Tschechien nominiert Vladimír Dlouhý als OECD-Generalsekretär

Vladimír Dlouhý (Foto: Archiv des tschechischen Außenministeriums)

Tschechien bewirbt sich zum ersten Mal in der Geschichte um den Posten des Generalsekretärs der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Nominiert wird der Ökonom und Präsident der Wirtschaftskammer, Vladimír Dlouhý.

Foto: Tiraden,  CC BY-SA 4.0

Der 66-jährige Vladimír Dlouhý war als Wirtschaftsminister eine der führenden Persönlichkeiten der ökonomischen Transformation Tschechiens in den 1990er Jahren. Diese Erfahrung hält er für sehr wichtig bei seiner Kandidatur, sagte Dlouhý in einem Interview für die englische Redaktion von Radio Prag International:
 
„Denn wir waren damals mit neuen Herausforderungen konfrontiert, die sich aus dem grundsätzlichen Wandel von einer Planwirtschaft zu einer Marktwirtschaft ergaben. Es gab keine bekannte Lösung für eine so große Privatisierung oder Transformation. Ich musste ein großes Ministerium mit einer Vielzahl unterschiedlicher Projekte leiten, daher glaube ich, dass ich meine Managementerfahrungen unter Beweis stellen konnte.“
 
Bei seiner Kandidatur möchte er einen Punkt hervorheben, sagt Dlouhý:
 
„Das ist, dass die OECD immer als eine Institution gesehen wurde, die von ihren Mitgliedern geführt wird. Sie entscheiden darüber, wie die OECD vorgehen sollte und welche ihre Interessenbereiche sind. Daher sollte eine der Fähigkeiten des zukünftigen Generalsekretärs darin bestehen, den Kompromiss zu erzielen.“

Die OECD stehe derzeit an einem Scheideweg, meint der Kandidat.
 
„Bereits vor der Pandemie herrschte Einigkeit darin, dass der völlig neue wirtschaftliche Trend Transformationen erfordert und dass kleine und mittlere Firmen genauso wie große multinationale Unternehmen neue Geschäftsmodelle übernehmen müssen. Dies schafft neue Herausforderungen für wirtschaftspolitische Entscheidungen. Es betrifft die Ausbildung junger Menschen, damit die junge Generation auf ein neues Geschäftsmodell gut vorbereitet ist. Des Weiteren die Unterstützung für digitale Infrastruktur, künstliche Intelligenz und Robotik. Auch die OECD muss sich darauf einstellen und dazu auf ihren bisherigen Erfolgen aufbauen. Damit meine ich die Tradition, exzellente Analysen auf der Grundlage von Belegen und Statistiken zu erstellen, die sich in den Prognosen der OECD widerspiegeln. Ich glaube, die OECD ist darauf gut vorbereitet. Gleichzeitig denke ich aber, dass auch eine Institution, die in guter Verfassung ist, sich anpassen und verändern muss, um sich den neuen Herausforderungen der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung zu stellen.“

Vladimír Dlouhý und Tom McEnchroe  (Foto: Archiv des tschechischen Außenministeriums)


 
Die Kampagne für einen neuen Generalsekretär beziehungsweise eine neue Generalsekretärin läuft in einer außerordentlichen Zeit. Laut dem letzten OECD-Bericht haben ihre Mitglieder mit 9,8 Prozent den stärksten Rückgang des BIP verzeichnet, der jemals registriert wurde. Was würde Dlouhý als OECD-Chef tun, um die Wirtschaft der Mitgliedstaaten wieder in Schwung zu bringen?
 

Foto: kool_skatkat,  Flickr,  CC BY-NC-ND 2.0

„Erstens möchte ich auf dem Wertvollsten aufbauen, worüber die OECD verfügt. Das sind die hervorragenden Fähigkeiten ihrer Wirtschaftsanalysten und Makroökonomen, aber auch die hervorragenden Kenntnisse in verschiedenen sektoralen Fragen der Weltwirtschaft. Viele Menschen vergleichen die Probleme von jetzt gerne mit der Rezession in der Krise von 2008, aber sie sind anders. Obwohl der Einbruch damals viel tiefer war, ist der Kern, die Ursache des Problems nun völlig anders. Ich würde sogar behaupten, dass die Ursachen der Wirtschaftskrise von 2008 gefährlicher waren, weil sie die Basis des Finanzbankensystems bedrohten. Das ist heute nicht der Fall. Der Einbruch ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Pandemie die Regierungen gezwungen hat, die Unternehmen zu schließen. Für die Politikgestaltung der OECD ist es jetzt wichtig, zunächst die bisherigen politischen Maßnahmen auszuwerten. Hier sage ich, dass all diese Unterstützungsmaßnahmen, die zu einer erhöhten Staatsverschuldung geführt haben, notwendig waren und funktionierten.“
 
Vladimír Dlouhý fügt seine persönliche Meinung, die nicht das widerspiegelt, was er als Generalsekretär unbedingt tun würde, hinzu:
 

„Ich bin jedoch der Ansicht, dass die Zeit langsam zu Ende geht, in der Unternehmen und Privatpersonen in der Gesellschaft von enormen Subventionen aus den Geldern der Steuerzahler haben profitieren können. Jetzt muss eine Wirtschaftspolitik in Gang gebracht werden, die dazu beitragen wird, die Weltwirtschaft völlig neu zu starten, ohne diese Subventionen oder aber mit deren schrittweisen Einschränkung.“

José Ángel Gurría  (Foto: Wikimedia CC-AS-2.0 Generic)

Bis Ende Oktober können Kandidaten für einen Nachfolger von Angel Gurría  vorgeschlagen werden. Bisher wurden unter anderem die frühere EU-Handelskommissarin Cecilia Malmstrom für Schweden sowie der ehemalige Spitzenmanager und stellvertretende Stabschef von Präsident Donald Trump, Chris Liddell, ins Rennen geschickt. Wie schätzt Vladimír Dlouhý seine Chancen ein, gewählt zu werden?
 
„Wir kennen ungefähr fünf oder sechs Kandidaten und ich bin einer von ihnen. Es ist immerhin ein hochrangiger Wettbewerb. Als ich in den 1990er Jahren die Marktwirtschaft einführte, war einer der Slogans „Wettbewerb ist gesund“. Also ja, der Wettbewerb ist gesund und ich habe hier auch keine Angst vor ihm.“