen um und hielten für sie einige Meinungen fest. Die Frage lautete, ob sich die Menschen vorstellen könnten, nach dem EU-Beitritt Tschechiens in ein anderes EU-Land arbeiten zu gehen und ob sie begrüßen würden, wenn tschechische Bürger dies gleich nach dem EU-Beitritt Tschechiens dürften:

"Mir ist es egal, ob Tschechen dann in einem anderen Staat arbeiten können oder nicht, aber ich glaube, dass sie diese Möglichkeit angesichts einer globalen Gerechtigkeit auf jeden Fall haben sollten. Es hat keinen Sinn zu differenzieren, nach dem Motto, einige dürfen und einige nicht. Dann ist es keine EU mehr. Für mich persönlich wird sich nichts ändern, denn ich arbeite hier und dabei bleibt es auch. Mir geht es nur um die Gleichheit, also darum, als gleichgestellter Partner behandelt zu werden."

"Für mich persönlich könnte ich mir das nicht vorstellen, da ich in einem Bereich arbeite, wo ich an Tschechien gebunden bin. Aber sonst, warum nicht. Für Tschechen ist das sicher gut, aber ich glaube, dass es denjenigen nicht gefallen würde, zu denen sie hingehen würden."

"Für andere Menschen bestimmt von Vorteil, aber für uns kommt es nicht in Frage, da wir eine Familie gründen wollen. Mein Mann würde sicher als Computerspezialist eine gute Anstellung finden, aber ich bin ein Patriot und so werden wir sicher auch später nicht in ein anderes Land gehen."





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union.



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt

Autoren: Olaf Barth , Dagmar Keberlova
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