Tschechien stimmt Überprüfung von Kernkraftwerk Temelin zu
Wenn man Probleme oder strittige Fragen auf die lange Bank schiebt, muss man in der Regel auch länger auf ihr nachsitzen, um sie aus der Welt zu schaffen. Denn ähnlich wie beim Verhandlungsmarathon während des EU-Gipfels in Nizza führten der tschechische Premier Milos Zeman und der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel im Beisein von EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen am Dienstag im niederösterreichischen Melk eine weit bis nach Mitternacht andauernde Verhandlung über das umstrittene Atomkraftwerk Temelin. Lothar Martin war für Radio Prag vor Ort. Hier sein Bericht:
Doch Österreichs Bundeskanzler Schüssel, der bei der Pressekonferenz gegen 1.15 Uhr am darauffolgenden Tag als erster vor die Mikrofone trat, stellte klar, man habe solange gebraucht, um mit einem von allen Seiten akzeptierbaren Agreement aufwarten zu können.
Die zwei wichtigsten Ergebnisse zum Streitfall Temelin verkündete der österreichische Regierungschef dann wie folgt:
Tschechien habe sich bereit erklärt - so Bundeskanzler Schüssel -, mit der kommerziellen Inbetriebnahme von Temelin nicht zu beginnen, bevor diese Überprüfungen nicht abgeschlossen sind. Der Abschluss ist für Ende Mai/Anfang Juni 2001 vorgesehen. Zudem werde ein Frühwarnsystem eingerichtet, wozu Österreich das Recht eingeräumt bekommt, in Temelin eine eigene technische Einheit zu errichten, ergänzte Schüssel.
Der tschechische Premier Milos Zeman bestätigte alle Punkte, die von Kanzler Schüssel vorgetragen wurden. Sie seien Bestandteil eines bilateralen Abkommens, das sofort in Kraft trete, hieß es. Zudem betonte Zeman: "Die Tschechische Republik wird mit Freude die Ergebnisse der Bewertung der Sicherheits- und der ökologischen Standards respektieren. Während dieser Überprüfungen werden auch die bereits durchgeführten Studien sowie die Meinungen internationaler Organisationen wie zum Beispiel WENRA, der European Atomic Group oder der Internationalen Agentur für Atomenergie in die Bewertung einfließen."
Zeman verwies darauf, dass man gewillt sei, Barrieren abzubauen, und er teile die Ansicht, dass zu diesen Barrieren auch der ungehinderte Austausch von Waren und der freizügige Personenverkehr über die Ländergrenzen hinaus gehören. Damit sprach er sich klar gegen weitere, mögliche Grenzblockaden österreichischer Atomkraftgegner aus.
EU-Erweiterungskommissar Verheugen machte in seinen Ausführungen vor allem deutlich, wie die Europäische Kommission den nun eingeleiteten Prozess beim Abbau des Zankapfels Temelin begleiten wolle. Zur Sicherheitsfrage sagte er:
Auf die abschließende Frage eines französischen Journalisten, ob Tschechien das AKW im Falle eines negativen Überprüfungsergebnisses abschalten werde oder nicht, antwortete Premier Zeman unmissverständlich: "Wenn sich aus ökologischen oder Sicherheitsgründen zeigen sollte, dass Temelin eine Gefahr darstellen sollte, dann werden wir das Kernkraftwerk selbstverständlich nicht in Betrieb nehmen. Wir haben die gleiche Verantwortung für die Bevölkerung der Tschechischen Republik wie sie die österreichische Regierung für die Bürger ihres Landes hat."