Tschechien exportiert mehr Waffen – auch in unsichere Staaten
Die tschechischen Rüstungshändler reiben sich derzeit die Hände. Schon das vierte Jahr in Folge steigen ihre Exportzahlen. Was die Hersteller freut, lässt Menschenrechtler aber die Stirn runzeln. Sie haben Bedenken wegen einiger Zielländer. Radio Prag hat sich mit beiden Seiten unterhalten.
„Es gibt zwar keine genauen statistischen Erhebungen dazu, aber unseren Schätzungen zufolge gehen rund 90 Prozent der Produktion in den Export. Tschechien hat eben eine starke Rüstungsindustrie, allerdings nur eine kleine Armee.“
Einstige Rüstungsschmiede Tschechoslowakei
Die Tschechoslowakei war einst eine Exportgroßmacht bei Rüstungsgütern. Zwischen den Kriegen wurde modernste Militärtechnik in den Fabriken hierzulande geschmiedet. 1934 und 1935 bestimmte die Republik sogar rund ein Viertel des weltweiten Waffenhandels. Das heutige Tschechien knüpft daran an, wenn auch nicht in dem Maß. Die Exportzahlen steigen aber seit einiger Zeit, der Hintergrund sind die vielen militärischen Konflikte und die Rüstungsspirale. Für dieses Jahr erwartet die Branche neue Rekordzahlen. Militärtechnik und Waffen im Wert von 20 Milliarden Kronen (770 Millionen Euro) sollen dann aus Tschechien in andere Länder geschickt werden. Im Verband der Waffenhersteller sind mehr als 100 Firmen zusammengeschlossen.
„Ich wage zu behaupten, dass wir mit unserem Verband den größten Bereich der Verteidigungs- und Sicherheitsbranche in Tschechien abdecken. Dennoch gibt es sicher auch eine Reihe kleinerer Firmen, die nur mit einem Teil ihrer Produktion zur Waffenindustrie gehören. Aber die 100 Firmen, die wir vertreten, sind die wichtigsten der Branche“, so Jiří Hynek.Und wohin exportieren diese Firmen hauptsächlich?
„Zum Glück haben wir sehr unterschiedliche Abnehmer. 30 Prozent des Exports gehen in die Europäische Union, 24 Prozent in den Nahen Osten. Wenn man nach den Ländern geht, dann liegt der Irak mit einem Marktanteil zehn Prozent vorne. Das allerdings liegt vor allem an der Lieferung von Kampfjets des Typs L-159.“
Diese Kampfjets braucht Tschechien nicht mehr. Prag hat sie der irakischen Armee nun für den Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ geliefert.
Kampfjets in den Irak
Die Frage nach den Zielländern ist immer ein heikles Kapitel. Liegen diese außerhalb der Europäischen Union, dann muss jede Lieferung von Waffen und sogenannten Dual-Use-Gütern – also ziviler Technik, die auch militärisch eingesetzt werden kann – extra genehmigt werden. Die Lizenzen vergibt das Industrie- und Handelsministerium nach Konsultation mit den Kollegen aus dem Außen-, Innen- und Verteidigungsministerium. Dabei ist man unter anderem an den ersten weltweiten Vertrag der Vereinten Nationen über Waffenhandel gebunden. Denn auch Prag hat diesen unterschrieben und 2014 ratifiziert. Martin Balcar leitet bei Amnesty International in Tschechien eine Kampagne gegen verantwortungslosen Waffenexport. Was bedeutet das?„Wir wollen nicht den Handel mit Waffen an sich verbieten lassen. Wir wollen aber sehr deutlich die Ministerien und staatlichen Behörden daran erinnern, dass sie bei der Vergabe der Lizenzen die internationalen Standards und Regeln einhalten müssen. Und die sagen ganz klar, egal ob es EU- oder Uno-Verträge sind: Jeder Staat ist verpflichtet, die Ausfuhr in solche Länder zu verhindern, in denen auch nur das Risiko eines Missbrauchs droht. Das muss betont werden. Es geht also nicht nur darum, ob in dem Staat selbst die Waffen falsch eingesetzt werden. Sondern damit ist auch gemeint, dass dort beispielsweise Waffen verschwinden, gestohlen oder weiterverkauft werden könnten.“Und das genau sei im Falle tschechischer Waffenexporte aber geschehen, sagt Balcar. Auf seiner Webseite nennt Amnesty für das Jahr 2015 insgesamt 34 solche umstrittenen Staaten. Der Kampagnenchef betont allerdings, dass sich die Lage schnell ändern könne. Aktuell kritisiert er beispielsweise folgende Zielländer:
„Wir denken, dass Waffen, die an Saudi-Arabien geliefert werden, derzeit auch im Jemen-Krieg eingesetzt werden könnten. Dieser Konflikt verstößt grob gegen internationales Recht. Außerdem haben wir große Bedenken bei einigen Waffenlieferungen zum Beispiel an die Vereinigten Arabischen Emirate, nach Aserbaidschan oder Vietnam.“Amnesty kritisiert Lieferungen an Saudi-Arabien
Die Waffenhändler in Tschechien behaupten jedoch, dass die internationalen Kontrollen schon jetzt streng seien. Verbandspräsident Jiří Hynek:
„Ehrlich gesagt hat kein tschechischer Hersteller ein Interesse daran, dass seine Waffen in die Hände beispielsweise des Islamischen Staates geraten. Das wäre für ihn zum einen eine geschäftliche Katastrophe, zum anderen möchte niemand eine solche Vereinigung unterstützen.“Doch was ist mit den Verstößen gegen Menschenrechte in den Zielländern wie beispielsweise Saudi-Arabien? Nur wenige EU-Staaten berücksichtigen dies bisher bei ihren Exportlizenzen für Rüstungsmaterial, auch nicht die deutsche Bundesregierung. Im Falle von Saudi-Arabien haben die Niederlande als erster Staat der Europäischen Union ein Verbot ausgesprochen – allerdings auf Betreiben des Parlaments, das anderswo gar nicht mitsprechen darf. Und in Schweden hat sich an diesem Montag die rot-grüne Minderheitsregierung mit der bürgerlichen Opposition auf deutlich schärfere Waffenexportgesetze geeinigt. So sollen die Ausfuhren auch vom Demokratisierungsgrad im Empfängerland abhängig gemacht werden.
In Tschechien gibt es indes keinen Trend in diese Richtung. Im Gegenteil, wie Martin Balcar erläutert:„Staatspräsident Miloš Zeman hat auf der Rüstungsmesse Idet in Brünn gesagt, dass die Exportkontrollen ein überflüssiges bürokratisches Hindernis seien. Wir halten es hingegen für ausgesprochen notwendig, dass das Außenministerium wegen der Gefahr des Missbrauchs von Waffen ihre Ausfuhr in bestimmte Länder verbieten kann. Aber es besteht ein ständiger Druck vom Staatspräsidenten, von Waffenherstellern sowie von einigen Abgeordneten und Senatoren, diese Kontrollfunktion abzuschaffen. Deswegen handelt es sich hier um eine politische Frage.“